Normen
BAO §22;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
GewStG §6 Abs3;
KStG 1966 §8 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen im Betrag von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Gewerbesteuerbescheid für 1984 kürzte das Finanzamt den Gewerbeertrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 3 GewStG um Fehlbeträge aus den Jahren 1980 bis 1983.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes den erwähnten Bescheid des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO ausschließlich mit der Begründung auf, das Finanzamt habe nicht erkannt, daß es an der Subjektidentität des Gewerbetreibenden gefehlt habe. Erst 1983 hätten die jetzigen Gesellschafter der Beschwerdeführerin die Geschäftsanteile jener GmbH erworben, deren Verluste nun vorgetragen worden seien. Der Geschäftsbetrieb dieser GmbH sei seit 1981 eingestellt gewesen; die Verluste 1982 und 1983 seien zur Gänze durch Beratungskosten entstanden. Es habe sich 1983 um einen sogenannten Mantelkauf gehandelt. Firma, Sitz der Gesellschaft und Unternehmensgegenstand seien geändert worden.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihren Rechten aus der Bestandskraft des Bescheides des Finanzamtes verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 3 GewStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung wird der Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn durch Bestandsvergleich auf Grund ordnungsgemäßer Buchführung ermitteln, um Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre (§ 10) nach den Vorschriften der §§ 6 bis 9 ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Wirtschaftsjahre gekürzt worden sind.
Von diesen Voraussetzungen wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nur die Identität des Gewerbetreibenden in Frage gestellt und verneint.
Das Recht auf Verlustvortrag ist an die Person des Gewerbetreibenden gebunden, der den Verlust erlitten hat, und es setzt voraus, daß der geltend gemachte Fehlbetrag in jenem Gewerbebetrieb entstanden ist, dessen Gewerbeertrag gekürzt werden soll (Verwaltungsgerichtshof 29. Jänner 1979, Zl. 1697/77).
Die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften ist gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 GewStG stets und in vollem Umfang Gewerbebetrieb.
Ist die Kapitalgesellschaft ident, so ist es auch der in ihrer Tätigkeit gelegene Gewerbebetrieb.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem Verlustvortrag gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG 1966 ausgesprochen hat, wird die Identität der GmbH durch den Wechsel ihrer Gesellschafter ebensowenig berührt wie durch eine Änderung des Gegenstandes ihres Unternehmens, ihrer Firma, ihres Sitzes im Inland oder durch den Wechsel des Geschäftsführers (Erkenntnis vom 4. Juni 1986, Zl. 84/13/0251).
Der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer macht es nicht erforderlich, im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 GewStG die Identität einer GmbH als Steuersubjekt anders zu verstehen, als im Körperschaftsteuerrecht.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid daher die Rechtslage verkannt.
Ihrer in der Gegenschrift geäußerten Ansicht, der angefochtene Bescheid hätte trotzdem nicht der Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof zu verfallen, weil der Aufhebungstatbestand nach § 299 Abs. 1 lit. c BAO vorgelegen wäre, vermag der Gerichtshof nicht beizutreten.
Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht dadurch verletzt, daß sich die Behörde in der Bezeichnung des Aufhebungstatbestandes vergriffen hat. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Behörde erst als Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (in der Gegenschrift) einen völlig anderen Aufhebungsgrund nachtragen könnte, der im angefochtenen Bescheid nicht einmal angedeutet wurde.
Dies ist hier der Fall. Die belangte Behörde behauptet nämlich in der Gegenschrift, das Finanzamt wäre von Amts wegen verpflichtet gewesen, den Mißbrauchstatbestand (§ 22 BAO) zu prüfen. Im angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde jedoch mit keinem Wort geltend gemacht, daß sich für das Finanzamt Anhaltspunkte für einen Mißbrauch im Sinne des § 22 BAO ergeben hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die Prüfungspflicht des Finanzamtes in Richtung des Mißbrauchstatbestandes auf der Hand gelegen sei. Ein Mantelkauf um S 20.000,-- könnte seinen durchaus vernünftigen wirtschaftlichen Grund in der Ersparnis höherer Kosten bei der Gründung einer neuen Kapitalgesellschaft gehabt haben (vgl. Quantschnigg in ÖStZ 1987/S. 143).
Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid daher im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt, da in die Bestandskraft des Gewerbesteuerbescheides 1984 ohne Vorliegen des im angefochtenen Bescheid genannten Grundes und im übrigen begründungslos eingegriffen wurde.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 22. September 1987
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