VwGH 87/05/0194

VwGH87/05/019425.4.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Ing. LI in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. September 1987, Zl. MA 64-151/86/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Wiener Bauordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
VStG §5 Abs1;
AVG §45 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §135 Abs1;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Wiener Magistrates vom 25. September 1986 wurde der Beschwerdeführer - nachdem eine vorangegangene Strafverfügung infolge Einspruchs außer Kraft getreten war - schuldig erkannt, in der Zeit vom 19. November 1985 bis 4. Februar 1986 als Eigentümer des Hauses in Wien n., G-gasse 28, insofern Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben und den vorschriftswidrigen Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden sei, nicht beseitigt zu haben, als er es unterlassen habe, die ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführten baulichen Änderungen im Bereich der Wohnung top Nr. 13 und 14 im 3. Stock beseitigen und den dem mit Genehmigung vom 31. März 1844, Z 32 323, bewilligten Plan entsprechenden konsensgemäßen Zustand wieder herstellen zu lassen oder eine nachträgliche Bewilligung zu erwirken. Er habe dadurch gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) eine Verwaltungsübertretung begangen, für die gemäß § 135 Abs. 1 des Gesetzes eine Geldstrafe von S 2.000,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 72 Stunden) verhängt werde.

Tatsachenfeststellungen sind der Begründung dieses Straferkenntnisses nicht zu entnehmen; im wesentlichen wurde die Annahme des fehlenden Entlastungsbeweises darauf gestützt, daß es Aufgabe des Beschwerdeführers als Hauseigentümer gewesen wäre, entweder selbst oder durch Dritte, die er in ausreichendem Maß überwache, die nachträgliche Baubewilligung zu erwirken.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß er sich in allen Hausverwaltungsangelegenheiten durch die protokollierte Firma HT ständig beraten und vertreten lasse. Er habe ein taugliches Unternehmen mit der Vertretung seiner Belange betraut und keinen Anlaß gehabt anzunehmen, daß dieses Unternehmen die ihm übertragenen Aufgaben unzulänglich oder unrichtig lösen werde. Schon deshalb fehle es ihm an der "Deliktsfähigkeit". Der Vertreter des Beschwerdeführers habe überdies alles Zumutbare vorgekehrt, um den konsensgemäßen Zustand herzustellen, wozu einerseits die Mitwirkung im Bauverfahren und andererseits die erforderlichen Aufforderungen an den sich gesetzwidrig verhaltenden Mieter gehörten. Da der Beschuldigte sohin während des von der Behörde angenommenen Tatzeitpunktes (wohl Zeitraumes) alles ihm Zumutbare vorgekehrt habe, sei der Entlastungsbeweis gelungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auf Grund dieser Berufung das angefochtene Straferkenntnis in der Schuldfrage und hinsichtlich des Ausspruches über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Sie haben in der Zeit vom 19.11.1985 bis zum 4.2.1986 als Eigentümer des Hauses in Wien n., G-gasse 28, insofern Abweichungen von den Bauvorschriften nicht behoben und den vorschriftswidrigen Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, nicht beseitigt, als Sie es unterließen, die ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführten baulichen Änderungen im Bereich der Wohnung top Nr. 13 und 14 im 3. Stock zur Zusammenlegung dieser Wohnungen und Einbeziehung eines Gangteiles beseitigen zu lassen." Die Strafe wurde jedoch gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 1.500,-- ermäßigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß ein Verstoß gegen § 129 Abs. 10 BO ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 sei, sodaß ein schuldbefreiender Nachweis nur in der Weise erbracht werden könne, daß der Eigentümer nachweise, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um den gesetzwidrigen Zustand in kürzester Frist zu beseitigen. Außer Streit stehe, daß die baulichen Abänderungen im Bereich der Wohnungen top Nr. 13 und 14 im 3. Stock ohne Baubewilligung durchgeführt worden seien und im Tatzeitraum auch nicht um die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung angesucht worden sei. Zum Berufungsvorbringen betreffend die Delegation der Verpflichtungen des Beschwerdeführers an die beauftragte Hausverwaltung sei auszuführen, daß die Verpflichtung zur Einhaltung der übertretenen Norm ausschließlich den Eigentümer treffe und daher nicht an dritte Personen abgetreten oder delegiert werden könne. Die Deliktsfähigkeit entspreche der rechtlichen Handlungsfähigkeit, soweit sich diese auf unerlaubte Handlungen beziehe; sie werde daher im allgemeinen mit Vollendung des 14. Lebensjahres erworben. Die mit Schreiben vom 14. November 1985 an den Mieter ergangene Aufforderung, die Baubewilligung zu erwirken, sei allein nicht ausreichend, um den Beschwerdeführer zu entlasten. Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien sei dem Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) anzuschließen, wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist. Da diese Unterschrift offensichtlich nicht eingeholt wurde, hätte der Beschwerdeführer erkennen müssen, daß seiner Aufforderung durch den Mieter nicht Rechnung getragen worden sei. Er wäre daher verpflichtet gewesen, erforderlichenfalls durch die Anrufung des Gerichtes, dafür zu sorgen, daß die Voraussetzungen für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes geschaffen würden. Der Beschwerdeführer habe sich somit vollständig auf die Hausverwaltung verlassen, welche den Mieter zwar vor Beginn des Tatzeitraumes zur rechtlichen Sanierung des Mangels aufgefordert habe, in der Folge aber nicht mehr an ihn herangetreten sei. Der objektive Unrechtsgehalt der Übertretung könne, auch wenn Folgen der Tat nicht aktenkundig seien, nicht als bloß geringfügig angesehen werden. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse daran, daß baubewilligungspflichtige Maßnahmen nicht nur im Sinne der Bauordnung, sondern auch erst nach Erteilung einer Bewilligung entsprechend den Bestimmungen der Bauordnung vorgenommen würden. Daß dem Beschwerdeführer die Einhaltung der Vorschriften aus besonderen Gründen nur erschwert möglich gewesen wäre, sei nicht hervorgekommen. Auch sein Verschulden könne sonst nicht als bloß geringfügig angesehen werden. Die vorgenommene Änderung des Spruches habe der genaueren Umschreibung der Tat entsprochen. Die Strafe sei unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers herabgesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nicht wegen Übertretung nach § 129 Abs. 10 BO bestraft zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Unberechtigt ist die Beschwerde, soweit sie eine Verletzung des § 44a lit. a VStG 1950 annimmt. Selbst dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist zu entnehmen, welche Gesetzesverletzung die Behörde dem Beschwerdeführer vorwirft.

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch hinsichtlich, des angenommenen Verschuldens in bezug auf den dem Straferkenntnis zugrundeliegenden Tatzeitraum.

Gemäß § 129 Abs. 10 erster Satz der Bauordnung für Wien (BO) in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes mit Geldstrafen bis zu S 100.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten bestraft. § 5 Abs. 1 VStG 1950 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, normiert, daß zur Strafbarkeit im Zweifel fahrlässiges Verhalten genügt. Doch zieht schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß die Herstellung des bauordnungswidrigen Zustandes nicht etwa durch den Hauseigentümer selbst erfolgt ist, sondern durch den Mieter. Die Behörden haben keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Zusammenlegung der Wohnungen durch diesen Mieter mit dem Beschwerdeführer selbst besprochen war und ob es dieser dabei allenfalls unterlassen hat, auf die Notwendigkeit der vorhergehenden Einholung einer baubehördlichen Bewilligung hinzuweisen. Dies könnte sich nämlich aus der Vernehmung des Mieters als Beschuldigter (nicht etwa als Zeuge) ergeben. Die Behörden sind vielmehr - soweit erkennbar - von einem eigenmächtigen Handeln des Mieters ausgegangen, sodaß sich der Schuldvorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer auf die Unterlassung der erforderlichen Schritte gegen den Mieter reduzierte. Nun darf bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 5 Abs. 1 VStG 1950 nicht von rein theoretischen Möglichkeiten der Nichtverwirklichung des Tatbestandes, der ja hier in einer Unterlassung besteht, ausgegangen werden; Fahrlässigkeit ist schon dann zu verneinen, wenn der Beschuldigte das unternommen hat, was man unter den gegebenen Umständen von einem durchschnittlichen, gesetzestreuen Staatsbürger erwarten kann. Hier ist nun auch von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer - im Tatsachenbereich von der Behörde unwiderlegt - sich stets darauf berufen hat, diese Angelegenheiten einem Bevollmächtigten (seinem Hausverwalter) übertragen zu haben, an dessen Zuverlässigkeit zu zweifeln kein Anlaß bestand. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Handlungen und Unterlassungen des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen sind, darf nicht übersehen werden, daß gerade in dem nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitraum dieser Verwalter ohnehin Handlungen gesetzt hat, die zur Herbeiführung einer nachträglichen Baubewilligung führen sollten, indem er schriftlich den Mieter zur Einreichung eines entsprechenden Plans bei der MA 37 aufforderte. Da der Mieter daraufhin um die Genehmigung zur Ausfolgung einer Kopie des Bauplans ersuchte, konnte er immerhin zunächst annehmen, daß der Mieter tatsächlich ein Bauansuchen vorbereitete und dieses auch einbringen würde. Für eine mit derartigen Angelegenheiten nicht vertraute Person muß mit einer entsprechenden Vorbereitungszeit gerechnet werden; daher mußte der Vertreter des Beschwerdeführers bei der Kürze der Zeit (etwas über zwei Monate, in die jedoch die Weihnachtszeit fiel) noch nicht annehmen, daß der Mieter doch kein Bauansuchen einbringen würde. Damit konnte auch dem Beschwerdeführer im Zeitraum bis zum 4. Februar 1986 noch keine Verletzung seiner Aufsichtspflicht vorgeworfen werden. Die Einbringung einer Klage auf Wiederherstellung des früheren Zustandes wäre ja zu diesem Zeitpunkt noch völlig aussichtslos gewesen, da der Mieter mit Recht hätte einwenden können, daß er ohnehin in der Vorbereitung des Bauansuchens begriffen sei. Eine von vornherein aussichtslose Klage einzubringen, gehört jedoch nicht zu den Aktivitäten, die vom Hauseigentümer unter den gegebenen konkreten Umständen zur Vermeidung eines Verschuldens gefordert werden könnte.

Damit hat die belangte Behörde nach dem von ihr zugrundegelegten Sachverhalt zu Unrecht angenommen, daß für den spruchgemäß vorgeworfenen Unterlassungszeitraum wegen dessen Kürze der Entlastungsbeweis des Beschwerdeführers mißlungen sei. In diesem Zusammenhang sei auch noch angemerkt, daß nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung während der Anhängigkeit eines Bauansuchens eine Strafverfolgung nach § 129 Abs. 10 in Verbindung mit § 135 BO ausgeschlossen ist. Solange daher der Vermieter hier ohne übermäßiges Zuwarten zu Recht annehmen konnte, daß der Mieter für die eigenmächtig vorgenommenen Änderungen ein Bauansuchen innerhalb zumutbarer Zeit einbringen werde, ist ein Verschulden des Hauseigentümers in dieser Hinsicht nicht anzunehmen. Soweit schließlich die belangte Behörde darauf verweist, der Beschwerdeführer hätte schon daraus, daß er nicht zur Unterschriftsleistung auf Bauansuchen und Bauplänen aufgefordert worden sei, schließen müssen, daß der Mieter kein Bauansuchen eingebracht habe, so muß doch noch darauf verwiesen werden, daß wegen des relativ kurzen Zeitraumes und der Möglichkeit einer nachträglichen Beibringung der Zustimmung des Hauseigentümers für ein Bauansuchen des Mieters diese Überlegung nicht überzeugt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 25. April 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte