VwGH 87/14/0171

VwGH87/14/017114.6.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde der EK in G, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom 22. September 1987, Zl. B 305-3/87, betreffend Einkommensteuer 1982 bis 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §29 Z1
EStG 1972 §32 Z1 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987140171.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin war bei einem Verkehrsunfall im Jahre 1967 tödlich verletzt worden. Mit einem Urteil vom 15. Jänner 1973 verpflichtete das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz den schuldtragenden Lenker und den Fahrzeughalter aus dem Rechtsgrund des § 1327 ABGB zu einer monatlichen Rentenzahlung an die Beschwerdeführerin für entgangenen Unterhalt.

Das Finanzamt sah in den - der Höhe nach unbestrittenen Rentenbezügen der Beschwerdeführerin wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 erster Satz EStG 1972 und setzte für die Streitjahre Einkommensteuer fest.

Die Beschwerdeführerin vertrat hingegen in einer dagegen erhobenen Berufung die Auffassung, daß ihre Rentenbezüge steuerfreie Unterhaltsleistungen wären.

In dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid teilte die belangte Behörde die Ansicht des Finanzamtes. Begründend legte sie dar, zivilrechtlich sei der Anspruch auf das Entgangene im Sinne des § 1327 ABGB nicht als Unterhaltsanspruch, sondern als Schadenersatzanspruch zu beurteilen, da es an einer familienrechtlichen Beziehung zwischen Rentenzahler und Rentenempfänger fehle. Auch die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) qualifiziere den daraus resultierenden Unterhaltsanspruch als einen Schadenersatzanspruch. Verpflichtungsgrund für die an die hinterbliebene Witwe zu leistende Rente sei daher die Schadensverursachung und nicht ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch. Für die Rentenbezüge komme somit nicht die Befreiungsbestimmung des § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 zur Anwendung, vielmehr seien diese Rentenbezüge als wiederkehrende Bezüge gemäß § 29 Z. 1 erster Satz leg. cit. zu versteuern. Der Zufluß in Form wiederkehrender Bezüge gehe auch der Anwendung des § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 vor.

Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die Beschwerdeführerin führt unter den Beschwerdegründen zwei Argumente ins Treffen:

1. Da die Rentenzahlungen als wiederkehrende Bezüge prinzipiell Einkünfte darstellten, sei § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 anwendbar bzw. anzuwenden, sodaß diese wiederkehrenden Bezüge auch die rechtliche Qualität entgangener Einnahmen - und diese wären steuerfreie Unterhaltsleistungen gewesen - erhielten.

2. Die Rentenbezüge stellten wirtschaftlich gesehen Unterhaltszahlungen dar und sei daher die Befreiungsbestimmung des § 29 Z. 1 zweiter Satz leg. cit. anzuwenden.

Das erste Argument stützt sich vor allem auf die wörtlich wiedergegebenen Ausführungen bei Stoll, Rentenbesteuerung3, Seite 440, wo unter anderem dargelegt ist, daß die als sachliche Befreiung wirkende Bestimmung des § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 nicht die Beurteilung der auf der Grundlage des § 1327 ABGB anfallenden (Hinterbliebenen-)Renten als Einnahmen, nämlich als „sonstige Einkünfte“ hindere. Seien aber laufende wiederkehrende Bezüge prinzipiell Einkünfte, so könne § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 auch bezüglich dieser (an sich Unterhalts-Ersatz-Entschädigungs-)Renten wirksam werden und diese Einnahmen als „Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen“ qualifizieren. Damit fielen solche Renten nicht nur ihrem Ursprung und der „Führung“ durch § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 nach unter die sonstigen Einkünfte, sondern sie erhielten auch die rechtliche Qualität der entgangenen Einnahmen. Das wären aber Unterhaltsleistungen gewesen; somit seien auch die im Wege des § 1327 ABGB anfallenden laufenden Zahlungen, die den Unterhalt ersetzten, den der Getötete zu leisten gehabt hätte, Unterhaltsrenten, womit der zweite Satz des § 29 Z. 1 EStG 1972 wirksam werden könne und sichergestellt sei, daß auch diese Unterhalts-Ersatzrenten nicht dem Empfänger zuzurechnen seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erhielt auf Grund des Urteiles des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz laufende Renten. Diese Renten gehören nach der Lage des Beschwerdefalles nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 EStG 1972. Als laufende Renten bilden sie aber wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1972.

2. Diese Bezüge wären jedoch nach dem zweiten Satz der Gesetzesstelle der Beschwerdeführerin nicht zuzurechnen, wenn sie Bezüge darstellten, die an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt werden. Einer „gesetzlich unterhaltsberechtigten Person“ werden Bezüge allerdings nur dann gewährt, wenn sie ihr auf Grund eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches zukommen. Die fraglichen Renten fließen der Beschwerdeführerin aber nicht auf Grund eines Unterhaltsanspruches, sondern auf Grund eines Schadenersatzanspruches zu. Dies kommt auch in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. April 1987, 8 OB 77/86, zum Ausdruck. Nach Anführung von Schrifttum, das in Renten der gegenständlichen Art (steuerfreie) Unterhaltsrenten sieht - darunter auch Stoll, a.a.O. -, und in Widerspruch zu diesem Schrifttum gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, daß zwischen dem Schädiger bzw. den Personen, die zufolge gesetzlicher Anordnung (§ 19 Abs. 2 EKHG, § 63 Abs. 1 Kraftfahrgesetz) mit ihm zur ungeteilten Hand für den eingetretenen Schaden haften, und dem nach § 1327 ABGB Anspruchsberechtigten keinesfalls ein Verhältnis gesetzlicher Unterhaltspflicht bestehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes handle es sich bei dem in dieser Gesetzesstelle normierten Anspruch auf Ersatz des Entgangenen um einen Schadenersatzanspruch, nicht aber um einen Unterhaltsanspruch. Entgegen der von Stoll vertretenen Rechtsmeinung bestehe unter diesen Umständen keine Möglichkeit, die dem Schädiger nach § 1327 ABGB auferlegte Rentenleistung aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes für entgangenen Unterhalt als Unterhaltsleistung im Sinne des zweiten Satzes des § 29 Z. 1 EStG 1972 zu qualifizieren und damit den Empfänger eines solchen wiederkehrenden Bezuges von seiner grundsätzlichen Einkommensteuerpflicht zu befreien. Zum gleichen Ergebnis komme bei vergleichbarer Rechtslage der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 19. Oktober 1978, VIII R 9/77, BStBl. 1979 II Seite 133. Der Oberste Gerichtshof hielt daher an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, daß eine dem Hinterbliebenen eines Getöteten nach § 1327 ABGB zuerkannte Rente der Einkommensteuerpflicht unterliege und daß daher dem Berechtigten auf Verlangen solche Bruttobeträge zuzusprechen seien, daß sein Entgang auch unter Berücksichtigung der aus der ihm zugesprochenen Entschädigung zu leistenden Einkommensteuer voll abgegolten werde.

3. In dem vom Obersten Gerichtshof zitierten Urteil des Bundesfinanzhofes zeigt dieser Gerichtshof im wesentlichen auf, daß eine Schadenersatzrente der in Rede stehenden Art dem Steuerpflichtigen nicht als unterhaltsberechtigte Person gewährt werde, sondern deshalb, weil er infolge des Unfalls nicht mehr unterhaltsberechtigt sei. Der Bundesfinanzhof führt auch den Zweck der Regelung, daß Bezüge gesetzlich unterhaltsberechtigter Personen diesen nicht zugerechnet würden, ins Treffen. Dieser Zweck bestehe darin, einen doppelte steuerliche Belastung zu vermeiden, die dadurch eintreten könne, daß die im allgemeinen aus dem steuerpflichtigen Einkommen zu entrichtenden Zuwendungen (Unterhaltsleistungen) beim Geber nicht abzugsfähig seien (für das österreichische Recht siehe § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972) und beim Empfänger voll besteuert würden. Dieser Grundgedanke für die Einschränkung der Besteuerung von Unterhaltsleistungen treffe auf Schadenersatzrenten nicht zu. Sie seien, soweit das schädigende Ereignis in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Gebers stehe, bei diesem grundsätzlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. Bestehe ein solcher Zusammenhang nicht, so seien sie, da die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gemindert werde, unter dem Gesichtspunkt der dauernden Last als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 dEStG (= § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972) abzugsfähig. Das Abzugsverbot des § 12 dEStG (= § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972) komme insoweit nicht zur Anwendung. Daraus ergebe sich, weil der gegebene Tatbestand auf beiden Seiten grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sei, die entsprechende Erfassung der Bezüge beim Empfänger. § 24 Nr. 1 a dEStG (= § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972) stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, da die Steuerpflicht wiederkehrender Bezüge abschließend in § 22 dEStG (= § 29 EStG 1972) geregelt sei.

4. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes und des Bundesfinanzhofes. Auch er ist der Auffassung, daß die (in Österreich) gemäß § 1327 ABGB als Ersatz für entgangenen Unterhalt zuerkannten Renten keine Unterhaltsrenten im Sinne des § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 und damit auch keine dem Empfänger (der Beschwerdeführerin) nicht zuzurechnenden Bezüge darstellen, sondern als wiederkehrende Bezüge nach dem ersten Satz des § 29 Z. 1 EStG 1972 der Einkommensteuer unterliegen. § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 gebietet keine andere Betrachtung. Schafft doch diese Vorschrift keine neue, zu den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1972 hinzutretende Einkunftsart. Sie dehnt vielmehr nur die Begriffsbestimmungen, die die vorangehenden §§ 21 bis 31 EStG 1972 für diese Einkunftsarten gebracht haben, auch auf Tatbestände aus, die ihrem Wesen nach nicht ohne weiteres von ihnen erfaßt wurden. Fällt aber ein Tatbestand schon an sich unter eine der in diesen §§ 21 bis 31 EStG 1972 enthaltenen Begriffsbestimmungen, dann bleibt für eine Anwendung des § 32 EStG 1972 kein Raum (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1955, Zl. 2021/53, Slg. Nr. 1190/F, und vom 2. Oktober 1984, Zl. 84/14/0047). Im Beschwerdefall verwirklichte nun aber die gemäß § 1327 ABGB bezogene Rente den Tatbestand steuerpflichtiger wiederkehrender Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1972, ohne daß es einer Anwendung des § 32 Z. 1 lit. a EStG 1972 bedurfte.

Die Frage, inwieweit § 32 Z. 1 EStG 1972 Entschädigungen zusammen mit § 37 Abs. 2 Z. 4 auch den ermäßigten Steuersatz verschaffen soll (siehe Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, § 32 Tz 7), spielt im Beschwerdefall keine Rolle.

5. Die in der Beschwerde zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hatten in keinem Fall Renten im Sinne des § 1327 ABGB zum Gegenstand. Zum Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, Zl. 86/14/0034, sei noch im besonderen bemerkt, daß dort in wirtschaftlicher Betrachtungsweise lediglich jenes Ergebnis erhärtet wurde, das bereits die bei Bestimmung des Begriffes der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person in erster Linie gebotene rechtliche Betrachtungsweise erbracht hatte; im übrigen betraf auch dieses Erkenntnis keine Rente im Sinne des § 1327 ABGB.

6. Der angefochtene Bescheid läßt somit keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 14. Juni 1988

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