VwGH 87/11/0232

VwGH87/11/02321.3.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des JF in N, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. August 1987, Zl. VII/1-F-27.497/5-87, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §140;
ABGB §143 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
SHG NÖ 1974 §42 Abs1;
ABGB §140;
ABGB §143 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
SHG NÖ 1974 §42 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. Dezember 1986 wurde dem (am 15. Jänner 1964 geborenen) AF, dem Sohn des Beschwerdeführers, Hilfe zur beruflichen Eingliederung gemäß § 19 Abs. 1 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-5, durch Unterbringung im Wohnheim des Psychosozialen Zentrums in Mistelbach ab 5. Juni 1986 gewährt. Zugleich wurde ausgesprochen, daß die Kosten dieser Hilfemaßnahme "in der Höhe laut Vertrag" das Land Niederösterreich trage und der Behinderte selbst sowie die gesetzlich unterhaltspflichtigen Angehörigen dem Land zu den Kosten dieser Hilfeleistung einen Beitrag zu leisten hätten, über den gesondert entschieden werde.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 6. März 1987 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht verpflichtet sei, "zu den Kosten der Sozialhilfe für AF ab 1.9.1986 einen Kostenersatz von monatlich S 2.700,-- und ab 1.1.1987 monatlich S 2.900,-- zu leisten". Diesen Betrag müsse der Beschwerdeführer bis 5. eines jeden Monats an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, Sozialkasse, zahlen. Der Ersatzleistungsbetrag für die Zeit vom 1. September 1986 bis 31. März 1987 im Betrage von S 19.500,-- sei bis 31. März 1987 einzuzahlen. Eine Teilzahlung sei möglich, wenn innerhalb der Zahlungsfrist eine diesbezügliche schriftliche Vereinbarung getroffen werde. Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung sei der § 42 im Zusammenhalt mit § 15 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-5.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wurde mit dem Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. August 1987 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 6. März 1987 abgewiesen "und der gegenständliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt".

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet - wie bereits im Verwaltungsverfahren - u.a. die "Notwendigkeit der Unterbringung" seines Sohnes A im Wohnheim des Psycho-sozialen Zentrums in Mistelbach und damit die Berechtigung der dem angefochtenen Bescheid ausschließlich zugrundeliegenden Gewährung der mit dieser Unterbringung verbundenen Sozialhilfeleistungen. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Einwand des Beschwerdeführers in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht auseinandergesetzt und ihm in der Gegenschrift entgegengehalten, daß "diese Aufnahme im Wohnheim Mistelbach freiwillig über Antrag des volljährigen, eigenberechtigten Herrn AF nach dem NÖ Sozialhilfegesetz erfolgte", dieser auf Grund einer Bestätigung des für das Psycho-soziale Zentrum zuständigen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie "auf Grund seines Leidens für eine Aufnahme im Wohnheim geeignet war", "die Zustellung des Einweisungsbescheides an den eigenberechtigten Herrn AF erfolgte" und "eine Zustellung des Maßnahmenbescheides an die Kostenersatzpflichtigen für den Fall der Eigenberechtigung des Hilfeempfängers im NÖ SHG nicht vorgesehen ist", weshalb "der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers ins Leere geht". Dieser Auffassung der belangten Behörde kann nicht beigepflichtet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß in den Fällen, in denen eine Person als Ersatzpflichtiger - sozialhilferechtlichen Bestimmungen entsprechend - dem der Gewährung von Sozialhilfeleistungen vorangegangenen Verfahren nicht als Partei zugezogen wurde, der Gewährungsbescheid mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage keine (den Ersatzpflichtigen treffende) erweiterte Rechtskraft hat, weshalb ein solcher Bescheid nicht einer Berücksichtigung der Einwendungen des Ersatzpflichtigen gegen die Berechtigung der Gewährung dieser Sozialhilfeleistungen in dem die Ersatzpflicht betreffenden Verfahren entgegensteht und die Behörde in diesem Verfahren die in Rede stehende Frage ohne Bindung an den Gewährungsbescheid neuerlich zu klären hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1985, Zl. 84/11/0118, und vom 13. März 1987, Zl. 84/11/0332). Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang - und zwar, wie aus ihrer Gegenschrift hervorgeht, auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht - keine Feststellungen getroffen, die es dem Verwaltungsgerichtshof insofern ermöglichen würden, eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit vorzunehmen. Dafür würden selbst die in der Gegenschrift gemachten Ausführungen tatsächlicher Natur - ungeachtet ihrer Unbeachtlichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - nicht ausreichen, weil sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe zur beruflichen Eingliederung (§§ 14 lit. d und 19 NÖ SHG) an AF nicht begründen. Im übrigen wird bemerkt, daß nach der vorliegenden Aktenlage der zugrundeliegende Antrag auf Gewährung dieser Sozialhilfeleistung vom Verein "Psychosoziales Zentrum" in Klosterneuburg (und nicht von AF) gestellt und der Gewährungsbescheid vom 9. Dezember 1986 auch diesem Verein (und nicht dem AF) zugestellt wurde, wobei das Vorliegen eines Vertretungsverhältnisses gemäß § 10 AVG 1950 mit AF nicht aktenkundig ist.

Erst wenn einwandfrei feststeht, daß die Gewährung der betreffenden Sozialhilfeleistungen an AF berechtigt war, könnte der Beschwerdeführer gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG "im Rahmen seiner Unterhaltspflicht", die sich nach § 140 ABGB richtet, zum Kostenersatz herangezogen werden. Dies könnte aber auch nur für den Zeitraum der Gewährung dieser Sozialhilfeleistungen, also der Unterbringung des AF im Wohnheim des Psycho-sozialen Zentrums in Mistelbach, geschehen. Obwohl sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Akten ergibt, daß AF am 11. Juni 1987 (und demnach noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) aus diesem Wohnheim (wieder in das Psychiatrische Krankenhaus Klosterneuburg) entlassen wurde, und die belangte Behörde auf Änderungen der Sach- und Rechtslage seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hätte Bedacht nehmen müssen, hat sie den kein Ende der Verpflichtung des Beschwerdeführers bestimmenden Abspruch vollinhaltlich aufrecht erhalten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1987, Zl. 86/11/0058, und die dort angeführte Vorjudikatur), worin eine zusätzliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gelegen wäre.

Dazu kommt, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf das weitere, gleichfalls für den Fall der Berechtigung der Gewährung der an seinen Sohn erbrachten Sozialhilfeleistungen maßgebende Vorbringen des Beschwerdeführers, es treffe ihn zufolge Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes gemäß § 140 Abs. 3 ABGB keine Unterhaltspflicht und, sollte dies dennoch zutreffen, bestehe gemäß § 42 Abs. 2 NÖ SHG keine Verpflichtung zum Kostenersatz, weil dieser wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber dem Ersatzpflichtigen sittlich nicht gerechtfertigt wäre, nicht eingegangen ist, sondern sie auch diesbezüglich unzulässigerweise in der Gegenschrift versucht, eine fehlende Bescheidbegründung nachzuholen.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich der zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 1. März 1988

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte