VwGH 87/14/0154

VwGH87/14/015424.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde des WM in R, als ehemaliger Gesellschafter der WM Gesellschaft m.b.H. & Co KG, vertreten durch Dr. Wilfried Sterrer, Rechtsanwalt in Linz, Hafferlstraße 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 11. Juni 1987, Zl. 6/32/5-BK/Mo-1987, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für 1980 bis 1982, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §188;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §23;
EStG 1972 §23a;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §6 Z3;
HGB §171;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war einziger Kommanditist (Einlage S 475.000,--) einer GmbH & Co Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär (Einlage S 25.000,--) die GmbH war. Der Anteil der Gesellschaft an Gewinn und Verlust war im Verhältnis der Kapitaleinlagen festgelegt. Der Beschwerdeführer hatte 1978 für einen Bankkredit der KG in Höhe von S 2,700.000,-- die Haftung als Bürge und Zahler übernommen; im Jahre 1982 wurde diese Haftungssumme um S 600.000,-- erhöht. 1984 wurde über das Vermögen der KG und ihrer Komplementär-GmbH der Konkurs eröffnet. Dieser wurde nach Verteilung des Massevermögens im Jahre 1986 aufgehoben. Die Gesellschaft wurde hierauf im Handelsregister von Amts wegen gelöscht. Nach Konkurseröffnung im Jahre 1984 wurde der Beschwerdeführer aus seiner Haftung als Bürge und Zahler für den aushaftenden Kredit der KG in Höhe von ca. S 2,900.000.-- von der Bank in Anspruch genommen. Ab 1984 hat der Beschwerdeführer verschiedene Ratenzahlungen aus seiner Haftung als Bürge und Zahler an die Bank geleistet.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, gemäß § 19 Abs. 2 BAO an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid wurden im Instanzenzug die 1980 bis 1982 von der KG erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO nach rechtskräftiger amtswegiger Wiederaufnahme neu festgestellt. Von den Einkünften der KG wurden dem Beschwerdeführer zugewiesen für 1980 ein Verlust von S 124.345,--, für 1981 S Null, für 1982 ein Verlust gemäß § 23a EStG von S 256.718,--, der weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG abzugsfähig ist. Dabei ging die belangte Behörde von der unbestrittenen Tatsache aus, daß im Innenverhältnis keine Verpflichtung des Beschwerdeführers bestanden habe, über die bedungene Einlage hinaus am Verlust teilzunehmen. Eine Berücksichtigung der Haftung des Beschwerdeführers als Bürge und Zahler für den Bankkredit der KG lehnte die belangte Behörde mit der Begründung ab, daß die abstrakte Möglichkeit einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft allein eine Zuweisung von Verlusten, welche die Kommanditeinlage überstiegen, nicht rechtfertige. Zu einem Vermögensnachteil im Sinne eines Verlustes könne es erst kommen, wenn ernsthaft bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme der Bürgschaft gerechnet werden müsse, ohne daß die Möglichkeit eines erfolgreichen Regresses bestehe. An dieser Voraussetzung fehle es in den Jahren 1980 und 1981. Der Beschwerdeführer habe nämlich noch 1982 die Haftung um S 600.000,-- erweitert und sei erst 1984 (nach Eröffnung der Konkurse) aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Die erste Zahlung habe er am 3. September 1984 geleistet. Für 1980 und 1981 habe daher die Zurechnung von Verlusten an den Beschwerdeführer nur insoweit zu erfolgen gehabt, als dessen bedungene Kapitaleinlage nicht bereits durch Verluste aufgezehrt gewesen sei. Auch die vom Berufungswerber beantragte Bildung einer Rückstellung im Sonderbetriebsvermögen des Beschwerdeführers für die drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Jahre 1980 komme nicht in Betracht, weil mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Jahre 1980 nicht habe gerechnet werden müssen, ohne daß die Möglichkeit eines Regreßes bestanden hätte. Mit der Inanspruchnahme werde in der Regel nur bei Zahlungsunfähigkeit oder dann zu rechnen sein, wenn sonstige Schulden diese Annahme rechtfertigten. Weder 1980 noch zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung (26. Jänner 1982) sei die KG als zahlungsunfähig zu betrachten. Auch sonst sei kein Umstand ersichtlich, wonach der Kommanditist bereits mit einer Inanspruchnahme hätte rechnen müssen. Die KG habe das Unternehmen auch noch in den folgenden Jahren in vollem Umfang weitergeführt und die Liefer- und Leistungserlöse wiesen in den Jahren 1980 bis 1982 eine erhebliche Steigerung auf. Selbst wenn man anderer Meinung sein wollte, müßte zu diesem Zeitpunkt eine Regreßforderung an die KG ebenso in vollem Umfang als Aktivpost eingesetzt werden, die die gewinnmindernde Rückstellung kompensiere. Für 1982 habe die KG als Berufungswerberin durch den Masseverwalter unter Hinweis auf das damals beim Verfassungsgerichtshof anhängige Gesetzesprüfungsverfahren die Zuweisung des gemäß § 23a EStG als "Wartetastenverlust" behandelten Verlustanteiles des Beschwerdeführers beantragt. Gemäß § 23a EStG in der Fassung BGBl. 1987/80 - diese Bestimmung gelte auch für 1982 - seien Verluste eines Kommanditisten auf Grund seiner Beteiligung an der KG weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG abzugsfähig, soweit dadurch bei ihm negatives Betriebsvermögen entstehe oder sich erhöhe. Die nicht ausgleichs- und abzugsfähigen Verluste seien mit Gewinnen späterer Wirtschaftsjahre zu verrechnen oder würden in Höhe der in einem späteren Wirtschaftsjahr geleisteten Einlagen, soweit diese die Entnahmen überstiegen, in diesem Jahr zu ausgleichs- und abzugsfähigen Verlusten. Die Gewinne und Verluste seien unter Berücksichtigung besonderer Vergütungen und Aufwendungen des Kommanditisten zu ermitteln. Auch nach dieser nunmehr geltenden gesetzlichen Regelung sei der Anteil des Beschwerdeführers am Verlust der KG im Jahre 1982 nicht ausgleichs- und abzusfähig. Denn durch den Verlust habe sich das bereits negative Betriebsvermögen des Beschwerdeführers weiter erhöht. Auch der Einlagenüberschuß in diesem Jahre könne nicht die Ausgleichsfähigkeit der Verluste bewirken. Gemäß § 23a EStG könnten die nichtausgleichsfähigen Verluste erst im Ausmaß künftiger Einlagen ausgleichs- und vortragsfähig werden. Für die bereits vor 1982 dem Beschwerdeführer nicht zugerechneten Verluste gelte weiterhin die Übergangsbestimmung des Abschnittes I Art. II AbgÄG 1981 BGBl. Nr. 620, nach der die Gewinne der Kommanditisten in den späteren Wirtschaftsjahren bis zum Betrag der vor 1982 dem anderen Gesellschafter zugerechneten Verlust diesem anderen Gesellschafter zuzurechnen seien.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Zuteilung von Verlusten für die Jahre 1980 und 1981, bzw. auf Zuteilung von Verlusten gemäß § 23 a EStG verletzt, und zwar durch unrichtige Auslegung des § 23 EStG. Er beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeausführungen lassen nicht erkennen, aus welchem Grund sich der Beschwerdeführer für das Kalenderjahr 1982, auf das § 23a EStG idF des 1. AbgÄG 1987 anzuwenden war, verletzt erachtet, worin also die unrichtige Anwendung des Gesetzes gelegen sein soll. Der Beschwerdeführer bringt hinsichtlich des Jahres 1982 lediglich vor, aus Gründen des Niederstwertprinzips hätte 1981 oder 1982 eine Bilanzberichtigung (durch Bildung einer Rückstellung) erfolgen müssen. Im Verwaltungsverfahren war jedoch vom Berufungswerber nur vorgetragen worden, sollte die Haftung im Außenverhältnis und die tatsächliche Inanspruchnahme des Pflichtigen nicht als ausreichend für eine Verlustzuteilung über die bedungene Einlage hinaus anerkannt werden, werde die Bildung einer Rückstellung für die drohende Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Jahre 1980 in Höhe von S 1,681.000,-- beantragt. Von einem vorläufigen Ergebnis für das Jahr 1983 mit S 2,000.000,-- war im Verwaltungsverfahren ebensowenig die Rede, wie von einer Bilanzberichtigung durch Bildung einer Rückstellung in den Jahren 1981 oder 1982. Die Frage der Bildung einer Rückstellung im Wege einer Bilanzberichtigung für 1982 stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar, auf die vom Verwaltungsgerichtshof daher nicht Rücksicht genommen werden durfte.

Im übrigen befassen sich die Beschwerdeausführungen ausschließlich mit den Jahren 1980 und 1981. Für diese hatte die vor Einfügung des § 23a EStG geltende Rechtslage Anwendung zu finden. Der belangten Behörde ist danach beizupflichten, daß die bloß abstrakte Möglichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten aus der von ihm geleisteten Bürgschaft noch keinen Vermögensnachteil im Sinne eines Verlustes für ihn darstellte, sondern es zu einem solchen erst kommt, wenn auf Grund der Vermögenslage des Schuldners ernstlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ganz oder zum Teil gerechnet werden muß, ohne daß die Möglichkeit eines Regreßes besteht (vgl. VwSlg. 5997 F/1985). Eine Rückstellung kann nur gebildet werden, wenn der Steuerpflichtige auf Grund der bisherigen Erfahrungen ernsthaft (mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit) mit dem Entstehen einer Schuld (bzw. des aus der Schuld erwachsenden Aufwandes) auf Grund eines im abgelaufenen Wirtschaftsjahr liegenden Sachverhaltes (Betriebsvorganges) rechnen muß oder wenn die Schuld (der Aufwand) schon sicher und nur der Höhe nach unbestimmt ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, zweite Auflage, Tz 55 zu § 6).

Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang den Standpunkt vertreten, weder 1980 noch 1981 habe der Beschwerdeführer mit einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und für deren Fall mit einer Erfolglosigkeit des Regresses rechnen müssen. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, daß die Überschuldung der KG 1979 S 236.835,86, 1980 S 785.445,40, 1981 S 1,316.123,49, 1982 S 1,297.102,13 und 1983 ca. S 3,1 Millionen betragen habe und die Komplementärin der KG eine GmbH mit dem Mindeststammkapital von S 100.000,-- gewesen sei. Bereits 1979 sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, Einlagen aus seinem Privatvermögen in die Gesellschaft zu leisten. Die Entwicklung der Bilanzdaten zeige sehr deutlich, daß der Kommanditist bereits bei Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1980 mit einer Inanspruchnahme der Bürgschaft habe rechnen müssen.

Die vom Beschwerdeführer zitierten Bilanzdaten geben jedoch ebensowenig wie die Gesellschaftsform oder das Haftungskapital der Komplementär-GmbH Auskunft über die im Tatsachenbereich angesiedelte Frage der Ernstlichkeit der Bedrohung des Kommanditisten durch die Inanspruchnahme der Bürgschaft seitens der Bank, welche der KG kreditiert hatte, und damit des Grades der Wahrscheinlichkeit einer Verschlechterung der Vermögenslage des Kommanditisten aus dieser Haftung in den Streitjahren. Für die Aufrechterhaltung des Kreditverhältnisses durch die Bank, von der mangels gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie im Streitzeitraum keine Kenntnis von der Überschuldung der KG hatte, war nämlich offenbar nicht so sehr die Bilanz, sondern die Besicherung ihrer Forderung entscheidend. Daß dem Kreditgläubiger aber auch noch 1982 unter diesen Gesichtspunkten die Kreditwürdigkeit der KG gegeben erschien, zeigt der Umstand, daß gegen Ausweitung der Bürgschaft des Kommanditisten der Kredit weiter gewährt wurde. Einen Sachverhalt, aus dem sich entnehmen ließe, daß bereits in den Streitjahren mit einer Aufkündigung desselben und infolgedessen mit einer Realisierung der Sicherheiten zu rechnen gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nie vorgetragen. Der belangten Behörde kann daher in den entscheidungswesentlichen Fragen weder im Bereich der Tatsachenfeststellungen noch in dem der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes entgegengetreten werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 24. November 1987

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