VwGH 88/05/0126

VwGH88/05/012631.1.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1. des JH,

2. der AH und 3. des FE in B, alle vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 23/11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. Dezember 1986, Zl. BauR-186/20-1986 Gu/Lan, betreffend die Enteignung von Grundflächen zum Zwecke der Errichtung eines Ortschaftsweges (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BStG 1971 §12;
LStVwG OÖ 1975 §57;
LStVwG OÖ 1975 §58 Abs3;
LStVwG OÖ 1975 §59 Abs1;
LStVwG OÖ 1975 §60;
LStVwG OÖ 1975 §8;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988050126.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge des Ausbaues der L-Bundesstraße (B 126) im Bereich des Bauloses S-brücke war es im Hinblick auf die neue Trasse der Bundesstraße erforderlich, das bisherige Wegenetz der Gemeinde in diesem Bereich neu zu ordnen und dabei insbesondere durch die neue Trasse der Bundesstraße unterbrochene Verkehrsbeziehungen im Sinne des § 12 des Bundesstraßengesetzes (BStG) wiederherzustellen. Zu diesem Zweck erließ der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei am 22. November 1985 unter Zugrundelegung eines entsprechenden Lageplanes eine Verordnung, derzufolge Grundflächen als öffentliche Verkehrsflächen gewidmet und zum Ortschaftsweg erklärt wurden (§ 2 Abs. 1). Weiters wurde die bisherige Trasse der B gemäß § 2 Abs. 2 dieser Verordnung zum Ortschaftsweg erklärt. Schon mit Eingabe vom 15. Oktober 1985 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter Zugrundelegung des genannten Lageplanes die erforderliche Enteignung dieser Grundflächen zum Ausbau der Ortschaftswege bei der Bezirkshauptmannschaft beantragt.

Mit Kundmachung vom 29. Oktober 1985 beraumte die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß den Bestimnungen des OÖ Landes-Straßenverwaltungsgesetzes (LStVG) eine Grundeinlösungsbzw. Enteignungsverhandlung für 18. November 1985 an. Gleichzeitig mit dieser Verhandlung wurde die Grundeinlösungsbzw. Enteignungsverhandlung für die neue Trasse der Bundesstraße durchgeführt. Zu diesen Verhandlungen wurden die von den Trassen Betroffenen, u.a. die Beschwerdeführer, der Aktenlage nach ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Bei dieser Verhandlung erhob der Vertreter der Beschwerdeführer sowie weiterer Betroffener eine Reihe von Einwendungen sowohl gegen das vorgesehene Bundesstraßenprojekt als auch gegen die beabsichtigten Ortschaftswege. Der Drittbeschwerdeführer brachte als Eigentümer des Grundstückes Nr. n1 auch vor, daß durch die Böschung des Steinbruches für die seinerzeitige Trasse der Bundesstraße und durch die Böschung der nunmehrigen Trasse eine extrem ungünstige Lage verursacht werde. Die direkte Erreichbarkeit des Grundstückes werde zunichte gemacht und es könne, wenn überhaupt, nur mehr über einen unzumutbaren Umweg erreicht werden. Nach dem derzeitigen Projekt sei für sein Restgrundstück überhaupt keine Zufahrt geplant und er würde im Falle der Enteignung ausdrücklich eine ordnungsmäßige eigene Zufahrt, welche der eines Baugrundstückes entspreche, verlangen. Auf Grund dieses Vorbringens erklärte der straßenbautechnische Amtssachverständige, daß der im Projekt vorgesehene Parallelweg westlich der neuen Trasse über das dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin gehörende Grundstück Nr. n2 bis zur nördlichen Grenze des Grundstückes Nr. n1 in einer Breite von 3,5 m als Wirtschaftsweg zu verlängern sei. Für die Wiederherstellung der unterbrochenen Verkehrsbeziehungen der Gemeinde stellte die mitbeteiligte Partei im Zuge der mündlichen Verhandlung den Antrag auf Enteignung einer Grundfläche im Gesamtausmaß von 170 m2 aus dem Grundstück Nr. n2. (Die Protokollierung in der Verhandlungsschrift auf S. 49 ist insofern mißverständlich, als bezüglich dieses Antrages festgehalten wurde, daß er von der Bundesstraßenverwaltung "bzw. Marktgemeinde B" gestellt worden sei.) Der straßenbautechnische Amtssachverständige erachtete die Straßenbauprojekte als genehmigungsfähig und die Enteignung als unbedingt erforderlich.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde beschloß sodann mit Verordnung vom 26. Mai 1986, auch die zuletzt genannte Grundfläche als öffentliche Verkehrsfläche zu widmen und erklärte sie zum Ortschaftsweg (§ 2 der Verordnung).

Mit Bescheid vom 26. Juni 1986 verfügte die Bezirkshauptmannschaft die Enteignung von Grundflächen der Beschwerdeführer sowie weiterer betroffener Personen "für Verkehrsflächen der Marktgemeinde B". Die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen das Projekt wurden als unbegründet abgewiesen, die Einwendungen gegen die Trassenführung der Ortschaftswege, soweit die Anträge bei der Verhandlung nicht berücksichtigt worden waren, als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurden Entschädigungen festgesetzt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß ein konkreter Bedarf zur Enteignung der Grundflächen gegeben sei, weil durch die Verlegung der B 126 Nebenwege bzw. Verkehrsbeziehungen unterbrochen werden, die wiederherzustellen seien. Bezüglich der Trassenführung der B 126 sei auf das diesbezügliche Verfahren zu verweisen. Die Änderung der Trassenführung sei überdies durch den schlechten Bauzustand der Brücke über den S-bach im öffentlichen Interesse erforderlich. Für die Inanspruchnahme von Grundflächen zur Wiederherstellung von unterbrochenen Verkehrsbeziehungen sei lediglich das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung dieser Verkehrsbeziehung bzw. das aufrechte Bestehen dieser Verkehrsbeziehungen zu prüfen. Dieses öffentliche Interesse sei allein schon dadurch gegeben, daß diese Verbindung schon solange aufrecht bestanden habe, daß ein öffentlicher Verkehr auf diesen Straßen und Wegen als Recht ausgeübt worden sei. Die Verordnungen der mitbeteiligten Gemeinde seien darüber hinaus von der Enteignungsbehörde nicht zu überprüfen.

Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung unterbrach zunächst die OÖ Landesregierung mit Bescheid vom 9. September 1986 das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG 1950 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Enteignungsverfahrens betreffend die Bundesstraße. Mit Bescheid vom 5. Dezember 1986 wies die OÖ Landesregierung sodann die Berufung als unbegründet ab, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid insoweit ab, als ausdrücklich festgestellt wurde, daß die Enteignung für die Marktgemeinde B ausgesprochen worden sei. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Bestimmungen des ÖO LStVG die OÖ Landesregierung insbesondere auf die vorliegenden Verordnungen, gegen deren Inhalt sie keine Bedenken hegte. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer liege auch ein hinreichend bestimmter Enteignungsantrag vor und auch der Spruch des Bescheides stelle ausreichend klar, für wen die ausgesprochene Enteignung in Anspruch genommen werde. Dessen ungeachtet sei zur Klarstellung in dieser Beziehung der Spruch abgeändert worden. Nach weiteren Ausführungen stellte die Berufungsbehörde zusammenfassend fest, daß entsprechend dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen der Bau der angeführten Ortschaftswege zur Aufrechterhaltung der unterbrochenen Verkehrsbeziehungen in der Verwaltung der Gemeinde unbedingt notwendig sei und sich das Ausmaß der Enteignung im unbedingt erforderlichen Umfang halte.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 26. Februar 1988, Zl. B 62/87-8, ablehnte, die Beschwerde jedoch gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Für den Fall dieser Abtretung hatten die Beschwerdeführer bereits in ihrer Beschwerde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Sie erachteten sich insoweit in ihren Rechten verletzt, "als bei Zugrundelegung des gegenständlichen Sachverhaltes für die im Enteignungsbescheid verfügte Enteignung keine gesetzliche Deckung gegeben ist".

 

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 58 Abs. 3 des Oö Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 (LStVG), LGBl. Nr. 22, kann für die Neuanlage, die Verlegung und den Umbau sowie für Zwecke der Erhaltung öffentlicher Ortschaftswege die Enteignung von der Gemeinde unter den im Abs. 1 angeführten Bedingungen in Anspruch genommen werden. Nach Abs. 1 des § 58 LStVG besteht ein Anspruch auf Enteignung unter der Voraussetzung, daß ihre Notwendigkeit für die Herstellung und Benützung der Straße für den öffentlichen Verkehr erwiesen ist.

Nach § 59 Abs. 1 LStVG ist um die Enteignung unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte, des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der in Betracht kommenden Grundbuchsauszüge, wenn es sich um Landesstraßen oder Bezirksstraßen handelt, bei der Landesregierung, wenn es sich hingegen um Eisenbahn-Zufahrtsstraßen (Konkurrenzstraßen), um Gemeindestraßen oder um Ortschaftswege handelt, bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzuschreiten.

§ 60 Abs. 1 LStVG bestimmt schließlich, daß über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung die im § 59 genannte Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, entscheidet, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist.

Die Beschwerdeführer behaupten nun zunächst, daß die mitbeteiligte Partei überhaupt keinen entsprechenden Antrag auf Enteignung gestellt habe. Daß dies nicht zutrifft, wurde bereits in der Sachverhaltsdarstellung dargetan, auf welche zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Auch bezüglich des weiteren Vorbringens der Beschwerdeführer, daß erst durch die Behörde zweiter Instanz eine Enteignung zugunsten der mitbeteiligten Partei ausgesprochen wurde, hat der Gerichtshof schon in der Sachverhaltsdarstellung bei der Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides klargestellt, daß dieses Vorbringen gleichfalls nicht zutrifft.

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, eine nach § 57 LStVG erforderliche Bauverhandlung sei nicht durchgeführt worden, so dürften die Beschwerdeführer übersehen, daß nach der ausdrücklichen Formulierung des § 57 Abs. 1 Satz 1 nur bei Landes- , Bezirksstraßen, Eisenbahn-Zufahrtsstraßen und sonstigen Konkurrenzstraßen sowie bei Gemeindestraßen eine solche Vorgangsweise erforderlich ist, wie sich aus der Zitierung der Punkte 1 bis 4 des § 8 Abs. 1 im § 57 Abs. 1 Satz 1 LStVG ergibt. Ortschaftswege werden nämlich in der Aufzählung des § 8 Abs. 1 erst in Punkt 5 genannt. Auch mit diesem Vorbringen konnte sohin eine Rechtswidrigkeit des durchgeführten Verfahrens nicht aufgezeigt werden.

Den Beschwerdeführern ist zwar einzuräumen, daß im Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung durch die mitbeteiligte Partei rechtswirksame Verordnungen betreffend die Festsetzung der Ortschaftswege noch nicht vorlagen. Entscheidend ist aber, daß solche Verordnungen jedenfalls schon im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorlagen. Auch in diesem Punkt erweist sich sohin die Beschwerde als unbegründet.

Die Beschwerdeführer behaupten schließlich, die Verwaltungsbehörden hätten sich zu Unrecht an die erlassenen Verordnungen gebunden erachtet und die Frage der Notwendigkeit der Enteignung sei zu verneinen. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, daß die Enteignungsbehörde an die Verordnungen des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei betreffend Festsetzung öffentlicher Verkehrsflächen und deren Einreihung als Ortschaftsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 5 LStVG gebunden war. Im Hinblick auf die sich aus § 12 BStG ergebende Notwendigkeit der Wiederherstellung unterbrochener Verkehrsbeziehungen hat der Verwaltungsgerichtshof auch gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungen keine Bedenken, wie dies auch in dem erwähnten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1988 betreffend die Ablehnung der Beschwerde zum Ausdruck kommt. Die in den Verwaltungsakten erliegenden Planunterlagen lassen im Zusammenhang mit den Ausführungen des straßenbautechnischen Amtssachverständigen hinreichend erkennen, daß keine willkürliche Festsetzung dieser Verkehrsflächen erfolgte. In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof haben die Beschwerdeführer in dieser Beziehung auch nichts mehr vorgebracht.

Soweit die Beschwerdeführer die Notwendigkeit der Enteignung bekämpften, ergibt sich diese hinsichtlich der Grundflächen des Drittbeschwerdeführers schon daraus, daß diese Grundflächen zur Verwirklichung des Ortschaftsweges unbedingt notwendig sind - der Ortschaftsweg selbst dient der Wiederherstellung unterbrochener Verkehrsbeziehungen - wie sich schon auf Grund der im Akt erliegenden Planunterlagen nachvollziehen läßt. Hinsichtlich der enteigneten Grundflächen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin wurden die Planunterlagen im Hinblick auf das Vorbringen des Drittbeschwerdeführers in der vor der Behörde erster Instanz durchgeführten Verhandlung ergänzt, zumal der straßenbautechnische Amtssachverständige die Erschließung des dem Drittbeschwerdeführer gehörigen Grundstückes Nr. n1 über Grundflächen der anderen Beschwerdeführer im Hinblick auf die gegebenen Geländeverhältnisse als notwendig erkannte. Auch in dieser Beziehung läßt das durchgeführte Verfahren ausreichend klar erkennen, daß die ausgesprochene Enteignung nicht mit der von den Beschwerdeführern behaupteten Gesetzwidrigkeit behaftet ist. Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführer als Einwendung im Sinne des § 42 AVG 1950 zu beurteilen war, ließ es doch erkennen, daß sich die Beschwerdeführer gegen die Enteignung u.a. deshalb aussprachen, weil sie die Verlegung der Trasse der Bundesstraße und die damit zusammenhängenden Straßenbauvorhaben als nicht erforderlich erachteten, also die Notwendigkeit der Enteignung bekämpften.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 31. Jänner 1989

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