VwGH 89/07/0116

VwGH89/07/011619.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des KJ und der JJ in H, vertreten durch Dr. Rudolf Weiss, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, Bahnhofstraße 17, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Mai 1989, Zl. 710.818/01-OAS/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Bodenreform, zu Recht erkannt:

Normen

AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;
AVG §38;
FlVfLG Krnt 1979 §52 Abs5;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;
AVG §38;
FlVfLG Krnt 1979 §52 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unbestritten ist, daß bereits im Jahre 1965 hinsichtlich aller Grundstücke der Agrargemeinschaft "Nachbarschaft H" (in der Folge kurz: AG), zu deren Mitgliedern die beiden Beschwerdeführer zählen, das Einzelteilungsverfahren eingeleitet worden, daß aber in diesem Verfahren bisher kein Teilungsplan erlassen worden ist.

Die beiden Beschwerdeführer erhoben am 8. April 1987 Minderheitenbeschwerden gegen die in der Vollversammlung der AG vom 2. April 1987 beschlossenen Tagesordnungspunkte 2.) (Verkauf von 150 m2 aus dem gemeinschaftlichen Grundstück Nr. 131 an AR) und 7.) (Verkauf von gemeinschaftlichem Erlenbrennholz um S 450,-- /rm an RM).

Mit Bescheid vom 29. Oktober 1987 hat die Agrarbezirksbehörde Villach (ABB) dieser Minderheitenbeschwerde hinsichtlich des Grundverkaufes an AR Folge gegeben und diesen Punkt ersatzlos behoben; der Minderheitenbeschwerde gegen den Tagesordnungspunkt

7.) hingegen wurde keine Folge gegeben, weil die AG insoweit weder eigene noch Wirtschaftsinteressen ihrer Mitglieder verletzt habe. Der für das Brennholz erzielte Erlös habe dem Durchschnittspreis für Weichbrennholz entsprochen.

Gegen diesen Bescheid der ABB erhoben sodann AR sowie die beiden Beschwerdeführer Berufung an den Landesagrarsenat (LAS). Dieser wies mit seinem Bescheid vom 17. Oktober 1988 die Berufung des AR als unbegründet ab. Der Berufung der Beschwerdeführer hingegen wurde insofern Folge gegeben, als der Bescheid der ABB hinsichtlich des Brennholzes, soweit er sich auf eine Holzmenge von 0.76 rm bezog, behoben und insoweit durch eine von den Parteien vor dem LAS geschlossene Vereinbarung ersetzt wurde. Nach dieser Vereinbarung entspreche die Holzmenge von 0.76 rm dem Anteilsrecht der Beschwerdeführer und einem Wert von S 342,--; sie sei zu markieren und von den Beschwerdeführern gegen Anrechnung des Entgeltes von S 342,-- abzuholen. Begründend führte der LAS zu der die Brennholzfrage betreffenden Berufung der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer, RM und Vertreter der AG hätten im Rahmen eines Ortsaugenscheines im Verfahren vor dem LAS am 20. Juni 1988 eine Vereinbarung dieses Inhaltes getroffen und den einvernehmlichen Antrag gestellt, den Bescheid der ABB im Sinne dieser Vereinbarung abzuändern. Mit dieser Vereinbarung sei das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer, soweit sich dieses auf Punkt 7.) der Vollversammlung der AG vom 2. April 1987 beziehe, als befriedigt anzusehen, denn sie hätten ursprünglich nichts anderes begehrt, als eine Aufteilung des vorhandenen Erlenbrennholzes nach Anteilen vorzunehmen. Nicht gefolgt könne hingegen dem ergänzenden Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer werden, wonach die AG vermöge der Einleitung des Einzelteilungsverfahrens im Jahre 1965 zufolge Enteignung aufgelöst sei und nicht mehr existiere. Eine Bestimmung dieses Inhaltes sei im Flurverfassungs-Landesgesetz 1979, LGBl. für Kärnten Nr. 64/1979 (FLG), nicht enthalten. Die Klärung dieser Frage sei jedoch mit Rücksicht auf den Wegfall der Beschwer der Beschwerdeführer von untergeordneter Bedeutung.

Entgegen der Rechtsmittelbelehrung des LAS in diesem Bescheid, wonach dagegen gemäß § 7 des Agrarbehördengesetzes in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 476/1974 (AgrBehG) kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei, erhoben die Beschwerdeführer neuerlich Berufung, in welcher sie beantragten, die belangte Behörde möge den angefochtenen Bescheid des LAS aufheben und aussprechen, daß die AG zufolge rechtskräftiger Einleitung des Teilungsverfahrens rechtlich nicht mehr existent sei.

Diese Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Mai 1989 gemäß § 1 AgrVG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 7 Abs. 1 und 2 AgrBehG als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 7 Abs. 2 AgrBehG sei die Berufung an den Obersten Agrarsenat nur in den unter Z. 1 bis 5 taxativ aufgezählten Fragen zulässig. Vorliegendenfalls kämen nur die Z. 1 und 2 in Betracht. Die Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke sei aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer offensichtlich nicht in Frage gestellt. Es liege noch kein Einzelteilungsplan vor, das Ergebnis einer Einzelteilung stehe somit noch aus, sodaß eine Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit der Abfindung begrifflich noch gar nicht getroffen habe werden können. Aber auch die Frage, ob eine Agrargemeinschaft (noch) vorliege, sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. § 66 Abs. 4 AVG 1950 biete nämlich keine Grundlage dafür, unter Übergehung der ersten Instanz aus Anlaß einer Berufung über Anträge abzusprechen, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen seien. Sache des Berufungsverfahrens könne nur der Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung sein. Die Befugnis der Berufungsbehörde, in der Sache selbst zu entscheiden, erstrecke sich nur auf die "Sache" des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten worden sei. Die Beschwerdeführer hätten mit ihrer Minderheitenbeschwerde die Punkte 2.) und 7.) der Vollversammlungsbeschlüsse der AG vom 2. April 1987 bekämpft; ausschließlich darüber habe die ABB bescheidmäßig abgesprochen. Auch der LAS habe sich richtigerweise bei seiner Berufungsentscheidung auf die Frage der Minderheitenbeschwerde beschränkt. Für die belangte Behörde sei daher "Sache" des Berufungsverfahrens ausschließlich die Behandlung der Minderheitenbeschwerde der Beschwerdeführer gewesen. In diesen Angelegenheiten sei aber ein Rechtsmittel an den Obersten Agrarsenat unzulässig, weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich beschwert "in dem ihnen zustehenden subjektiven öffentlichen Recht auf Erlassung einer Sachentscheidung über eine gemäß § 7 Abs. 2 AgrBehG zulässigerweise an die belangte Behörde herangetragene Berufung zur Frage der Existenz einer Agrargemeinschaft im Rahmen eines rechtskräftig eingeleiteten Einzelteilungsverfahrens sowie hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und Nutzungen".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde eine Berufung der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen. Einzige Frage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher nur, ob die Zurückweisung der Berufung zu Recht erfolgt ist oder ob die belangte Behörde - wie dies die Beschwerdeführer meinen - verpflichtet gewesen wäre, die Berufung der Beschwerdeführer mit einer Sachentscheidung zu erledigen.

Gemäß § 7 Abs. 1 AgrBehG endet der Instanzenzug mit den im Abs. 2 bezeichneten Ausnahmen beim Landesagrarsenat. Die Berufung an den Obersten Agrarsenat ist gemäß § 7 Abs. 2 AgrBehG nur in folgenden Fällen gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates zulässig:

1. hinsichtlich der Fragen, ob ein agrargemeinschaftliches Grundstück vorliegt, wem das Eigentumsrecht daran zusteht, ob eine Agrargemeinschaft vorhanden ist und ob einer Liegenschaft oder einer Person ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zusteht,

2. hinsichtlich der Fragen der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte.

(Die weiteren Punkte 3. bis 5. betreffen Fragen des Zusammenlegungs- und Flurbereinigungsverfahrens, der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie der landwirtschaftlichen Bringungsrechte und kommen daher im Beschwerdefall von vornherein nicht in Betracht.)

Bei dem Bescheid des LAS vom 17. Oktober 1988 handelte es sich ohne Zweifel um ein in der Frage des Erlenbrennholzes abänderndes Erkenntnis, doch war, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, Sache des Berufungsverfahrens keine der in § 7 Abs. 2 AgrarBehG aufgezählten Angelegenheiten.

Die Beschwerdeführer begründen ihre gegenteilige Auffassung damit, daß es im angefochtenen Bescheid um die Fragen des Vorhandenseins einer Agrargemeinschaft sowie der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke gegangen sei, weshalb die Berufung der Beschwerdeführer zulässig und die belangte Behörde zu einer Sachentscheidung verpflichtet gewesen sei.

Den Beschwerdeführern ist einzuräumen, daß für die Entscheidung über alle strittigen Vorgänge innerhalb einer Agrargemeinschaft deren "Vorhandensein" eine nicht wegzudenkende Voraussetzung darstellt. So ist auch im Beschwerdefall die ABB fraglos und der LAS sogar ausdrücklich vom aufrechten Bestand der AG ausgegangen; anderenfalls wäre eine Entscheidung darüber, ob der Holzverkauf durch die AG an RM bzw. an die Beschwerdeführer rechtlich zulässig gewesen ist, gar nicht möglich gewesen. Die Frage des aufrechten Bestandes der AG war aber im Beschwerdefall - wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt wurde, und zwar genau so wie in allen vergleichbaren Fällen eines strittigen Vorganges innerhalb einer Agrargemeinschaft - nur als Vorfrage in der Begründung (§ 38 AVG 1950) zu beurteilen.

Damit wurde jedoch noch keine Lage geschaffen, welche eine Anrufung des Obersten Agrarsenates im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 1 AgrBehG zulässig erscheinen ließe. Eine Lösung dieser Zuständigkeitsfrage im Rechtsmittelverfahren im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer hätte zur Folge, daß hinsichtlich aller eine Agrargemeinschaft betreffenden Fragen ohne Ausnahme im Falle eines abändernden Erkenntnisses des Landesagrarsenates eine Anrufung des Obersten Agrarsenates zulässig wäre, weil dabei in jedem Fall eine positive Beantwortung der Vorfrage des Vorhandenseins der jeweiligen Agrargemeinschaft vorläge. Daraus ist zu folgern, daß nur dann, wenn die Frage des Vorhandenseins einer Agrargemeinschaft förmlich im Spruch des jeweils angefochtenen Bescheides und daher mit Rechtskraftwirkung beantwortet wird, eine Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates im Sinne des § 7 Abs. 2 Z. 1 AgrBehG gegeben ist.

Nur der Vollständigkeit wegen ist zu dieser Frage im Beschwerdefall noch anzumerken, daß die Beschwerdeführer zu Unrecht den aufrechten Bestand der AG in Zweifel ziehen. Eine Auflösung einer Agrargemeinschaft wird nämlich nicht bereits durch die Einleitung eines Einzelteilungsverfahrens herbeigeführt, sondern gemäß § 52 Abs. 5 FLG erst durch die Umwandlung der Anteilsrechte in Einzeleigentum, welche nicht bereits mit der Einleitung dieses Verfahrens bewirkt wird, sondern vielmehr (als dessen Ziel) erst durch den Teilungsplan. Dies folgt schon daraus, daß anderenfalls für die Dauer des Teilungsverfahrens ein Eigentümer der gemeinschaftlichen Grundstücke überhaupt nicht feststünde. Der Fortbestand der Agrargemeinschaft nach Einleitung eines Teilungsverfahrens läßt sich auch aus anderen Bestimmungen des FLG (so etwa §§ 77 und 96) ableiten.

Hinsichtlich der von den Beschwerdeführern weiters behaupteten Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Agrarsenates gemäß der Z. 2 des § 7 Abs. 2 AgrBehG genügt es, darauf hinzuweisen, daß die Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke nicht strittig sein kann, bevor eine solche Teilung stattgefunden hat, was aber im Beschwerdefall - wie die Beschwerdeführer selbst vorbringen - noch nicht der Fall war, weil das Teilungsverfahren bisher nicht über seine Einleitung hinaus gediehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem FLG eine Regelung des Inhaltes, daß eine Agrargemeinschaft ab dem Zeitpunkt der Einleitung eines Teilungsverfahrens handlungsunfähig wäre und daher auch nicht über den Verkauf gemeinschaftlichen Brennholzes verfügen könne - wie bereits oben gesagt - nicht zu entnehmen. Die Auffassung der Beschwerdeführer ist daher mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht in Einklang zu bringen.

Der Bescheid des LAS war daher mit Berufung nicht mehr anfechtbar. Da die belangte Behörde dies zutreffend erkannt und die entgegen der Rechtsmittelbelehrung des LAS von den Beschwerdeführern erhobene Berufung somit dem Gesetz gemäß als unzulässig zurückgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 19. Dezember 1989

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