VwGH 87/04/0131

VwGH87/04/013117.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des KL jun. in W, vertreten durch Dr. Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Wien I, Getreidemarkt 18, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. April 1987, Zl. Ge‑33.226/1‑1987/Kut/Sch, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §370 Abs2
VStG §9 Abs2 letzter Satz idF 1983/176
VStG §9 Abs4 idF 1983/176
VStG §9 idF 1983/176

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987040131.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27. Februar 1986 (soll offenbar richtig 1987 heißen) schuldig erkannt, „als gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1950 verantwortlicher Beauftragter der ‚H GesmbH' in der Zeit vom 1. Jänner 1985 bis zum 25. August 1986 im Standort W, das Gastgewerbe - Verabreichung von Speisen und Ausschank von Getränken - gewerbsmäßig ausgeübt“ zu haben, „ohne die hiefür erforderliche Konzession zu besitzen“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach „§ 366 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 130 IV und § 199 GewO 1973 begangen“ zu haben. Gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe 30 Tage) verhängt.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. April 1987 keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei aktenkundig und unbestritten, daß die H GesmbH eine Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes im Standort W, nicht besitze. Nach der im Verfahrensakt erliegenden Spezialvollmacht vom 19. Dezember 1984 habe HS in seiner Eigenschaft als handelsrechtlich vertretungsbefugter Geschäftsführer der H GesmbH den Beschwerdeführer in allen Angelegenheiten sowohl vor Gerichts-, Verwaltungs- und Finanzbehörden als auch außerbehördlich zu vertreten bevollmächtigt. Gemäß § 9 VStG 1950 sei daher KL (geb. 1958) als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der „H GesmbH“ für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Im erstbehördlichen Verfahren sei erhoben worden, daß der Beschwerdeführer im Namen und auf Rechnung der H GesmbH im Standort W, in der Zeit vom 1. Jänner 1985 bis zum 25. August 1986 gegen Entgelt an Gäste Speisen verabreicht und Getränke ausgeschenkt habe. Die Erstbehörde habe daher zutreffend den Beschwerdeführer der unbefugten Ausübung des Gastgewerbes schuldig erkannt. Es sei aktenkundig und unbestritten, daß die H GesmbH mit Eingabe vom 15. Jänner 1985 um die Konzession für das Gastgewerbe in den Betriebsarten Gasthaus und Bar im Standort W, sowie um die Genehmigung der Bestellung des KL (geb. 1925) zum gewerberechtlichen Geschäftsführer angesucht habe. Dieses Konzessionsansuchen vermöge jedoch den Beschwerdeführer nicht von seinem schuldhaften Verhalten zu befreien, weil das Gastgewerbe als konzessioniertes Gewerbe erst nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheides ausgeübt werden dürfe. Der Beschwerdeführer stelle nicht in Abrede, daß die H GesmbH die Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes noch immer nicht erhalten habe. Die bestehende Gastgewerbekonzession seines Vaters KL (geb. 1925) sei keinesfalls geeignet, den Beschwerdeführer von der unbefugten Ausübung des Gastgewerbes zu entlasten, weil er die in Rede stehende gastgewerbliche Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der H GesmbH als Beauftragter vorgenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, mit der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht der Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 schuldig erkannt und nach Abs. 1 leg. cit. bestraft zu werden. Er bringt in Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, aus dem Gesetzestext des § 9 Abs. 2 VStG 1950 ergebe sich völlig unmißverständlich, daß zu Beauftragten im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich nur solche Personen bestellt werden können, die dem Kreis des satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organes angehören. Tatsache sei jedoch, daß der Beschwerdeführer eine solche Rechtsstellung keinesfalls eingenommen habe. Andere Personen könnten nur dann zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden, wenn diesen die Verantwortung nur für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens übertragen werde. Im Hinblick darauf, daß die H GesmbH im Standort W, lediglich die Tätigkeit „Gastgewerbe - Verabreichung von Speisen und Ausschank von Getränken“ gewerbsmäßig ausübe, werde dem Beschwerdeführer offensichtlich die Verantwortung für das gesamte Unternehmen übertragen. Dafür gebe die Bestimmung des § 9 Abs. 2 VStG 1950 jedoch keine Grundlage. Die belangte Behörde habe diesbezüglich auch den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig gelassen, da sie nicht festgestellt habe, für welchen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens der Beschwerdeführer die Verantwortung trage. Die belangte Behörde habe auch übersehen, daß gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 diese Bestimmung nur dann anzuwenden ist, wenn die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Das treffe im gegenständlichen Fall zu, weil die §§ 39 und 370 Abs. 2 GewO 1973 die Bestellung eines verantwortlichen Organes vorsehen. Weil der Beschwerdeführer keine Stellung innehabe, wie sie § 39 und § 370 Abs. 2 GewO 1973 normiere, könne er auch aus diesem Gesichtspunkt heraus nicht bestraft werden. Schließlich müsse noch bemerkt werden, daß der Gesetzgeber, um von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit eines verantwortlichen Beauftragten sprechen zu können, voraussetze, daß die Behörde ein solches Verlangen gestellt haben müsse. Dieses liege im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor. Die Verwaltungsbehörde habe sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob im vorliegenden Fall dem gemäß § 9 VStG 1950 verantwortlichen Beauftragten eine der im § 5 VStG 1950 festgesetzten Schuldformen angelastet werden könne.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

§ 9 VStG 1950 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 176/1983 lautet:

„§ 9 (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortung als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(3) .......

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für dem ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

.......“

Gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1973 sind Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde (§ 39).

Wie sich aus dem oben wiedergegebenen Gesetzestext ergibt, ist die Bestimmung des § 9 VStG 1950 subsidiär dann anzuwenden, wenn über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handlungen juristischer Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nichts bestimmt wird.

Im vorliegenden Fall ist allerdings unbestritten, daß zur Zeit der angelasteten Tat ein Geschäftsführer nach den Bestimmungen der GewO 1973 nicht bestellt war.

In einem solchen Fall ist das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person nach § 9 VStG 1950 (oder allenfalls ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1983, Zl. 83/04/0185, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Soweit nun die belangte Behörde die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 beurteilte, ist folgendes zu bemerken:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Zl. 86/18/0073, ausgesprochen hat, ist, um von einem verantwortlichen Beauftragten sprechen zu können, gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 dessen nachweisliche Zustimmung zu seiner Bestellung erforderlich. Diese Bestellung wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen. Die belangte Behörde hätte daher den Beschwerdeführer nur dann als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten zur Bestrafung heranziehen können, wenn bei ihr spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis des Beschwerdeführers vorgelegen wäre. Im übrigen ist auf das Tatbestandsmerkmal des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 hinzuweisen, wonach andere Personen (als die im § 9 Abs. 2 erster Satz VStG 1950 genannten Organmitglieder) - nur - für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens (und nicht für das ganze Unternehmen) zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden können.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Der Kostenersatz war im begehrten Ausmaß zuzusprechen.

Wien, am 17. Mai 1988

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