European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987140148.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der B-GmbH. Ein über das Vermögen der GmbH am 27. Juli 1982 eröffnetes Konkursverfahren wurde mit Gerichtsbeschluß vom 29. Dezember 1982 mangels Deckung der Kosten des Verfahrens aufgehoben.
Hierauf zog das Finanzamt den Beschwerdeführer für Abgabenschulden der B-GmbH von insgesamt S 405.618,-- (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Monate April bis Juni 1982, Umsatzsteuer für März bis Mai 1982 und Säumniszuschläge bis 12. Juli 1982) bescheidmäßig gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung heran.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, der die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid jedoch keine Folge gab. Begründend legte sie - unter Angabe verschiedener Zahlungen der B-GmbH im haftungsgegenständlichen Zeitraum - dar, daß der Beschwerdeführer die Abgabenschuldigkeiten bei der Entrichtung "schlechter behandelt" habe als andere Verbindlichkeiten. Ferner seien im gegenständlichen Zeitraum Löhne und Gehälter ausbezahlt, die davon einbehaltene Lohnsteuer aber nicht abgeführt worden, was dem Beschwerdeführer ebenfalls als schuldhafte Verletzung der ihm auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten anzulasten sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Konkursverfahren sei auf seinen Antrag eröffnet worden, da unvorhersehbare bzw. unvermeidbare Umstände plötzlich eingetreten seien, die eine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausgelöst hätten, werde zwar durch das der belangten Behörde vorgelegte Sachverständigengutachten bestätigt, sei aber ohne tatbestandsmäßige Relevanz. Nicht die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen sei zu beweisen gewesen, sondern die Gleichbehandlung der Abgabenschulden mit anderen Verbindlichkeiten in bezug auf ihre Bezahlung.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Aus den Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO ergibt sich, daß der Geschäftsführer einer GmbH für die diese Gesellschaft treffenden Abgaben insoweit haftet, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Dabei ist es Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht Sorge dafür tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, ansonsten von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1987, Zl. 85/17/0035, und die dort zitierte Vorjudikatur). Es oblag daher auch im Beschwerdefall entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ihm und nicht der belangten Behörde, die Gründe aufzuzeigen, warum die Gesellschaft die jetzt uneinbringlichen Abgaben in Höhe von insgesamt S 405.618,-- ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig entrichtete, wobei diese Gründe schon im Verwaltungsverfahren offengelegt hätten werden müssen.
Dem Beschwerdeführer war dazu auch ausreichend Gelegenheit geboten. Noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides setzte das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 4. Februar 1983 davon in Kenntnis, es gehöre unter anderem die Obsorge, daß die Gesellschaft die fälligen Abgaben rechtzeitig entrichtet, zu den Pflichten des Geschäftsführers; der Beschwerdeführer möge die Gründe bekanntgeben, warum er im Falle der B-GmbH dieser Verpflichtung nicht entsprochen habe. Dieser Vorhalt blieb - sieht man von einem Ansuchen um Verlängerung der Frist für die Beantwortung - ohne Antwort.
Das Finanzamt erließ hierauf den erwähnten Haftungsbescheid, der dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Nichtabfuhr der Abgaben von insgesamt S 405.618,-- eine schuldhafte Verletzung der ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten vorwarf.
Dem hielt der Beschwerdeführer in der Berufung lediglich entgegen, er habe stets dafür Sorge getragen, daß den steuerlichen Verpflichtungen immer pünktlich nachgekommen werde, und für den hier strittigen Zeitraum selbstverständlich die entsprechenden Steuerbeträge rechtzeitig dem Finanzamt bekanntgegeben. Der Konkurs über das Vermögen der B-GmbH sei durch unvorhersehbare bzw. unvermeidbare Umstände veranlaßt worden. Der Beschwerdeführer habe keineswegs schuldhaft auferlegte Pflichten verletzt, ja sogar der GmbH kurz vor Eintritt der Insolvenz persönliche Gelder als Überbrückungshilfe gegeben. Bei abweisender Berufungserledigung wolle vorher der Beschwerdeführer angehört werden.
Im Hinblick auf dieses Ersuchen stellte es das Finanzamt dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom 17. Juni 1983 anheim, innerhalb von 14 Tagen die Umstände und jene triftigen Gründe aufzuzeigen, die ihn an der Erfüllung der Verpflichtung zur vollständigen und termingerechten Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten der B-GmbH gehindert hätten.
Am 2. November 1983 legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde unter Bezugnahme auf eine entsprechende Information des Finanzamtes ein Gutachten vor, das in einem wegen fahrlässiger Krida gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren erstattet worden war.
Mit Vorhalt vom 27. Februar 1985 forderte die belangte Behörde vom Beschwerdeführer eine (im angefochtenen Bescheid ausgewertete) Aufstellung über die Zahlung von Schulden, Löhnen und Gehältern zwischen März und Juni 1982 an. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer am 13. Jänner 1986 nach, ohne auch in diesem Zusammenhang Gründe anzugeben, warum die Gesellschaft die uneinbringlichen Abgaben ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig entrichtet hatte.
Der Beschwerdeführer hat somit im Verwaltungsverfahren keineswegs, wie von der Rechtsprechung gefordert, dargetan, weshalb er nicht Sorge dafür tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Blieb doch das allein in diese Richtung deutbare Vorbringen in der Berufung, der Beschwerdeführer habe keinesfalls schuldhaft auferlegte Pflichten verletzt, ohne nähere Begründung. Auch das Gutachten im gerichtlichen Strafverfahren konnte den erforderlichen Nachweis mangelnder Pflichtverletzung nicht erbringen, weil es lediglich zur Frage der fahrlässigen Krida, nicht aber zur Frage, ob die strittigen Abgaben unverschuldet bei Fälligkeit nicht ordnungsgemäß entrichtet wurden, eine Entscheidungshilfe bot. Die belangte Behörde durfte bei dieser Sachlage zu Recht eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen.
Der Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte den Konkursakt und den Strafakt beischaffen müssen, ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren weder ein solches Begehren gestellt noch auch nur angedeutet hat, was aus diesen Akten zur Frage der schuldhaft unterlassenen Abgabenentrichtung hätte gewonnen werden können.
2. Der Beschwerdeführer hat, wie die Ausführungen zu Punkt 1 zeigen, im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht, was die Annahme verschuldeter Nichtentrichtung der strittigen Abgaben entkräftet hätte. In der Beschwerde aber verstößt derartiges Vorbringen gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Dieses Vorbringen erweist sich zudem aus folgenden Gründen nicht als stichhältig:
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer "mit den erforderlichen Arbeiten" eine Buchhalterin betraute, mit der Lohnbuchhaltung und allen steuerlichen und sonstigen betriebswirtschaftlichen Agenden einen Steuerberater beauftragte und ihm auch Zahlungsvollmacht erteilte sowie für die erforderlichen Zahlungen bei einer Bank einen Kreditrahmen einräumen ließ, enthob den Beschwerdeführer als alleinigen Geschäftsführer der B-GmbH jedenfalls nicht der Pflicht, die beauftragten Personen bei ihrer Tätigkeit zu überwachen, und zwar zumindest in solchen Abständen, die es ausschlossen, daß ihm Steuerrückstände verborgen blieben (siehe die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 1979, Zlen. 111, 112, 300/79, Slg. Nr. 5417/F, und vom 8. Mai 1980, Zl. 2085/79, Slg. Nr. 5488/F, sowie auch das Erkenntnis vom 9. Juni 1986, Zl. 85/15/0069). Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erwähnt, er habe sich immer wieder vom Funktionieren "dieser Organisation" überzeugt und auch positiv überzeugen können, so bleibt unerfindlich, wieso er die fraglichen Steuerrückstände nicht als unbeglichen feststellte. Überdies besteht hier ein Widerspruch zu den Beschwerdeausführungen an anderer Stelle, dem Beschwerdeführer sei schon auf Grund der räumlichen Entfernung zwischen Wohnort und Betriebsstandort eine tatsächliche Betriebsführung nur äußerst eingeschränkt möglich gewesen, es wären die Buchhalterin und der Steuerberater tätig geworden. "Ich persönlich konnte mich darum überhaupt nicht kümmern, zumal ich in meinem Beruf als Landwirt und vor allen Dingen in meiner Tätigkeit als Bürgermeister und Raika-Obmann mehr wie ausgelastet war. Ich konnte und mußte mich daher darauf verlassen, daß die anfallenden Zahlungen geleistet, gegebenenfalls entsprechende Ratengesuche eingebracht werden und in allen Belangen dem Gesetz entsprechend vorgegangen wird."
Den Beschwerdeführer würde es auch nicht entschuldigen, wenn er - aus welchen Gründen immer - den einem Geschäftsführer einer GmbH obliegenden Aufgaben nicht nachkommen konnte. Er wäre in diesem Fall vielmehr verpflichtet gewesen, die Geschäftsführung zurückzulegen, sofern er nicht etwa eine Entlastung durch Bestellung (eines oder mehrerer) weiterer Geschäftsführer erreichen konnte.
Zum (neuen) Beschwerdevorbringen, die Bank habe - wie man nachträglich erfahren mußte -, nicht allen Zahlungsanweisungen des Steuerberaters entsprochen, sei bemerkt, daß bei ordnungsgemäßer Überwachung der Geschäftsführung die Bankbelege die Feststellung erlaubt hätten, ob Zahlungsanweisungen entsprochen wurde oder nicht. Die in der Beschwerde erwähnten "Rückbelastungen" durch die Bank erscheinen hier ohne Belang, weil es bezüglich der fraglichen Abgaben mangels Zahlungen schon zu gar keinen Belastungen gekommen sein konnte.
Der Hinweis des Beschwerdeführers, ein in der fraglichen Zeit eingebrachtes Zahlungserleichterungsansuchen zeige, daß die steuerlichen Belange ordnungsgemäß geführt und wahrgenommen worden wären, übersieht, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorwirft, er hätte zwar andere Verbindlichkeiten, nicht aber die in Rede stehenden Steuerschulden abgedeckt. Gerade dieser nach der hg. Rechtsprechung berechtigte Vorwurf, die Zahlung (Entrichtung) von Abgabenschulden gegenüber der anderer Verbindlichkeiten hintangestellt zu haben (siehe z.B. die Erkenntnisse vom 10. Juni 1980, Zl. 535/80, Slg. Nr. 5494/F, und vom 19. Juni 1985, Zl. 84/17/0224, Slg. Nr. 6012/F), wird durch ein Zahlungserleichterungsansuchen, das ja die Zahlung der Abgabenschuldigkeiten weiter hinausschieben soll, nicht entkräftet.
Soweit der Beschwerdeführer die Höhe des Haftungsbetrages ins Spiel bringt, bleibt festzuhalten, daß er im Verwaltungsverfahren nicht einmal andeutungsweise den Haftungsbetrag insgesamt oder die einzelnen Teilbeträge in Frage stellte. Das im gerichtlichen Strafverfahren erstattete Gutachten bot für die belangte Behörde umsoweniger Anlaß, einen Einwand gegen die Haftungsbeträge abzuleiten, als das Gutachten allein für die Monate Mai und Juni 1982 von einem höheren Abgabenrückstand (S 513.246,--) ausgeht, als der Haftungsbetrag aus weitgehend gleichartigen Abgaben für die Monate März bis Juni 1982 insgesamt ausmacht (S 405.618,--).
Die Frage, ob den Beschwerdeführer an der Zahlungsunfähigkeit der B-GmbH ein Verschulden traf und ob er auf Grund dieser Insolvenz selbst einen Schaden erlitt, ist nicht entscheidungswesentlich, da nicht das Verschulden an (und der Schaden aus) der Insolvenz ins Gewicht fällt, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Abgabenentrichtung vor Konkurseröffnung.
Die Behauptung, Zahlungsunfähigkeit der GmbH mit der Folge, daß nicht wenigstens eine anteilige Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten in Betracht gekommen wäre, hätte schon vor Einleitung des Konkursverfahrens vorgelegen, wäre bereits im Verwaltungsverfahren aufzustellen und zu erhärten gewesen. Der Vorwurf aber, die belangte Behörde sei auf die Frage der Einbringlichkeit der Steuerforderungen nicht eingegangen, grenzt an Mutwillen, wenn man berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer die durch die Akten des Verwaltungsverfahrens gedeckte Feststellung, der Konkurs wäre mangels Deckung der Kosten des Verfahrens aufgehoben worden, unbestritten ließ.
3. Der Beschwerdeführer vermochte somit keine
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG der Dreiersenat treffen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 13. September 1988
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)