VwGH 87/17/0159

VwGH87/17/015924.11.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des JJ in U, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Josef Faulend‑Klauser in Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Oktober 1985, Zl. 03‑20 Wi 55‑85/1, betreffendEnteignung für Zwecke eines öffentlichen Interessentenweges (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W),

I.

zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131 Z1
LStVwG Stmk 1964 §47
LStVwG Stmk 1964 §47 idF 1969/195
LStVwG Stmk 1964 §48
LStVwG Stmk 1964 §49
LStVwG Stmk 1964 §50 Abs3 idF 1969/195
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3 idF 1969/195
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1987170159.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Ausspruch über die Enteignung richtet, als unbegründet abgewiesen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Ausspruch über die Entschädigung richtet, zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 7. Jänner 1985 beantragte die mitbeteiligte Partei auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses vom 20. Dezember 1984 zum Zwecke der Neuanlage, der Verlegung und des Umbaues des öffentlichen Interessentenweges „E“ die Enteignung von Teilflächen des - im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden - Grundstückes Nr. 177, EZ 57 KG U, auf Grund des Projektes des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung IIe.

Durch Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 1. Februar 1985 wurde „gemäß § 8 (3) des Steiermärkischen Landesstraßen‑Verwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, in der derzeit geltenden Fassung ...... die Neuanlage, die Verlegung und der Umbau des öffentlichen Interessentenweges ‚E‘ vom E zum G Wirt nach Maßgabe des einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bildenden Projektes des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung IIe, verfügt“. Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel der mitbeteiligten Partei kundgemacht und trat mit Ablauf des 15. Februar 1985 in Kraft trat.

Mit Kundmachung der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 25. März 1985 wurde unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 und auf den Enteignungsantrag die örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung für den 24. April 1985 anberaumt.

Bei der mündlichen Verhandlung am 24. April 1985 führte der straßenbautechnische Amtssachverständige im wesentlichen aus, daß der Ausbau des öffentlichen Interessentenweges „E“ im großen und ganzen unter Mitbenutzung des seit Jahrzehnten bestehenden Weges erfolge. Dies treffe für das Wegteilstück km 1,513 bis km 1,737, das über das Waldgrundstück Nr. 177, EZ 57, KG U, führe, besonders zu. Im vorliegenden Fall handle es sich um den Umbau, und zwar um die Verbesserung der Linienführung der bestehenden Trasse. Die Länge dieses Teilstückes auf dem Grundstück Nr. 177 betrage 170 m. Die Kronenbreite sei mit 4,50 m vorgesehen. Die Grundinanspruchnahme des Waldgrundstückes Nr. 177 belaufe sich auf Grund des Projektes der Fachabteilung IIe auf 940 m2. Die Trasse für den Umbau sei in Form von Pflöcken in der Natur dargestellt und das Flächenausmaß überprüft worden. Der Umbau - Verbesserung der Linienführung - sei eine unbedingte Notwendigkeit für die Verkehrssicherheit, weil der „E“ vor allem der Erschließung von fünf landwirtschaftlichen Betrieben diene und infolge dessen eine entsprechende Verkehrsfrequenz zur Folge gehabt habe. Der Beschwerdeführer wünsche eine Trasse, die ca. 60 bis 70 m unterhalb (südlich) der bestehenden Trasse verlaufen solle, um die Erschließung seines Waldgrundstückes zu verbessern bzw. die Holzbringung zu erleichtern. Dieser Wunsch könne nicht positiv begutachtet werden, weil a) eine wesentlich größere Grundinanspruchnahme als bei der oberen Trassenführung, bei der die bestehende Wegtrasse mitgenutzt werde, erfolgen müßte und b) bei der unteren Trasse es sich sohin um eine völlige Neuanlage in einer Länge von ca. 700 m handeln würde, die noch zusätzlich zum Waldgrundstück Nr. 177 des Beschwerdeführers wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen anderer Besitzer beanspruchen würde. Die gesamte Grundinanspruchnahme betrage bei der oberen Trasse ca. 5.500 m2 an landwirtschaftlichen Nutz- und Waldflächen; die untere Trasse würde ca. 10.000 bis 11.000 m2 an landwirtschaftlichen Nutz- und Waldflächen beanspruchen. Die Ausbaukosten der unteren Trasse würden auf S 1,330.000,-- (S 1.900,-- pro lfm) geschätzt (Erdbau, Tragschicht, Verschleißdecke). Die Kosten der oberen Trasse beliefen sich auf S 1,120.000,-- (S 1.600,-- pro lfm) - ohne die Kosten der Grundinanspruchnahme. Aus Kostengründen und sohin aus Gründen der Wirtschaftlichkeit der Bauführung sei der oberen Trasse der Vorzug zu geben. Laut Verhandlungsschrift hat der Beschwerdeführer folgende Stellungnahme abgegeben:

„Ich bin dagegen, weil mich das Holzbringen bergauf S 40.000,-- kostet.“

Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterfertigung der Verhandlungsschrift ohne Angabe von Gründen; die Richtigkeit der Wiedergabe des Verhandlungsergebnisses wurde vom Verhandlungsleiter beurkundet.

Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg verpflichtete mit Bescheid vom 17. Mai 1985 den Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die §§ 48 bis 50 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 und auf das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, „zum Zwecke der Neuanlage und des Umbaues des öffentlichen Interessentenweges ‚E‘, nachstehende Grundflächen und unselbständige Bestandteile in der KG U, wie sie im Enteignungsoperat (Lageplan M 1:500, Längenprofil M 1:1.000/100, Querprofil M 1:100) des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung IIe, Agrartechnik, das zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erklärt wird, dargestellt ist, dauernd und lastenfrei, in das Eigentum der Gemeinde W, öffentliches Gut, gegen die angegebenen Entschädigungsbeträge, abzutreten“. Gleichzeitig bestimmte sie eine Gesamtentschädigung im Betrage von S 18.570,--. Zur Begründung wurde unter Einbeziehung der Verhandlungsergebnisse vom 24. April 1985 anhand der Amtssachverständigenbegutachtung ausgeführt, warum die Projektsausführung für notwendig betrachtet werde (und weshalb die dagegen gerichteten Einwendungen des Beschwerdeführers nicht zielführend seien). So habe die Behörde - auf Grund der Einwendungen des Beschwerdeführers - veranlaßt, daß auch Varianten zum gegenständlichen Vorhaben, wenigstens grundsätzlich, untersucht würden. Die vom Beschwerdeführer bevorzugte Variante beanspruche jedoch mehr Fläche, habe ungünstige Steigungsverhältnisse und sei länger und damit auch kostenintensiver, weshalb schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit der Bauausführung hievon Abstand zu nehmen sei. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, daß innerhalb von acht Wochen nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die gerichtliche Feststellung des Entschädigungsbetrages beantragt werden könne.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und begründete diese im wesentlichen damit, daß der Umfang der in Anspruch genommenen Grundstücke zu groß sei. Die Straße könnte auch schmäler ausgeführt werden, weil auch eine Straße geringerer Breite den geforderten Zweck erfüllen würde.

Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, es sei dem erstinstanzlichen Bescheid zweifelsfrei zu entnehmen, daß dieser Wegausbau aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Schaffung von Verkehrsverbindungen unbedingt erforderlich sei. Die vom Beschwerdeführer angeregte schmälere Fahrbahntrasse wäre der Verkehrssicherheit in jeder Weise abträglich gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht, nicht enteignet zu werden, als verletzt. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - gleich wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.

Gemäß § 8 Abs. 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGB1. Nr. 154, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGB1. Nr. 195, erfolgt die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, den (wohl richtig: der) Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung ... eines öffentlichen Interessentenweges durch Verordnung der Gemeinde.

Auf Grund des gegebenen Sachverhaltes ist davon auszugehen, daß durch die Verordnung des Gemeinderates vom 1. Februar 1985 „die Neuanlage, die Verlegung und der Umbau des öffentlichen Interessentenweges ‚E‘ vom E zum G Wirt nach Maßgabe des einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung bildenden Projektes des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion, Fachabteilung IIe,“ in einer Weise festgelegt wurde, die im Rahmen der Meßgenauigkeit des Projektes (Lageplan im Maßstab 1:2880) hinsichtlich der Trassenführung einen Spielraum nicht zuläßt und in diesem Umfang die das Steiermärkische Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 vollziehenden Behörden an die Verordnung gebunden sind (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1976, Z1. 1881/74, in dem in Slg. N. F. Nr. 9132/A nicht veröffentlichten Teil, und vom 5. Juli 1984, Zl. 82/06/0201).

Soweit nun in der Beschwerde die Notwendigkeit des Umbaues des beschwerdegegenständlichen öffentlichen Interessentenweges - bezogen auf die gewählte Trassenführung - bestritten wird, vermag im Hinblick auf die oben dargelegte Bindungswirkung der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 1. Februar 1985 eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden. In diesem Sinne kann der Beschwerdeführer auch mit der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene (unteren) Trasse genauer zu prüfen, nicht durchdringen.

Ungeachtet der dargelegten Bindungswirkung besteht nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges die Möglichkeit, in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B‑VG) oder an den Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 B‑VG) die amtswegige Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens bzw. die Stellung eines Antrages auf Aufhebung der Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit nach Art. 139 B‑VG anzuregen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers - bezogen auf die Trassenführung - könnte somit nur dann zum Ziele führen, wenn es geeignet wäre, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 1. Februar 1985 zumindest in Zweifel zu ziehen. Derartiges wird vom Beschwerdeführer nicht unternommen. Auch beim Verwaltungsgerichtshof sind aus Anlaß des Beschwerdefalles - insbesondere vor dem Hintergrund der Ausführungen des straßenbautechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 24. April 1985 - keine Bedenken in dieser Richtung entstanden; der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der zitierten Verordnung gemäß Art. 139 B‑VG zu stellen.

Soweit die Notwendigkeit des Umfanges des Ausbaues im Sinne der Breite der Straßentrasse in der Beschwerde in Frage gestellt wird, kann es vor dem Hintergrund der dem Verwaltungsgerichtshof nach § 41 VwGG gestellten Prüfungsaufgabe nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde - unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit - ihrem Abspruch als maßgebenden Sachverhalt zugrunde legte, daß eine schmälere Fahrbahntrasse nicht möglich sei. Auf der Grundlage der bloß allgemein gehaltenen Verfahrensrüge, es sei nicht ausreichend erhoben worden, wie groß das Verkehrsaufkommen tatsächlich sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hätte, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Wenn schließlich der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde vorbringt, die Breite der derzeit bestehenden Trasse auf dem beschwerdegegenständlichen Grundstück sei im Durchschnitt mit 3,50 m angegeben, während sie in Wirklichkeit durchschnittlich 4,50 m betrage, so hat der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebende Neuerungsverbot darauf nicht einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes - soweit sie sich nicht gegen den Abspruch über die Entschädigung wendet - als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

II.

Gemäß § 50 Abs. 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 kann jeder der beiden Teile, wenn er sich durch den Bescheid der im § 49 genannten Behörde über die Höhe der Entschädigung benachteiligt erachtet, innerhalb acht Wochen nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Feststellung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Wird die gerichtliche Entscheidung angerufen, tritt der Bescheid der Behörde über die Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Gegners zurückgezogen werden. Die Höhe der im Verwaltungsweg festgesetzten Entschädigung kann mit Berufung nicht angefochten werden.

Der Steiermärkische Landesgesetzgeber hat daher, wie in allen modernen Enteignungsgesetzen üblich, hinsichtlich der Entschädigung eine sogenannte sukzessive Zuständigkeit zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten angeordnet. In derartigen Fällen, in denen der Bescheid durch Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt, sind weder Rechtsmittel noch Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zulässig.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der festgesetzten Entschädigung wendet, war die Beschwerde daher gemäß § 34 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am 24. November 1989

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