VwGH 87/10/0204

VwGH87/10/02047.6.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der FO in M, vertreten durch Dr. Heinrich Egger-Peitler, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, Bernhardtgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 11. November 1987, Zl. 10R-722/2/87, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z6;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §16 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Nachdem die diesbezügliche Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau (BH) vom 25. November 1985 durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches der nunmehrigen Beschwerdeführerin außer Kraft getreten war, erließ diese Behörde im ordentlichen Verfahren unter dem Datum 28. Oktober 1986 ein Straferkenntnis, mit dem sie die Beschwerdeführerin spruchmäßig unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (FG), schuldig erkannte, "in der Zeit vom 15.7.1985 bis 21.8.1985 als Eigentümerin im nordwestlichen Teil der Waldparzelle Nr. 809/12, KG X, auf einer Länge von ca. 60 lfm einen ca. 40 cm breiten Leitungsgraben ausgehoben und damit Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verwendet (zu haben)". Über die Beschwerdeführerin wurde deshalb gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest in der Dauer von sechs Tagen, verhängt.

2. Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der LH von Kärnten (die belangte Behörde) nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge, setzte jedoch gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 die verhängte Geldstrafe auf S 2.000,-- (die Ersatzarreststrafe auf vier Tage) herab. Gleichzeitig "berichtigte" die belangte Behörde den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend, daß "die Rechtsvorschrift des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, verletzt wurde und die Übertretung nicht im nordwestlichen, sondern im nordöstlichen Teil der Waldparzelle 809/12, KG X begangen wurde".

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und wörtlicher Wiedergabe des Gutachtens ihres forsttechnischen Amtssachverständigen (vom 6. August 1987) in rechtlicher Hinsicht folgendes aus: Wie aus den gegenständlichen Unterlagen hervorgehe, seien von der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Bereich ihrer Parzelle (gemeint: des Grundstückes 809/12) Grabungsarbeiten zur Verlegung einer Wasserrohrleitung vorgenommen worden. Dies werde von der Beschwerdeführerin u.a. auch in der Berufung vom 24. November 1986 angeführt. Gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG begehe eine Verwaltungsübertretung, wer das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 leg. cit. nicht befolge. Auf Grund der gegebenen Sachlage - Verwendung von Waldboden zur Verlegung einer Wasserrohrleitung - und der vorliegenden Rechtslage sei daher die Bestrafung der Beschwerdeführerin zu Recht erfolgt. Zu den Berufungsausführungen sei zu bemerken, daß seitens des forsttechnischen Amtssachverständigen eindeutig festgestellt worden sei, daß die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte und von dieser nicht bestrittene Übertretung nicht im nordwestlichen, sondern im nordöstlichen Teil des Grundstückes 809/12 "zu liegen komme". Wie dem Gutachten des Amtssachverständigen zu entnehmen sei, entbehre die Einwendung der Beschwerdeführerin, wonach die 60 lfm der Rohrleitung im Bereich jener Fläche zu liegen komme, für die von der BH mit Bescheid vom 20. Jänner 1972 eine Rodungsbewilligung erteilt worden sei, jeder Grundlage. Die seinerzeit erteilte Rodungsbewilligung reiche nämlich lediglich bis in den nordöstlichsten Teil des nunmehrigen Grundstückes 809/12. Hingegen liege die ca. 60 lfm lange Leitungstrasse außerhalb der bewilligten Rodungsfläche und reiche über die von der seinerzeitigen Rodungsbewilligung erfaßte Fläche in Richtung Südwesten hinaus, sodaß zweifelsfrei die gegenständliche Forstgesetzübertretung begangen worden sei.

3. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid dem gesamten Beschwerdevorbringen nach in ihrem Recht darauf verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der ihr angelasteten Übertretung schuldig erkannt und ihretwegen nicht bestraft zu werden. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Gegenschrift eine Äußerung erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 FG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer das Rodungsverbot des § 17 Abs. 1 nicht befolgt. Diese Übertretung ist mit einer Geldstrafe bis zu

S 60.000,-- oder mit Arrest bis zu vier Wochen zu ahnden.

Nach § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

2.1. Nach Ansicht der Beschwerde haftet dem bekämpften Bescheid inhaltliche Rechtswidrigkeit deshalb an, weil die belangte Behörde den Rodungsbegriff "nicht dem Sinn und Zweck des Forstgesetzes gemäß interpretiert". Irrig gehe sie davon aus, daß Rodung alle jene Maßnahmen darstellten, die nicht unmittelbar und direkt dem Zweck der Erhaltung oder Schaffung von Wald dienten. Richtigerweise hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, daß Rodung solche Maßnahmen umfasse, die geeignet seien, bestehenden erhaltungswürdigen Waldbestand zu beseitigen oder zu gefährden. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach deutlich gemacht habe, sei Sinn und Zweck des Forstgesetzes die grundsätzliche Erhaltung des Waldbestandes. Dies bedeute vorliegendenfalls nichts anderes, als daß die durchgeführten Grabungsarbeiten nicht als Rodung zu qualifizieren seien, da dadurch die grundsätzliche Erhaltung des Waldbestandes nicht einmal gefährdet worden sei.

2.2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zutreffend. Die belangte Behörde hat - insoweit in Übereinstimmung mit der Erstinstanz - den Verstoß gegen das Rodungsverbot spruchmäßig dadurch als verwirklicht angesehen, daß die Beschwerdeführerin auf dem Grundstück 809/12 einen (der Länge und Breite nach näher bezeichneten) Leitungsgraben ausgehoben und "damit" Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verwendet habe. Damit aber wurde der Beschwerdeführerin ein Verhalten zum Vorwurf gemacht, das dem Tatbestand des § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 i. V.m. § 17 Abs. 1 FG nicht subsumierbar ist. Verpönt nach den eben zitierten Gesetzesstellen ist ausschließlich die unbefugte, d. h. ohne forstbehördliche Bewilligung vorgenommene, Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur. Abgesehen davon, daß der von der belangten Behörde insoweit bestätigte Schuldspruch nicht zum Ausdruck bringt, daß die der Beschwerdeführerin angelastete Tat ohne Vorliegen einer Rodungsbewilligung begangen worden ist, vermöchte selbst eine derartige Aussage im Spruch die Tatbestandsmäßigkeit des vorgeworfenen Verhaltens nicht zu begründen, da die Aushebung eines Leitungsgrabens für sich allein noch keine Verwendung von Waldboden für waldfremde Zwecke darstellt. Eine solche Verwendung läge im Beschwerdefall - die diesbezüglichen, unbestritten gebliebenen Ermittlungsergebnisse zugrunde gelegt - erst mit der der Aushebung des Grabens nachfolgenden Benützung des betreffenden Waldbodens zur Verlegung einer Wasserrohrleitung vor. Gerade das aber hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin spruchmäßig nicht angelastet. Die in den Vorarbeiten (der Aushebung eines Grabens) gelegene abträgliche Behandlung des Waldbodens stellt, auch wenn damit eine Unbrauchbarmachung der betreffenden Waldfläche für Zwecke der Waldkultur verbunden sein sollte, keine Rodung im Sinne des § 17 Abs. 1 FG dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1987, Zl. 87/10/0036); ein solcher Sachverhalt ist allenfalls dem Tatbestand der Waldverwüstung im Sinne des § 16 Abs. 2 FG (nunmehr in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576) unterstellbar.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, daß der in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Hinweis auf die "gegebene Sachlage - Verwendung von Waldboden zur Verlegung einer Wasserrohrleitung" nicht zur Ergänzung des Spruches herangezogen werden kann. Der Umstand, daß Spruch und Begründung eines Bescheides eine Einheit bilden, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur zur Folge, daß zur Auslegung eines unklaren Spruches auf die Begründung zurückgegriffen werden kann, nicht aber, daß ein - wie im vorliegenden Fall - seinem Wortlaut und seinem rechtlichen Gehalt nach eindeutiger Spruch durch die Begründung ergänzt werden darf.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde die Beschwerdeführerin in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage eines Verhaltens schuldig befunden hat, dessen Tatbildmäßigkeit nicht gegeben ist, ist der angefochtene Bescheid - ohne daß es eines Eingehens auf das weitere, Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerdevorbringen bedurfte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Wien, am 7. Juni 1988

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