VwGH 88/05/0140

VwGH88/05/014013.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des BS in S, vertreten durch Dr. Philipp Gruber, Rechtsanwalt in Lienz, Rosengasse 13, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 18. April 1988, Zl. 8 BauRl‑137/1/1988, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs4
AVG §7 Abs1
AVG §8
BauO Krnt 1969 §1 Abs1
BauO Krnt 1969 §3 Abs1
BauO Krnt 1969 §5 Abs1
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988050140.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Begründung

Auf Ansuchen des Bürgermeisters der Marktgemeinde S um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines neuen Feuerwehrhauses auf dem Grundstück 356/4, KG G, führte der Amtsleiter der genannten Gemeinde am 15. Oktober 1987 eine mündliche Verhandlung durch. Bei dieser Verhandlung erklärte der Vertreter des nun beschwerdeführenden Nachbarn, er sei gegen das Vorhaben, weil durch die entstehende Schatteneinwirkung sein Wohnhaus nachteilig beeinflußt werde, insbesondere durch den Winterschatten würde ein erhöhter Feuchtigkeitsgrad der Mauern eintreten. Durch diese Beeinträchtigung seien gesundheitliche Nachteile zu erwarten. Der technische Amtssachverständige erklärte bei dieser Verhandlung das Bauvorhaben bei Einhaltung bestimmter Vorschreibungen für bewilligungsfähig.

Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers äußerte sich der Bauanwalt der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft dahingehend, daß der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Beschwerdeführers und dem geplanten Feuerwehrhaus, das südwestlich des Wohnhauses errichtet werden soll, 12,00 m betrage. Die errechnete Abstandsfläche gemäß § 5 der Kärntner Bauvorschriften betrage an der Nordseite im Bereich des Firstes 4,40 m. Durch diesen Abstand seien sowohl die Interessen der Sicherheit als auch der Gesundheit gewährleistet. Mit einer stärkeren Beschattung als bisher sei auf Grund des geplanten Abstandes von 12,00 m zwischen den Objekten nicht zu rechnen. Die Ursache einer stärkeren Durchfeuchtung der Mauern sei sicher nicht in der Errichtung des Feuerwehrhauses zu suchen.

Mit Bescheid vom 22. Jänner 1988 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde in seiner Sitzung vom 17. März 1988 als unbegründet ab. Den in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid vom 23. März 1988 bekämpfte der Beschwerdeführer mittels Vorstellung an die Kärntner Landesregierung, wobei ausschließlich die Beeinträchtigung durch Schattenwirkung behauptet wurde.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 18. April 1988 wies die Kärntner Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens vertrat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Auffassung, daß der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine relevante Rechtsverletzung geltend machen könne. Die anzuwendenden baurechtlichen Vorschriften enthielten keine Bestimmung, die dem Nachbarn einen Schutz vor Schattenbildung einräumen würde. Auch die Bestimmungen über die Wahrung der Interessen der Gesundheit seien zwar von Amts wegen wahrzunehmen, dienten aber nicht dem spezifischen Interesse der Nachbarschaft. Der im Baubewilligungsbescheid wiedergegebenen Stellungnahme des Bauanwaltes setze der Beschwerdeführer lediglich entgegen, sie entspräche nicht den Tatsachen, ohne dies zu erläutern. Im übrigen ergebe sich aus dieser Stellungnahme, daß bei einer Entfernung von 12,00 m zwischen dem geplanten Objekt und dem Objekt des Beschwerdeführers mit einer stärkeren Beschattung als bisher nicht zu rechnen sei. Sein Vorbringen sei somit auch sachlich nicht begründet.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde habe zu Unrecht die Zuständigkeit als Baubehörde erster Instanz für sich beansprucht, weil über ein Bauansuchen der Gemeinde zu befinden gewesen sei. Eine derartige Zuständigkeitsregelung sei aus Gründen der Interessenkollision undenkbar, weil der Bürgermeister nicht in eigener Sache als Baubehörde tätig werden könne. Im vorliegenden Fall wäre die Zuständigkeit bei der Bezirksverwaltungsbehörde gelegen, zumindest aber hätte der stellvertretende Bürgermeister die Bauverhandlung führen und den Baubescheid unterzeichnen müssen.

Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend entgegen, daß nach § 1 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung 1969, LGBl. Nr. 48 (hier Stammfassung), dieses Gesetzes im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sei und der Kärntner Landesgesetzgeber für einen Fall der vorliegenden Art keine Ausnahme vom eigenen Wirkungsbereich festgesetzt habe. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Bezirkshauptmannschaft wäre für die Entscheidung zuständig gewesen, gehe daher ins Leere. Diese Ausführungen der belangten Behörde entsprechen der Rechtslage, bestimmt doch auch § 3 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung ausdrücklich, daß Behörde erster Instanz in Angelegenheiten, die zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehören, der Bürgermeister ist. In Wahrheit hat der Beschwerdeführer einen Fall der Befangenheit von Verwaltungsorganen im Sinne des § 7 AVG 1950 geltend gemacht, hätte sich doch der Bürgermeister der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen gehabt, wenn er selbst einen Antrag auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung bei der Gemeinde gestellt hat. Nun entspricht es aber der ständigen Rechtsprechung sowohl des Verfassungsgerichtshofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes, daß die im § 7 AVG 1950 verankerte Regelung über die Befangenheit von Verwaltungsorganen die Frage der Behördenzuständigkeit unberührt läßt, sodaß eine andere Regelung der Zuständigkeit, wie sie sich der Beschwerdeführer vorstellt, nicht in Betracht kommt (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1981, Slg. Nr. 9116, u.a.; sowie Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1979, Zl. 1079/76, u.a.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet das Tätigwerden eines befangenen Organes auch nicht etwa einen Nichtigkeitsgrund, sondern nur einen Mangel des Verfahrens, der bei Vorliegen sachlicher Bedenken gegen den Bescheid zu einer Aufhebung führen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 1952, Slg. N.F. Nr. 2422/A, u.a.). Eine Regelung, wonach dann, wenn der Leiter einer Behörde sich wegen Befangenheit seines Amtes zu enthalten hat, auch sämtliche Beamte dieser Behörde ausgeschlossen wären, kennt § 7 AVG 1950 nicht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. November 1981, Zl. 81/03/0157). Da der Beschwerdeführer als Nachbar unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz geladen worden ist und dort nur eine Einwendung betreffend Schattenwirkung des zu errichtenden Gebäudes erhoben hat, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die vom Bürgermeister im erstinstanzlichen Verfahren nicht wahrgenommene Befangenheit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften bedeutet, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen muß.

Die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers zur mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 hat zur Folge, daß nur die von ihm damals rechtzeitig erhobenen Einwendungen als nicht präkludiert anzusehen sind, für alle weiteren Einwendungen dagegen die Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950 Platz greifen (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10317/A, u.a.). Was nun die Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend Schattenbildung anlangt, so kann darin nach den Bestimmungen des Kärntner Baurechts nur das Recht auf Einhaltung eines bestimmten Abstandes bzw. einer einzuhaltenden Gebäudehöhe verstanden werden, weil weder die Kärntner Bauordnung, noch die Kärntner Bauvorschriften dem Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Freihaltung von einer Schattenbildung einräumen. Die Baupläne zeigen eindeutig, daß sich zwischen dem Grundstück des Beschwerdeführers und dem zu verbauenden Grundstück eine öffentliche Verkehrsfläche befindet und das Feuerwehrhaus im hinteren Bereich des zu bebauenden Grundstückes errichtet werden soll, sodaß dieses Gebäude vom Grundstück des Beschwerdeführers einen Abstand von etwa 12,00 m aufweist dieser Abstand ist nicht kotiert), der nach den Bestimmungen der Kärntner Bauvorschriften (§ 5) einzuhaltende Abstand wird um beinahe das Dreifache überschritten, wie auch in der erwähnten Stellungnahme des Bauanwaltes vom 27. November 1987 sinngemäß ausgeführt wurde. Daß aber die nach dem Gesetz erforderlichen Abstände nicht eingehalten werden bzw. eine maximal zulässige Gebäudehöhe überschritten worden sei, hat nicht einmal der Beschwerdeführer behauptet. Da sohin die einzige rechtzeitig erhobene Einwendung zu Recht nicht als Abweisungsgrund für das Bauvorhaben der mitbeteiligten Gemeinde beurteilt worden ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

In der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Unvollständigkeit der „Einreichungsunterlagen“ vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu teilen, daß die Baupläne nicht ausgereicht hätten, Nachbarrechte im vollen Umfang geltend zu machen. Im übrigen dürfte der Beschwerdeführer verkennen, daß seine Verfahrensrechte nicht weiter reichen als die von ihm durchzusetzenden materiellen Rechte, sodaß selbst etwa eine unzureichende Begründung des Berufungsbescheides für sich allein noch nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde führen kann.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 13. Dezember 1988

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