VwGH 87/07/0070

VwGH87/07/007019.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Ing. GH und der AH beide in Z, beide vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, Kirchengasse 6, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Jänner 1987, Zl. Bod-1907/5-1987, betreffend landwirtschaftliches Bringungsrecht, zu Recht erkannt:

Normen

GSGG §2 Abs1;
GSLG OÖ §31 Abs1;
GSGG §2 Abs1;
GSLG OÖ §31 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. September 1986 wies die Agrarbezirksbehörde Gmunden den Antrag der Beschwerdeführer auf Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes zugunsten ihrer Liegenschaft X-berg Nr. 7 gemäß § 31 Abs. 1 des O.Ö. Bringungsrechtegesetzes, LGBl. Nr. 19/1962 (BRG), ab. Begründend führte die Behörde aus, es sei gemäß § 31 Abs. 1 BRG in der ersten Verfahrensstufe zu prüfen gewesen, ob das begehrte Bringungsrecht und die geplante Bringungsanlage unter die Bestimmungen des BRG falle. Beim Anwesen der Beschwerdeführer handle es sich um eine landwirtschaftliche Liegenschaft, die durch einen öffentlichen Weg und einen unbestrittenen "Rechtsweg" mit dem Verkehrsnetz verbunden sei. Der öffentliche Ortschaftsweg weise zwei stärkere Gefällsstufen von etwa 21 oder 22 % bzw. von 26 % auf und sei teilweise hohlwegartig ausgebildet. In den engeren Wegpassagen sei der Weg ca. 2,10 m breit ansonsten 2,50 m. Die grobschottrigen Fahrspuren des Weges seien im Durchschnitt ca. 10 cm, teilweise jedoch bis zu 20 cm vertieft. Die Kosten einer notwendigen Ausbesserung des Weges, bestehend aus einer Aufschüttung der unteren Steilstufe und damit einer Verringerung des Gefälles auf 18 bis 20 % sowie eine Beschotterung und Schotterverdichtung der Fahrspur seien mit S 150.000,-- zu veranschlagen. Die Gemeinde W habe einer Sanierung des Ortschaftsweges zugestimmt, eine Beistellung von Schotter jedoch abgelehnt. Angesichts der derzeitigen und auch geplanten Bewirtschaftung der Liegenschaft der Beschwerdeführer - eine Milchkuhhaltung sei nicht vorgesehen - könne mit der angeführten Art der Wegausbesserung, die den Beschwerdeführern auch wirtschaftlich zumutbar sei, das Auslangen gefunden werden. Ein mit hohen Kosten verbundener Vollausbau des Weges - wie er den Beschwerdeführern offenbar vorschwebe - sei nicht erforderlich. Ebensowenig könne die Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes für die Schaffung einer allgemeinen, auch Zwecken der Personenbeförderung dienenden Zufahrt herangezogen werden. Der als einzige Alternative zum Ortschaftsweg für die Schaffung einer Zufahrtsmöglichkeit zum Anwesen der Beschwerdeführer in Frage kommende G-weg verlaufe auf einer Länge von rund 500 m über Privatgrund, sodaß für diesen Bereich ebensowenig ein Anspruch auf Schneeräumung bestehe, wie dies beim Ortschaftsweg der Fall sei. Eine Zufahrt im Notfall für Einsatzfahrzeuge über den G-weg würde nach ortsüblicher Gepflogenheit von den Grundeigentümern sicherlich ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen werden. Der Umstand, daß die Errichtung des G-weges mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sei, erweise sich als rechtlich unerheblich.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies der LAS nach Durchführung einer örtlichen Erhebung und einer mündlichen Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1987 als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde aus, es handle sich beim Anwesen der Beschwerdeführer um eine Kleinlandwirtschaft, die im landwirtschaftlichen Nebenerwerb betrieben werde. Die Bewirtschaftung sei derzeit auf Jungviehhaltung ausgerichtet. Die Beschwerdeführer seien zwar auf ihrer Liegenschaft behördlich gemeldet, wohnten aber nicht dort, weil der zu ihrer Liegenschaft führende Weg im Winter nicht vom Schnee geräumt werde. Unter Zugrundelegung des auf der derzeitigen Bewirtschaftungsform aufbauenden Bringungsbedarfes für die Liegenschaft der Beschwerdeführer - die Absicht, die Bewirtschaftungsform ändern zu wollen, sei nicht geäußert worden - sei die belangte Behörde auf Grund der den Beschwerdeführern zumutbaren Kosten einer erforderlichen Verbesserung des zu ihrer Liegenschaft führenden Ortschaftsweges sowie des Rechtsweges, wobei sowohl die Gemeinde W wie auch die Eigentümerin des durch den Rechtsweg belasteten Grundstückes einer Verbesserung des Weges zugestimmt hätten, zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen zur Einleitung eines Bringungsrechteverfahrens nicht vorlägen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß der G-weg auch für die Aufschließung des Anwesens der Beschwerdeführer gedacht gewesen sei, die Hofzufahrt zu ihrem Anwesen aber auf Grund der mangelnden finanziellen Mittel des Vorbesitzers der Beschwerdeführer nicht errichtet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechts gemäß den Bestimmungen des BRG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 31 Abs. 1 BRG ist ein Antrag auf Einräumung eines Bringungsrechtes, wenn er sich schon von vornherein als unzulässig erweist, zurückzuweisen; andernfalls hat die Agrarbehörde auf Grund einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid auszusprechen, ob das begehrte Bringungsrecht und die geplante Bringungsanlage unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten fallen.

Gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. kann der Eigentümer, Fruchtnießer oder Pächter, wenn die zweckmäßige Bewirtschaftung einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft dadurch unmöglich gemacht oder erheblich beeinträchtigt wird, daß zur Bringung der im landwirtschaftlichen Betrieb gewonnenen oder gewinnbaren landwirtschaftlichen Erzeugnisse oder zur Heranschaffung der zur zweckmäßigen Bewirtschaftung erforderlichen Sachen keine oder nur eine unzulängliche oder den Betrieb mit unverhältnismäßigen Kosten belastende Verbindung besteht, begehren, daß ihm die zur Behebung dieser Nachteile notwendigen landwirtschaftlichen Bringungsrechte eingeräumt werden. Abs. 1 des § 2 leg. cit., der die Überschrift "Inhalt der landwirtschaftlichen Bringungsrechte" trägt, bestimmt, daß das landwirtschaftliche Bringungsrecht entweder in dem Recht besteht, landwirtschaftliche Erzeugnisse und andere Sachen der in § 1 bezeichneten Art über fremde Liegenschaften ohne Weganlage oder auf bestehenden nicht öffentlichen Wegen zu bestimmten Zeiten zu befördern, oder in dem Recht, zu dem im § 1 angeführten Zweck landwirtschaftliche Bringungsanlagen anzulegen oder bestehende unzureichende Bringungsanlagen ausreichend zu erweitern und die Bringungsanlagen zu benützen. Abs. 2 des § 3 leg. cit., der die Überschrift "Voraussetzungen für die Einräumung von Bringungsrechten" trägt, bestimmt, daß ein Recht, landwirtschaftliche Erzeugnisse oder andere Sachen der im § 1 bezeichneten Art über ein Grundstück, das gottesdienstlichen oder Friedhofszwecken dient, durch oder über ein Gebäude, einen Hofraum, einen zu einem Wohnhaus gehörigen eingefriedeten Garten oder einen Werks- oder Lagerplatz einer gewerblichen Betriebsanlage oder einer Bergwerksanlage zu bringen, nur eingeräumt werden darf, wenn der Eigentümer des Gebäudes oder Grundstückes oder der Bergbauunternehmer zustimmt.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle darf ein Bringungsrecht nur dann eingeräumt werden, wenn der hiedurch zu erreichende Vorteil die damit verbundenen Nachteile offenbar überwiegt.

Die Beschwerdeführer haben unter anderem eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, daß trotz der gemäß § 31 BRG gebotenen Zweiteilung des Verfahrens über die Einräumung von Bringungsrechten die belangte Behörde sich nicht zunächst auf die Frage, ob das begehrte Bringungsrecht unter die Bestimmungen über die Einräumung von Bringungsrechten falle, beschränkt, sondern ohne vorangegangene gesonderte Entscheidung über diese Frage sofort das Ansuchen der Beschwerdeführer um Einräumung eines Bringungsrechtes abgewiesen habe. Dieses Vorbringen entspricht zwar der objektiven Rechtslage, doch könnten die Beschwerdeführer, falls die belangte Behörde gemäß § 31 Abs. 1 erster Satz zweiter Halbsatz BRG zu Recht festgestellt hätte, daß das begehrte Bringungsrecht nicht unter die Bestimmungen über die Einräumung solcher Rechte falle - was im Beschwerdefall im derzeitigen Stadium vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht beurteilt werden kann - durch die gleichzeitig erfolgte Abweisung ihres Ansuchens nicht in einem Recht verletzt sein, weil durch eine derartige negative Feststellung bereits auch die abweisliche Entscheidung über das Ansuchen selbst vorgegeben wäre. In dem Umstand allein, daß die belangte Behörde die gesetzlich vorgesehene Zweiteilung des Verfahrens nicht beachtet hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht zu erkennen.

Soweit die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen, ist zu sagen:

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Liegenschaft der Beschwerdeführer landwirtschaftlich genutzt ist und daß diese durch einen öffentlichen Weg sowie ein ersessenes Fahrrecht auf einem nicht im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück zugänglich ist. Bei dem öffentlichen Weg handelt es sich der Aktenlage zufolge um einen Ortschaftsweg im Sinne der §§ 8 Abs. 1 Z. 5 und 9 Abs. 3 des Oberösterreichischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1975, LGBl. Nr. 22, dessen Instandsetzung durch die Beschwerdeführer die Gemeinde W zwar zugestimmt hat, wobei aber eine Tragung von hiebei erwachsenden Kosten bzw. die Beistellung von Schotter seitens der Gemeinde abgelehnt wurde. Eine Verpflichtung der Gemeinde oder Dritter zur Erhaltung dieses Ortschaftsweges bzw. zur Tragung von Erhaltungskosten im Sinne des § 46 Oö. LStVG 1975 kann weder allgemein dem Gesetz noch der konkreten Aktenlage entnommen werden, sodaß die Instandsetzung des Ortschaftsweges den Beschwerdeführern allein zur Last fiele. In Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer hat auch die belangte Behörde die Auffassung vertreten, daß der derzeitige Zustand der Zufahrt zur Liegenschaft der Beschwerdeführer den sich aus der Bewirtschaftung dieses Anwesens ergebenden Anforderungen nicht genügt. Die belangte Behörde war aber der Ansicht, daß die Mängel der Zufahrt durch kostenmäßig den Beschwerdeführern zumutbare Instandsetzungsarbeiten beseitigt werden könnten. Der für diese Auffassung gebotenen Begründung läßt sich nicht entnehmen, auf Grund welcher Umstände ein von der belangten Behörde angenommener Kostenaufwand für die Instandsetzungsarbeiten von etwa S 150.000,--

für die Beschwerdeführer zumutbar bzw. im Sinn des § 1 Abs. 1 BRG nicht als unverhältnismäßig anzusehen sein sollte. Feststellungen in dieser Hinsicht wären aber insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil es sich bei der Liegenschaft der Beschwerdeführer um eine Kleinlandwirtschaft mit einer Gesamtgrundfläche von 3,75 ha handelt, sodaß ein Betrag der angeführten Höhe im Verhältnis zum erzielbaren Betriebsergebnis durchaus zu hoch sein könnte. Die belangte Behörde hat es aber auch unterlassen, sich - näher mit der - durch einen Kostenvoranschlag eines Straßenbauunternehmens für die Zufahrtsanierung in Höhe von ca. 1,2 Mio S belegten - Argumentation der Beschwerdeführer, die Instandsetzungskosten seien von der belangten Behörde wesentlich zu niedrig eingeschätzt worden, näher auseinanderzusetzen. Hiebei ist den Akten auch nicht zu entnehmen, daß die belangte Behörde auf das Vorbringen der Beschwerdeführer eingegangen wäre, auch bei einer Instandsetzung in der von der belangten Behörde vorgeschlagenen Art müsse fremder Grund in Anspruch genommen und auf eine schadlose Beseitigung von Oberflächenwässern Bedacht genommen werden. Für den Standpunkt der Beschwerdeführer, daß nur eine aufwendigere Verbesserung der Zufahrt zielführend sei, spricht auch die in den Verwaltungsakten enthaltene Stellungnahme der Gemeinde W vom 5. März 1986, derzufolge "ein Befahren des Weges mit Lastkraftwagen bzw. Fahrzeugen bisher nicht möglich war". Mit dieser Stellungnahme hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.

Das BRG normiert in § 3 Abs. 3 als eine der Voraussetzungen für die Einräumung von Bringungsrechten die Abwägung der durch die Einräumung eines solchen Rechtes erreichbaren Vorteile gegenüber den damit verbundenen Nachteilen. In dieser Hinsicht hat die belangte Behörde zwar über den erreichbaren Vorteil insofern Aussagen getroffen, als die von ihr angenommenen Kosten der Zufahrtsinstandsetzung die Beschwerdeführer im Fall einer Bringungsrechtseinräumung nicht belasten würden. Den mit einer Bringungsrechtseinräumung verbundenen Nachteil hat die belangte Behörde aber nur insoweit in ihre Erwägungen einbezogen, als sie aufgezeigt hat, bei dem im Fall einer Bringungsrechtseinräumung durch einen Anschlußweg an den G-weg zu belastenden, nicht im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück, welches vom Sachverständigen der belangten Behörde als Obstgarten bezeichnet wurde, handle es sich nach Darstellung des Grundeigentümers um eine rund ein halbes Joch große Fläche, auf der ca. 15 Obstbäume stünden, wobei jährlich neue Bäume hinzugepflanzt würden, während diese Fläche nach Darstellung der Beschwerdeführer als durch einen normalen Weidezaun umgebene Viehweide mit einigen Bäumen einzustufen sei. Eine Feststellung der belangten Behörde, um welche Art von Fläche, und insbesondere ob es sich hiebei allenfalls im Sinne des § 3 Abs. 2 BRG um einen zu einem Wohnhaus gehörigen eingefriedeten Garten handelt, kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden. Demgemäß fehlt insoweit auch eine behördliche Beurteilung des bei Einräumung eines Bringungsrechts zu erwartenden Nachteiles. Durch die unzureichende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes und die unzulängliche Begründung ihrer abweislichen Entscheidung hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am 19. Mai 1988

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte