VwGH 88/13/0124

VwGH88/13/012418.10.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des JG in S, vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Mai 1988, GZ GA 5‑1830/87, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §5 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988130124.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf den Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe für seinen Sohn R für die Zeit vom 1. Juni 1983 bis 1. Juni 1985 bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das zuständige Finanzamt stellte anläßlich einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches des Beschwerdeführers 1985 fest, daß dessen am 1. September 1960 geborener Sohn R vom 1. Juli 1980 bis 28. Februar 1981 seinen ordentlichen Präsenzdienst geleistet und am 7. Mai 1983 geheiratet hat.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 1986 schrieb es die für die Monate August 1980 bis Februar 1981 und vom Juni 1983 bis Juni 1985 bezogene Familienbeihilfe mit der Begründung zur Rückzahlung vor, daß sich der Sohn während der Ableistung seines Präsenzdienstes nicht in Berufsausbildung befunden habe sowie daß ab der Verheiratung des Genannten sein Unterhalt von seiner Ehegattin, die berufstätig sei, zu leisten gewesen wäre und dem Beschwerdeführer daher Familienbeihilfe für die genannten Zeiträume für seinen Sohn R nicht zustehe.

Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführt, daß sein Sohn während seiner Präsenzdienstzeit an der Universität studiert und sich daher in Berufsausbildung befunden habe. Da die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes während des Studiums nicht gegeben gewesen sei, habe ein Unterhaltsanspruch seines Sohnes ihm gegenüber bestanden. Die Unterhaltskosten für seinen Sohn seien aber auch nach dessen Verheiratung überwiegend von ihm getragen worden.

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend im wesentlichen ausgeführt:

Strittig sei, ob der Sohn des Beschwerdeführers vom 1. Juli 1980 bis 28. Februar 1981 in Berufsausbildung gestanden sei bzw. ob der Beschwerdeführer auch seit der unbestrittenermaßen am 7. Mai 1983 erfolgten Verehelichung seines Sohnes mit einer voll Erwerbstätigen noch zur Unterhaltsleistung an seinen Sohn verpflichtet gewesen wäre oder nicht, weil das Einkommen der Ehegattin „nicht für die Deckung der Lebensverhältnisse der Ehegatten ausreichte“.

Der Sohn des Beschwerdeführers habe sich seit Oktober 1978 in einer privaten Maturaschule auf die Ablegung der Externisten‑Reifeprüfung vorbereitet, welche er, nach mehrmaliger Reprobation, am 24. Februar 1982 dann tatsächlich abgelegt habe. Auch während seiner Präsenzdienstzeit ‑ zum Frühjahrstermin 1981 - sei er zur Prüfung angetreten, ohne jedoch einen Erfolg zu erzielen. Der Beschwerdeführer erblicke nun offenbar in diesem Antreten zur Prüfung ‑ ursprünglich habe er behauptet, sein Sohn habe während der Ableistung des Präsenzdienstes an der Universität Wien studiert ‑ eine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes. Dieser Ansicht vermöge sich die belangte Behörde auch dann nicht anzuschließen, wenn man davon ausgehe, daß für die Prüfung „eine gewisse Vorbereitungszeit investiert wurde“. Die Frage, ob während des Präsenzdienstes eine den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Berufsausbildung vom Gesetzgeber „als zulässig ins Auge gefaßt war“, habe nämlich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 9. Juni 1978, Zl. 941/77, ausdrücklich verneint.

Im Streitfall stelle sich jedoch ‑ wie bereits oben dargelegt ‑ auch noch die Frage, ob die vom Beschwerdeführer an den nicht mehr zu seinem Haushalt gehörenden Sohn nach dessen Verehelichung geleisteten Zahlungen einen Familienbeihilfeanspruch wegen überwiegender Kostentragung rechtfertige oder nicht. Es sei daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer deshalb noch zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei, weil die Ehegattin des Sohnes nach ihren Lebensumständen eine solche Verpflichtung nicht treffe.

Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen würden sich aus dem Zivilrecht ergeben. Soweit ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges Kind eine Ehe eingehe und der Ehegatte zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage sei, bestehe die Unterhaltspflicht der Eltern weiter. Für die Frage des Anspruches derselben auf Familienbeihilfe sei von Bedeutung, „ob und inwieweit der Ehegatte des Kindes diesen Unterhalt zu leisten hat“. Beziehe daher der Ehegatte eines noch in Berufsausbildung stehenden, nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes Einkünfte, sei zu prüfen, ob er auf Grund derselben den Unterhalt für seinen Gatten leisten könne oder nicht.

Auf Grund der Tatsache, daß die Ehegattin des Sohnes des Beschwerdeführers „voll erwerbstätig ist und entsprechende Einkünfte bezieht, welche für die Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes ausreichen“, bestehe für den Beschwerdeführer keine sittliche Verpflichtung für seinen noch in Berufsausbildung befindlichen Sohn die in Rede stehenden Unterhaltszahlungen zu leisten. Es müsse vielmehr der überwiegende Teil dieser Zahlungen ‑ wenn nicht der gesamte Betrag ‑ als freiwillige Leistung angesehen werden. Darauf, daß Eltern freiwillig Unterhaltsleistungen für verheiratete Kinder erbrächten ohne hiezu verpflichtet zu sein, könne ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht gestützt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

§ 2 Abs. 2 leg. cit. normiert, daß Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.

Im Beschwerdefall verneint die belangte Behörde zunächst den Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe für seinen großjährigen, jedoch das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet habenden Sohn R für die Zeit vom August 1980 bis Februar 1981 mit der Begründung, daß dieser Sohn in dem genannten Zeitraum, während welchem er seinen ordentlichen Präsenzdienst ableistete, ungeachtet des Umstandes, daß er sich seit Oktober 1978 in einer privaten Maturaschule auf die Ablegung der Externisten-Reifeprüfung ‑ welche er in der Folge im Februar 1982 bestand ‑ vorbereitete, nicht in Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG stand. Die belangte Behörde stützt sich hiebei auf das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1978, Zl. 941/77, in welchem der Gerichtshof aussprach, daß der Präsenzdienst die Haushaltszugehörigkeit gemäß § 2 Abs. 5 lit. a leg. cit. nicht aufhebt, in der pflichtgemäßen Erfüllung dieses Dienstes schon ihrem Wesen nach keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG erblickt und auch ein während des Präsenzdienstes (gleichgültig ob in der Dienst- oder Freizeit) betriebenes Studium nicht als eine nach der zitierten Gesetzesstelle den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Berufsausbildung angesehen werden kann.

Dieser Auffassung, welche sich auf die Überlegung stützt, daß einem allfälligen während des Präsenzdienstes, dessen voller Erfüllung sich der Soldat mit allen seinen Kräften zu widmen hat, möglich gewesenen Studium gegenüber der Haupttätigkeit, nämlich der Erfüllung der Wehrpflicht, keine entscheidende Bedeutung zukommen kann, vermag der Beschwerdeführer lediglich den Einwand entgegenzusetzen, daß im Streitzeitraum, ein gegenüber jener Zeit, auf welche sich das oben zitierte hg. Erkenntnis bezog (1976), für die Präsenzdiener angeblich zeitlich günstigerer Dienstplan beim österreichischen Bundesheer bestand. Nach diesem Dienstplan habe die Dienstzeit „nur unwesentlich“ die „Normalarbeitszeit eines Beschäftigten“ überschritten, woraus der Beschwerdeführer schließt, daß im Beschwerdefall eine Berufsausbildung seines Sohnes auch während dessen Präsenzdienstzeit angenommen werden könnte.

Dieser Einwand vermag jedoch dem Beschwerdeführer nicht zum Erfolg zu verhelfen; denn selbst wenn der Dienstplan für Präsenzdiener im Streitzeitraum zeitlich günstiger gewesen sein sollte als früher, so führt doch der Beschwerdeführer selbst aus, daß die Dienstzeit seines Sohnes während des Präsenzdienstes über der Normalarbeitszeit eines Berufstätigen lag. Schon auf Grund dieser Sachlage ist aber davon auszugehen, daß dem allenfalls möglichen Studium seines Sohnes im Laufe der Präsenzdienstzeit neben der Haupttätigkeit, nämlich der Erfüllung der Wehrpflicht, keine entscheidende Bedeutung zukam. Mit Recht durfte daher die belangte Behörde zu dem Schluß gelangen, daß der Sohn des Beschwerdeführers, auch wenn er sich vielleicht tatsächlich während seines Präsenzdienstes nebenbei auf die von ihm dann 1982 bestandene Reifeprüfung vorbereitete, nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für einen Beruf ausgebildet wurde und daher ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe für seinen Sohn R aus dem in Rede stehenden Titel ‑ ungeachtet der Tatsache, daß der Letztgenannte in seiner Präsenzdienstzeit, allerdings vergeblich, versucht hatte, die Reifeprüfung abzulegen - nicht bestand.

Die belangte Behörde verneint aber einen solchen Anspruch auch für die Zeit vom Juni 1983 bis Juni 1985 und begründet diese Ansicht damit, daß der Sohn des Beschwerdeführers am 7. Mai 1983 geheiratet habe und ab diesem Zeitpunkt für ihn, der unbestrittenermaßen auch in dem genannten Zeitraum infolge seines Studiums die Selbsterhaltungsfähigkeit noch nicht erlangt hatte, seine Ehegattin und nicht der Beschwerdeführer, zu dessen Haushalt er auch nicht mehr gehörte, unterhaltspflichtig war.

In diesem Zusammenhang führt die belangte Behörde zu Recht aus (vgl. auch Burkert‑Hackl‑Wohlmann‑Reinold, Der Familienlastenausgleich, Kommentar zu § 5 FLAG, Punkt „Verheiratete Kinder“), daß, wenn ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges Kind eine Ehe eingeht und der Ehegatte zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage ist, die Unterhaltspflicht der Eltern weiterbesteht.

Für die Frage des Anspruches derselben auf Familienbeihilfe ist daher entscheidend, ob und inwieweit der Ehegatte dem Kinde den notwendigen, sich aus den Erfahrungswerten des täglichen Lebens entsprechend dem Alter und dem Berufsstand der Ehegatten ergebenden Unterhalt zu leisten in der Lage ist. Stünde dieser Ehegatte selbst noch in Berufsausbildung und wäre er daher auch noch nicht selbsterhaltungsfähig, dann wäre die Fortdauer der elterlichen Unterhaltspflicht und damit der Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben. Bezieht jedoch der Ehegatte des noch in Berufsausbildung stehenden, nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes Einkünfte, dann ist zu prüfen, ob er auf Grund derselben den notwendigen Unterhalt für seinen noch in Berufsausbildung stehenden Gatten zu leisten vermag. Ist dies zu bejahen, begründen freiwillige Unterhaltsgewährungen der Eltern des noch nicht selbsterhaltungsfähigen Ehepartners keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Reichen dagegen die Einkünfte des Gatten höchstens zur Bestreitung der eigenen bescheidensten Unterhaltsbedürfnisse aus, so wird seine Unterhaltspflicht gegenüber dem nicht selbsterhaltungsfähigen Ehegatten verneint werden müssen, weshalb die Unterhaltspflicht der Eltern desselben fortbesteht und diese, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ‑ insbesondere auch des Umstandes, daß die Eltern die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend tragen ‑, Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang lediglich die nicht näher begründete Behauptung aufgestellt, daß im Hinblick auf die Tatsache, daß die Ehegattin des Sohnes des Beschwerdeführers voll erwerbstätig sei und entsprechende Einkünfte beziehe, welche für die Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes ausreichten, für den Beschwerdeführer keine Verpflichtung bestanden habe für seinen Sohn Unterhaltszahlungen zu leisten und daher, weil es sich damit bei diesen Zahlungen um freiwillig erbrachte gehandelt habe, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Diesen Ausführungen mangelt jegliche Darlegung über die Höhe der Einkünfte der Ehegattin des Sohnes des Beschwerdeführers im Streitzeitraum sowie eine fundierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob und allenfalls inwieweit mit diesen Einkünften der notwendige Unterhalt an den nicht selbsterhaltungsfähigen Sohn des Beschwerdeführers geleistet werden konnte. Nur auf Grund einer solchen konkreten Überprüfung hätte aber festgestellt werden können, ob überhaupt oder in welchem Ausmaß auch nach der Verheiratung des Sohnes des Beschwerdeführers eine Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gegenüber seinem Sohn zu bejahen war.

Die bloße Behauptung der belangten Behörde, die Einkünfte der Ehegattin würden für die Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes ausreichen, vermag die oben angedeuteten notwendigen Überprüfungen und Schlußfolgerungen nicht zu ersetzen.

In diesem Punkt erweist sich daher der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was diesbezüglich zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG führen muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeschriftsatz lediglich dreifach vorzulegen war und für die vier Beilagen nur S 150,‑ ‑ an Stempelmarken entrichtet werden mußten.

Wien, am 18. Oktober 1989

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