VwGH 87/04/0196

VwGH87/04/019619.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des HS in T, vertreten durch Dr. Alois Leyrer, Rechtsanwalt in Wien I, Elisabethstraße 26, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juli 1987, Zl. Ge‑33.419/1‑1987/Kut/Sch, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §9
B-VG Art7 Abs1
GewO 1973 §10
GewO 1973 §339 Abs3
GewO 1973 §339 Abs3 Z3
GewO 1973 §5 Z1
GmbHG §2 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a litb
VStG §44a Z1 implizit
VStG §44a Z2 implizit
VStG §5 Abs1
VStG §9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987040196.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juli 1987 wurden über den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 94 Z. 16 GewO 1973 Geldstrafen in der Höhe von je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und als Verantwortlicher der JO Gesellschaft m.b.H. gemäß § 9 VStG 1950 in der Zeit vom 7. Jänner 1986 bis 1. April 1986 in den Standorten a) A, H‑Straße 13, b) M, R‑Straße 13, c) Tkam, L‑Straße 6, das Fleischergewerbe ausgeübt habe, ohne die hierfür erforderlichen Gewerbeberechtigungen erlangt zu haben. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, die JO Gesellschaft m.b.H. habe am 20. Jänner 1986 bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das Fleischergewerbe angemeldet und die Bestellung des KB zum gewerberechtlichen Geschäftsführer angezeigt. Am 1. April 1986 sei die JO Gesellschaft m.b.H. im Handelsregister des Kreisgerichtes Wels protokolliert worden. Da der Bestand der Gewerbeanmelderin somit erst ab dem 1. April 1986 begründet worden sei, gelte die am 20. Jänner 1986 eingebrachte Gewerbeanmeldung erst ab dem 1. April 1986 als erstattet. Erst ab diesem Zeitpunkt kämen daher für die JO Gesellschaft m.b.H. die Rechtswirkungen der Anmeldung des handwerksmäßigen Fleischergewerbes zum Tragen. Aus diesem Grund müsse dem Beschwerdeführer die unbefugte Ausübung des Fleischergewerbes für den Zeitraum vom 7. Jänner 1986 bis zum 1. April 1986 angelastet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und nicht gemäß § 9 VStG 1950 als Verantwortlicher der JO Gesellschaft m.b.H. hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer unter anderem vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, im Sinne der Bestimmung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 die Frage zu prüfen, inwieweit die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Ansehung der vorgeworfenen Delikte anstelle des Beschwerdeführers den bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführer treffe. Im übrigen stehe die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine juristische Person könne vor ihrer Eintragung ins Handelsregister nicht Trägerin von Gewerberechten sein, in erheblichem Widerspruch mit der gesamten herrschenden Lehre sowie mit der höchstrichterlichen Judikatur, welche die Rechtsfigur der „Vorgesellschaft“ kenne. Es sei anerkannt, daß eine Vorgesellschaft ein „vollkaufmännisches Gewerbe betreiben könne und grundbuchsfähig sei“. Eine Vorgesellschaft könne bereits vor Eintragung in das Handelsregister Handlungen setzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 GewO 1973 sind Anmeldungsgewerbe Gewerbe, die bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes ausgeübt werden dürfen. Nach § 6 Z. 1 leg. cit. werden die Anmeldungsgewerbe, wenn als Befähigungsnachweis die Meisterprüfung vorgeschrieben ist, als Handwerke bezeichnet. Gemäß § 94 Z. 16 leg. cit. ist das Fleischergewerbe ein Handwerk und somit ein Anmeldungsgewerbe.

Wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausüben will, hat nach § 339 Abs. 1 leg. cit. die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten. Der Anmeldung ist nach § 339 Abs. 3 leg. cit. unter anderem anzuschließen (Z. 3), falls eine juristische Person die Anmeldung erstattet, der Nachweis ihres Bestandes, bei Personengesellschaften des Handelsrechtes die Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 10); ein als solcher Nachweis vorgelegter Auszug aus dem Handels- oder Genossenschaftsregister darf nicht älter als sechs Monate sein.

Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung besteht die Gesellschaft vor ihrer Eintragung in das Handelsregister als solche nicht. Wird vorher im Namen der Gesellschaft gehandelt, so haften die Handelnden persönlich zur ungeteilten Hand (Gesamtschuldner).

Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Bestimmung folgt, daß eine Gesellschaft m.b.H. als solche erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister befähigt wird, ihren Bestand im Sinne des § 339 Abs. 3 Z. 3 GewO 1973 nachzuweisen. Sie ist als solche auch erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister im Sinne des § 5 Z. 1 leg. cit. fähig, ein Anmeldungsgewerbe aufgrund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes auszuüben.

Eine Fiktion des Bestehens einer Gesellschaft m.b.H. vor dem Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist den gewerberechtlichen Vorschriften über die Anmeldung von Gewerben fremd.

Eine Bestimmung, wie sie § 10 GewO 1973 für Personengesellschaften des Handelsrechtes enthält, besteht für juristische Personen, insbesondere für Gesellschaften mit beschränkter Haftung - da diese ja nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung als solche vor der Eintragung in das Handelsregister nicht bestehen - nicht (vgl. das auch vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1986, Zl. 86/04/0027).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, von dieser. Rechtsprechung abzugehen. Der Hinweis in der Beschwerde, auf die in Lehre und Rechtsprechung anerkannte Rechtsfigur der „Vorgesellschaft“ geht in diesem Zusammenhang deshalb fehl, weil im vorliegenden Zusammenhang nicht die privatrechtlichen Rechtsfolgen des Zusammenschlusses mehrerer Rechtspersonen in der Absicht, eine juristische Person zu gründen, zu beurteilen sind, sondern die Frage, inwieweit eine juristische Person Trägerin subjektiver öffentlicher Rechte sein kann.

Im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 123 Abs. 2 und 161 Abs. 2 HGB, wonach die Personengesellschaften des Handelsrechtes unter Umständen auch schon vor ihrer Eintragung im Handelsregister Wirksamkeit im Verhältnis zu Dritten erlangen können, vermag der Verwaltungsgerichtshof - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - auch in dem Umstand, daß das Gesetz eine dem § 10 GewO 1973 vergleichbare Regelung auch für Gesellschaften m.b.H. nicht kennt, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes des Art. 7 Abs. 1 B‑VG nicht zu erkennen, zumal der Gleichheitssatz lediglich die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte verbietet; das Vorliegen gleicher Sachverhalte ist im Gegenstand jedoch zu verneinen.

Die Beschwerde erweist sich dennoch im Ergebnis als berechtigt. Denn wenn von der belangten Behörde - wie oben ausgeführt - zutreffend davon ausgegangen wurde, im Tatzeitraum habe die JO Gesellschaft m.b.H. noch gar nicht bestanden, so war es verfehlt, den Beschwerdeführer in seiner vermeintlichen Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser noch gar nicht bestehenden Gesellschaft zu bestrafen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im geltend gemachten Rahmen auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 19. Jänner 1988

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