VwGH 87/03/0047

VwGH87/03/004714.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf, Dr. Dorner, Dr. Puck, Dr. Zeizinger, Dr. Bernard und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des J D in T, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, Triesterstraße 7, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. November 1986, Zl. IIb2‑V‑5260/5‑1986, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art8
Geschwindigkeitsbeschränkung Arlberg Straßentunnel
StVO 1960 §43 Abs1
StVO 1960 §44 Abs1
StVO 1960 §52 lita Z10a
VwGG §13 Abs1 Z1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1987030047.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 21. April 1986 wurde der Beschwerdeführer ‑ nachdem eine Strafverfügung zufolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft getreten war ‑ schuldig erkannt, er habe am 30. April 1984 um 17.10 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws laut Radarmessung mittels geeichten Standgerätes auf der S 16 bei Stkm 3,0 (Nische 4) im Arlberg‑Straßentunnel in Fahrtrichtung Osten (Landeck) fahrend die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 15 km/h überschritten. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 52 Z. 10a StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 600,‑ ‑ (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) verhängt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nur insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf S 400,‑ ‑ (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) herabgesetzt wurde.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gegenüber dem die Lenkererhebung durchführenden Gendarmeriebeamten laut dessen Bericht vom 2. Juli 1984 angegeben, seinen Pkw nicht verborgt gehabt zu haben. Die Richtigkeit dieser Angabe sei vom Gendarmeriebeamten bei der Zeugeneinvernahme am 22. Februar 1985 bestätigt worden. Am 20. Dezember 1984 habe der Beschwerdeführer angegeben, nach seinem Wissen sei zum fraglichen Zeitpunkt Dr. K T Lenker des Pkws gewesen. Dr. K T sei am 8. Oktober 1986 als Zeuge einvernommen worden. Er habe angegeben, er sei im April 1984 öfters mit dem Pkw des Beschwerdeführers gefahren und es dürfte dies auch „am 30. April 1986 (Tatzeit war der 30. 4. 1984)“ der Fall gewesen sein. Er sei nach Zürich unterwegs gewesen, da er sich um einen Lehrauftrag bemüht habe. Er sei allein unterwegs gewesen, sonst habe sich niemand im Fahrzeug befunden. Zu dieser Zeugenaussage sei festzustellen, daß die fragliche Übertretung nicht bei der Fahrt Richtung Westen (Richtung Zürich), sondern Richtung Osten (Richtung Landeck) begangen worden sei. Die Zeugenaussage des Dr. K T könne somit nicht zur Entlastung des Beschwerdeführers beitragen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich der Lenkererhebung als erwiesen anzusehen, daß der Beschwerdeführer selbst Lenker seines Pkws zum Tatzeitpunkt gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Mit Verfügung vom 7. Mai 1987 forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangte Behörde auf, die in Ansehung der Tatzeit 30. April 1984, 17.10 Uhr, und des Tatortes auf der S 16 bei km 3,0 (Nische 4) im Arlberg‑Straßentunnel in Fahrtrichtung Osten (Landeck) heranzuziehende Verordnung über die Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit 80 km/h) und den Aktenvermerk nach § 44 Abs. 1 StVO 1960 über den Zeitpunkt der Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen vorzulegen.

Nach Erstattung zweier Schriftsätze, datiert mit 16. Juli 1987 und mit 25. Jänner 1988, reichte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 29. Februar 1988 den mit der Stampiglie „Zur Ausführung freigegeben“ am 7. November 1978 für die ASTAG unterzeichneten Verkehrszeichenplan und die Aktenvermerke der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 1. August 1984 und vom 15. Oktober 1984 nach.

Der Aktenvermerk vom 1. August 1984 hat folgenden Wortlaut: „Die Beschilderung der S 16 und die damit verbundenen Verkehrsverbote wurden nach den Plänen der Ingenieurgemeinschaft L‑F ... mündlich gemäß §§ 43, 44 und 94(b) StVO am 21. 11. 1978 verordnet.“

Der Aktenvermerk vom 15. Oktober 1984 hat folgenden Wortlaut:

„Eine Besichtigung am 5. 10. 1984 an Ort und Stelle unter Beisein eines Vertreters des GPK St. Anton a.A. ergab, daß die Beschilderung nach den vorliegenden Plänen ordnungsgemäß durchgeführt wurde.“

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 1988 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof „den bei dieser Behörde“ (nämlich der Bezirkshauptmannschaft Landeck) „aufliegenden Aktenvorgang betreffend die Verkehrsregelung auf der Arlberg‑Schnellstraße S 16“ vor. Darunter befindet sich u.a. eine Verständigung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 19. April 1978 über die Anberaumung einer Begehung am 11. Mai 1978, Treffpunkt beim Gemeindeamt St. Anton, „zwecks Feststellung der endgültigen Verkehrsregelung beim Arlbergstraßentunnel“ und weiters ein unter der Bezeichnung „ASTAG“ und unter dem Betreff „Verkehrszeichen … Arlbergtunnel Besprechung am 11.5.1978 ‑ Gemeindeamt St. Anton“ verfaßter „Aktenvermerk“ vom 16. Mai 1978 über die damalige Besprechung der eingereichten Verkehrszeichen‑ und Bodenmarkierungspläne. Am Beginn des Aktenvermerkes und auf der diesem Aktenvermerk angeschlossenen Anwesenheitsliste scheinen u.a. Dr. G von der Bezirkshauptmannschaft Landeck und der Bürgermeister der Gemeinde St. Anton am Arlberg H S als anwesend auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 StVO bedarf es zur Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung einer Verordnung der Behörde. Die die Erlassung einer solchen Verordnung betreffende Vorgangsweise ist in der Straßenverkehrsordnung 1960 hinsichtlich der Anhörung (S 94 f) und hinsichtlich der Kundmachung (§ 44) geregelt. Entsprechend dem Normcharakter der Verordnung hat der Kundmachung, ohne daß die Straßenverkehrsordnung 1960 hierüber eine gesonderte Regelung enthält, die entsprechende Willensbildung der Behörde voranzugehen. Damit, daß der betreffende behördliche Willensakt durch Kundmachung nach außen in Erscheinung tritt, ist die Verordnung erlassen.

Daß im vorliegenden Fall von der Bezirkshauptmannschaft Landeck vor dem 30. April 1984, dem im angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis festgestellte Tag der Tat, ein Willensakt, gerichtet auf die generelle Verbindlichkeit von dem erwähnten Verkehrszeichenplan entsprechenden Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer ‑ wobei im vorliegenden Beschwerdefall nur die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit 80 km/h im Sinne des § 52 lit. a Z. 10 a StVO von Relevanz ist ‑ gesetzt wurde, ergibt sich aus dem (nachträglichen) Aktenvermerk vom 1. August 1984, in dem als Tag der Willensbildung der 21. November 1978 bezeichnet wurde, in Verbindung mit eben dem erwähnten Verkehrszeichenplan.

Im Zusammenhang mit dem Aktenvermerk vom 1. August 1984 spricht auch der Umstand der von der Bezirkshauptmannschaft Landeck vorgenommenen amtlichen Behandlung der Verkehrszeichen‑ und Bodenmarkierungsplane im Rahmen der Besprechung vom 11. Mai 1978 dafür, daß bereits anläßlich der Verkehrsübergabe des Arlberg‑Straßentunnels der behördliche Willensakt, der den Gegenstand des nachträglichen Aktenvermerks vom 1. August 1984 bildet, gesetzt wurde. Ausgehend von diesem Aktenvermerk und dem schon mehrfach erwähnten Verkehrszeichenplan und unter Bedachtnahme auf die Besprechung vom 11. Mai 1978 spricht auch die Installierung der Verkehrszeichen und die Überprüfung dieser installierten Verkehrszeichen entsprechend dem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 15. Oktober 1984 für einen solchen behördlichen Willensakt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß am 21. November 1978 die Willensbildung der Bezirkshauptmannschaft Landeck über die Erlassung einer Verordnung u.a. mit der dem Verkehrszeichenplan entsprechenden Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h im Sinne des § 52 lit. a Z. 10 a StVO im Arlberg‑Straßentunnel erfolgte, und daß die Verordnung dieses Inhaltes der Aufstellung der entsprechenden Vorschriftszeichen im Arlberg‑Straßentunnel zugrundeliegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1987, Zl. 87/18/0032) die Auffassung vertreten, es könne die örtliche Festsetzung von Verkehrszeichen an sich durch Verweisung auf einen Plan erfolgen, wenn dieser selbst durch andere Merkmale, z.B. durch Höhenangaben oder durch die Aufnahme von in der Natur vorhandenen Bauwerken oder straßenbaulichen Einrichtungen, mit der wiederzugebenden Wirklichkeit verbunden sei. Es sei aber unzulässig, den durchaus durch Worte wiederzugebenden Inhalt von Geboten oder Verboten ‑ z.B. eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten ‑ nicht in Sätzen zu formulieren, sondern schlechthin durch die Verweisung auf (in Plänen enthaltene) Verkehrszeichen zum Ausdruck zu bringen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Rechtsansicht nicht aufrecht zu erhalten. Zunächst einmal ist ein solches Erfordernis der Formulierung in Sätzen, wie es u.a. im vorzitierten hg. Erkenntnis Zl. 87/18/0032 angenommen wurde, aus dem Begriff der Verordnung als einer generellen Rechtsvorschrift der Verwaltung nicht abzuleiten. Davon abgesehen ist zwar der Verordnungsgeber nach Art. 8 B‑VG verpflichtet, sich ‑ unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte ‑ der deutschen Sprache zu bedienen. Aus dieser Verfassungsvorschrift ist jedoch ebensowenig wie aus der hier in Betracht zu ziehenden Straßenverkehrsordnung 1960 ein Hindernis dafür abzuleiten, daß der Verordnungsgeber den normativen Inhalt von geschwindigkeitsbeschränkenden Verordnungen mit anderen als sprachlichen Mitteln zum Ausdruck bringt. Im vorliegenden Fall bezieht sich der bereits vorstehend erörterte behördliche Willensakt auf die im Verkehrszeichenplan enthaltenen Zeichen, deren allgemeine Verständlichkeit, abgestellt auf den normativen Gehalt, sich im Zusammenhang mit der auf diesem Plan aufscheinenden Legende „Verkehrszeichen und Sonstiges: ... (80) Geschwindigkeitsbeschränkung“ ergibt. Der behördliche Willensakt dieses Inhaltes widerspricht weder dem Verordnungsbegriff, noch etwa dem Art. 8 B‑VG oder einer Regelung der Straßenverkehrsordnung 1960.

Das Beschwerdevorbringen, Dr. K T habe als Zeuge angegeben, den Pkw am 30. April 1986 (gemeint ist wohl, ‑ ungeachtet der offensichtlichen Unstimmigkeit der Protokollierung „30.4.1986“ ‑ der Tatzeitpunkt, nämlich der 30. April 1984) benützt zu haben, ist aktenwidrig. Der Zeuge führte anläßlich seiner Einvernahme am 8. Oktober 1986 lediglich aus, „im April 1984 öfters“ mit dem Pkw des Beschwerdeführers gefahren zu sein. Er gab in diesem Zusammenhang lediglich in unsicherer Form an, „ich dürfte auch am 30.4.1986 damit gefahren sein“. Die belangte Behörde hatte demnach mit der Zeugenaussage vom 8. Oktober 1986 kein Beweismittel zur Hand, welches als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwingend zum Ausschluß der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers zur Tatzeit geführt hätte. Nähme man die Aussage hinsichtlich des 30. April 1986 wörtlich, wäre für den Beschwerdeführer daraus keinesfalls ein Entlastungsbeweis abzuleiten. Wie der Kontext der protokollierten Aussage ergibt (der Zeuge meint, es wäre schon Verjährung eingetreten), liegt ein offensichtliches Versprechen des Zeugen oder eine Unrichtigkeit der Protokollierung vor. Auch diesfalls ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Indem sich der Zeuge nämlich zunächst nur auf den Monat April 1984 bezog, es jedoch in Ansehung des „30.4.1986“ (also richtig: 30. April 1984) bei einem bloßen „dürfte“ bewenden ließ, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, den Zeugen noch weiter über Fahrzeit und Fahrtrichtung zu befragen.

Die belangte Behörde bezog sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung, auf sein niederschriftlich erstattetes Vorbringen vom 20. Dezember 1984 und auf die Angaben bei der Lenkererhebung vom 2. Juli 1984. Der Beschwerdeführer machte zunächst keinen Lenker und später Dr. K T als Lenker namhaft, wobei die belangte Behörde im Hinblick auf die unbestimmte Ausdrucksweise dieses Zeugen davon ausgehen durfte, daß sich dessen Lenkereigenschaft zur Tatzeit in der Zeugenaussage vom 8. Oktober 1986 nicht bestätigte. Bei diesem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde als erwiesen annahm, daß zur Tatzeit und am angegebenen Tatort der Beschwerdeführer der Lenker des Pkws war.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 14. Juni 1989

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