VwGH 88/17/0240

VwGH88/17/024014.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, in der Beschwerdesache der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien I, Mölkerbastei 10, gegen die Abgabenberufungskommission der Stadt Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht , den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §55 Abs2;
VwGG §55 Abs3;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §55 Abs2;
VwGG §55 Abs3;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 5.115,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Februar 1988 schrieb der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. Jänner 1982 bis 31. Dezember 1987 Abwassergebühr in bestimmter Höhe vor.

Die dagegen erhobene Berufung vom 23. März 1988 langte laut Eingangsstampiglie am 25. März 1988 beim Magistrat der Stadt Wien, MA 4, Ref. 6 Wassergebühren, ein. Die Eingangsstampiglie auf der Berufung ist durchgestrichen und durch eine weitere Eingangsstampiglie vom 26. Mai 1988 ersetzt, ohne daß aus dem Akteninhalt die Gründe hiefür ersichtlich wären.

Mit Verfügung vom 14. Juni 1988, dem Rechtsfreund der Beschwerdeführerin zugestellt am 16. Juni 1988, wurde letzterer zur Behebung von Formgebrechen (Vorlage einer Vollmacht der Beschwerdeführerin) aufgefordert. Diese Vollmacht wurde mit Schriftsatz vom 17. Juni 1988, eingelangt am 21. Juni 1988, vorgelegt.

Vorliegende Säumnisbeschwerde ist am 20. Dezember 1988 erhoben.

Mit Berichterverfügung vom 28. Dezember 1988, zugestellt am 5. Jänner 1989, wurde das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde unter anderem aufgetragen, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen.

Innerhalb der gesetzten Frist erstattete die belangte Behörde eine Gegenschrift, legte zugleich die Akten des Verwaltungsverfahrens mit der darin enthaltenen Berufungsvorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom 3. März 1989, zugestellt am 9. März 1989, vor und beantragte gleichzeitig, der Verwaltungsgerichtshof möge die Beschwerde kostenpflichtig zurückweisen. Nach Auffassung der belangten Behörde habe die Frist des § 27 VwGG erst mit dem Zeitpunkt der Vollmachtsvorlage (21. Juni 1988) zu laufen begonnen, da erst durch die rechtzeitige Vorlage der Vollmacht eine Zurücknahme der Berufung gemäß § 59 Abs. 2 WAO ausgeschlossen gewesen sei. Der Berufungsbehörde sei überdies eine meritorische Entscheidung über die Berufung erst ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen. Unter Zugrundelegung dieses Datums sei zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde die Frist von sechs Monaten nicht abgelaufen gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Übergang der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof nach § 27 VwGG nicht von einer schuldhaften Verzögerung der Behörde abhängig. Auch wenn die Nichterledigung eines Antrages innerhalb der dort genannten Frist der Behörde nicht als Verschulden angerechnet werden kann, besteht beim Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf eine sachliche Erledigung der Säumnisbeschwerde (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 197 f, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Für die Auffassung der belangten Behörde, die sechsmonatige Frist des § 27 VwGG habe erst mit Vollmachtsvorlage am 21. Juni 1988 zu laufen begonnen, findet sich im Gesetz keine Stütze.

Davon ganz abgesehen ist kein Grund erkennbar, weshalb der Magistrat der Stadt Wien vom Einlangen der Berufung am 25. März 1988 nahezu drei Monate bis zur Erteilung des Auftrages zur Mängelbehebung vom 14. Juni 1988 verstreichen ließ. Hiebei geht der Verwaltungsgerichtshof vom Zutreffen der (ersten) Eingangsstampiglie vom 25. März 1988 aus, weil der Bescheid vom 23. Februar 1988 der Beschwerdeführerin laut Zustellausweis am 24. Februar 1988 zugestellt wurde und bei Einhaltung der einmonatigen Berufungsfrist nur ein Einlangen der Berufung am 25. März 1988 denkbar erscheint. Die (zweite) Eingangsstampiglie vom 26. Mai 1988, die jeder Begründung aus dem Akteninhalt entbehrt, muß hiebei außer Betracht bleiben. Es kann daher auch nicht etwa davon gesprochen werden, daß die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde durch ein gesetzliches Hindernis gehemmt war (vgl. Dolp, aaO, Seite 197 oben).

Aus denselben Erwägungen kam auch ein Kostenzuspruch an die belangte Behörde nach § 55 Abs. 2 oder 3 VwGG nicht in Betracht. Weder vermochte die belangte Behörde Gründe nachzuweisen, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht hätten noch hat sie nach der Aktenlage solche Gründe der Beschwerdeführerin vor der Einbringung der Säumnisbeschwerde bekanntgegeben. Ebensowenig kann die Rede davon sein, daß die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war. Denn bei unverzüglicher Erteilung des Mängelbehebungsauftrages hätte der belangten Behörde (oder der Erstbehörde) jedenfalls ein Zeitraum von weit mehr als sechs Monaten zur Erlassung des versäumten Bescheides zur Verfügung gestanden.

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war daher das Verfahren über die Säumnisbeschwerde zufolge der innerhalb der Frist des § 36 Abs. 2 VwGG ergangenen Berufungsvorentscheidung der Behörde erster Instanz einzustellen, jedoch gemäß den §§ 47 Abs. 1, § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG der belangten Behörde der Aufwandersatz aufzuerlegen, wobei auch der zweite Satz der zuletzt genannten Gesetzesstelle anzuwenden war. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war aus diesem Grunde sowie deshalb abzuweisen, weil Stempelgebühren nur in erforderlicher Höhe zuzusprechen sind.

Wien, am 14. April 1989

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