VwGH 88/14/0198

VwGH88/14/019819.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des Dipl.Ing. WP in B, vertreten durch den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. Rudolf Franzmayr in Vöcklabruck, Stadtplatz 32, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 30. Juni 1988, Zl. 129/75-10/Scho-1988, betreffend Auskunftspflicht, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
AuskunftspflichtG 1987;
BAO §90;
VwGG §42 Abs2 litc;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
AuskunftspflichtG 1987;
BAO §90;
VwGG §42 Abs2 litc;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters zur Verfahrenshilfe Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gleichlautenden, auf § 2 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, gegründeten Anträgen an zwei Finanzämter um Akteneinsicht entsprachen diese im wesentlichen mit der Begründung nicht, daß der Beschwerdeführer mit seinem Begehren keine Wissenserklärung anstrebe, wie sie nach dem genannten Gesetz unter "Auskünften" zu verstehen wären. Es fehle an einem konkreten Begehren "auf einen bestimmten Problemkreis".

Der Beschwerdeführer erhob gegen die abweisenden Bescheide Berufungen, in denen er sein Auskunftsbegehren dahingehend präzisierte, ob Akteneinsicht in "alle Steuerakten" gewährt werde.

Die belangte Behörde traf mit dem angefochtenen Bescheid folgenden Abspruch:

Den Berufungen des Dipl.Ing. P (=

Beschwerdeführer) .... gegen die Bescheide (der beiden

Finanzämter) betreffend Nichtgewährung einer Auskunft wird stattgegeben. Es wird die Auskunft erteilt, daß für ein Akteneinsichtsverfahren nicht die Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes, sondern jene der Bundesabgabenordnung heranzuziehen sind.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides legt vor allem dar, daß das Auskunftspflichtgesetz keinen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht vermittle. Das habe zur Folge, daß im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes nicht die Akteneinsicht den abgegebenen Anträgen entsprechend gewährt werden könne. Ein diesbezüglicher Antrag könne nur im Sinne des § 90 BAO gestellt werden und begründe eine völlig eigenständiges Verfahren. In Anbetracht der in den Berufungsschriften erfolgten Konkretisierung der Begehren auf die Frage, ob Akteneinsicht in alle Steuerakten gewährt werde, werde daher die konkrete Antwort gegeben: Nach den Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes werde mitgeteilt, daß für die Beurteilung der Frage, ob Akteneinsicht gewährt werden könne, ein Antrag im Sinne des § 90 BAO zu stellen sei.

Vorliegende Beschwerde macht schlüssig inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer begehrte am 13. Jänner 1988 gegenüber den genannten Finanzämtern Akteneinsicht unter Berufung auf das am 1. Jänner 1988 in Kraft getretene Auskunftspflichtgesetz. Er gründete sein Begehren ausdrücklich auf § 2 dieses Gesetzes, dem zufolge jedermann Auskunftsbegehren anbringen kann. Auf Grund der bisher geltenden Gesetze habe man das Akteneinsichtsrecht gesetzwidrig verweigert. Sollte das Einsichtsrecht nicht spätestens binnen acht Wochen gewährt werden, so werde gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz ein diesbezüglicher Bescheid beantragt.

In den Berufungen gegen die Bescheide der Finanzämter, welche den gemäß § 2 des Auskunftspflichtgesetzes gestellten Antrag auf Akteneinsicht abgewiesen hatten, brachte der Beschwerdeführer vor, allen Anfragen auf Akteneinsicht gemeinsam sei "die Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz". Das Auskunftsbegehren sei vielleicht undeutlich formuliert worden, wäre jedoch klar erkennbar und verständlich gewesen. Das Auskunftsbegehren habe konkret gelautet, ob Akteneinsicht in alle Steuerakten gewährt werde. Der Beschwerdeführer beantrage die Zurückverweisung an die Erstinstanz mit dem Auftrag, dieses Auskunftsbegehren zu beantworten und die Bescheide der Finanzämter aufzuheben. Falls die Anfrage, ob Akteneinsicht gewährt werde oder nicht, negativ beantwortet werden sollte, frage der Beschwerdeführer ergänzend an, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Akteneinsicht verweigert werde. Er ersuche im Negativfall auch hierüber um einen Bescheid gemäß Auskunftspflichtgesetz.

Angesichts dieses Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren erscheint es nicht rechtswidrig, wenn sich die belangte Behörde gleich den Finanzämtern einer Entscheidung auf dem Boden des Auskunftspflichtgesetzes gestellt sah, nämlich im wesentlichen der, ob nach diesem Gesetz eine Akteneinsicht erwirkt werden kann. Diese Entscheidung wollte die belangte Behörde mit der im Spruch des angefochtenen Bescheides erteilten Auskunft treffen. Zu einer derartigen Auskunft war die belangte Behörde aus den im folgenden Punkt 2 angeführten Gründen jedoch nicht zuständig.

2. Das Auskunftspflichtgesetz sieht die Erlassung eines Bescheides auf Antrag des Auskunftswerbers lediglich vor, wenn eine Auskunft nicht erteilt wird (§ 4). Der erteilten Auskunft kommt hingegen als bloßer Wissenserklärung kein Bescheidcharakter zu (siehe Nikolaus, Auskünfte von Finanzbehörden nach dem Auskunftspflichtgesetz, Seite 43 ff, Harbich, Akteneinsicht, Amtshilfe und Auskunftspflicht, AnwBl. 1/1988 Seite 25, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1988, Zl. 87/12/0102, und zur vergleichbaren Rechtslage nach § 3 Z. 5 des Bundesministeriengesetzes den hg. Beschluß vom 18. April 1986, Zl. 85/17/0102). Eine Auskunft kann daher nicht Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches einer Berufungsentscheidung (des angefochtenen Bescheides) sein. Als Berufungsbehörde war die belangte Behörde nach dem Auskunftspflichtgesetz vielmehr allein zu der spruchmäßigen Feststellung befugt, daß das Finanzamt eine Auskunft zu Recht oder zu Unrecht verweigerte. Gelangt eine Berufungsbehörde zur Auffassung, daß das Finanzamt die Auskunft zu Unrecht verweigerte, so kann sie lediglich diese Feststellung treffen und das Finanzamt, dessen Wirkungsbereich die Auskunft betrifft (siehe § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz), allenfalls durch Weisung zur Auskunftserteilung verhalten (vgl. auch Nikolaus, aaO, Seite 33 f im Zusammenhalt mit Seite 46). Zu einer bescheidmäßigen Auskunftserteilung war die belangte Behörde jedenfalls unzuständig. Diese Unzuständigkeit hatte der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 581, und die dort angeführte Rechtsprechung).

3. Zur Beschwerde sei noch folgendes bemerkt:

Die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz ist ungeeignet, um eine - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits abgelehnte - Akteneinsicht durchzusetzen, da das Recht auf Auskunft nicht das Recht auf Akteneinsicht umschließt (siehe Nikolaus, aaO, Seite 27, die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Auskunftspflichtgesetzes, 41 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII.GP, Harbich, aaO, Seite 26, und zur vergleichbaren Rechtslage nach § 3 Z. 5 des Bundesministeriengesetzes die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1979, Zl. 1585/77, Slg. Nr. 9751/A, vom 29. März 1982, Zl. 81/17/0049, und vom 19. Februar 1988, Zl. 87/11/0082). Es kann daher auch rechtens die Auskunft auf die Frage verweigert werden, ob Akteneinsicht gewährt wird. Bei einem darauf abzielenden "Auskunftsbegehren" geht es nämlich tatsächlich nicht um die Erteilung einer Auskunft, also einer Wissenserklärung (siehe nochmals die erwähnten Erläuterungen), sondern in Wahrheit um die Abgabe einer Willenserklärung, und zwar dahingehend, Akteneinsicht zu gewähren oder nicht. Grundlage einer solchen Willenserklärung kann aber nicht das Auskunftspflichtgesetz, sondern lediglich § 90 BAO sein.

4. Im Hinblick auf die Ausführungen zu Punkt 2 war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, wobei allerdings gemäß § 59 Abs. 1 VwGG zu berücksichtigen war, daß der Beschwerdeführer in der am 4. Oktober 1988 eingebrachten Beschwerde an Kosten lediglich einen Aufwandersatz von S 8.060,-- verzeichnete.

Wien, am 19. September 1989

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