VwGH 87/10/0022

VwGH87/10/002216.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des 1. WT und der 2. ST, beide in S, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, Wienerstraße 3, gegen 1. den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1986, Zl. I/2‑St‑8641, und 2. den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 1986, Zl. I/2‑St‑8646, betreffend Bestrafung wegen ungebührlicher Erregung störenden Lärms, zu Recht erkannt:

Normen

EGVG Art8 Fall2
PolStG NÖ 1975 §1 lita
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit
VwGG §42 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1987100022.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 30. Dezember 1986, Zl. I/2‑St‑8641, wurde der Erstbeschwerdeführer - in teilweiser Stattgebung seiner Berufung - einer Übertretung gemäß § 1 lit. a des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes, LGBl. 4000‑0, schuldig erkannt, er habe am 27. Dezember 1985 in der Zeit von 00.00 Uhr bis 01.00 Uhr im Bad seiner Wohnung durch Baden zur Unzeit (Nachtzeit) ungebührlicherweise störenden Lärm erregt; hiefür wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest in der Dauer von fünf Tagen, verhängt.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 1986, Zl. I/2‑St‑8646, wurde die Zweitbeschwerdeführerin - in teilweiser Stattgebung ihrer Berufung - einer Übertretung gemäß § 1 lit. a des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes, LGBl. 4000‑0, schuldig erkannt, sie habe am 27. Dezember 1985 in der Zeit von 00.00 Uhr bis 01.00 Uhr im Bad ihrer Wohnung durch Baden zur Unzeit (Nachtzeit) ungebührlicherweise störenden Lärm erregt; hiefür wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest in der Dauer von 60 Stunden, verhängt.

2. In dem vom Erstbeschwerdeführer gegen den unter 1.1. und von der Zweitbeschwerdeführerin gegen den unter 1.2. bezeichneten Bescheid erhobenen Beschwerden wird - mit übereinstimmender Begründung - inhaltliche Rechtswidrigkeit des jeweils angefochtenen Bescheides geltend gemacht, wobei sich die Beschwerdeführer ihrem gesamten Beschwerdevorbringen zufolge jeweils im Recht darauf verletzt erachten, nicht der ihnen jeweils angelasteten Übertretung schuldig erkannt und hiefür auch nicht bestraft zu werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden wie folgt erwogen:

1.1. Gemäß § 1 lit. a des Niederösterreichischen Polizeistrafgesetzes, LGBl. 4000‑0, begeht, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,-- oder mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

1.2. Lärm ist dann störend, wenn er seiner Art und/oder seiner Intensität nach geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu beeinträchtigen. Lärm wird ungebührlicherweise erregt, wenn das Verhalten, das zur Erregung des Lärms führt, jene Rücksicht vermissen läßt, die im Zusammenleben verlangt werden kann. Strafbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung - nach einem objektiven Maßstab - geeignet erscheint, von anderen, nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (so die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. statt vieler das Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Zl. 83/10/0298).

2.1. Die belangte Behörde hat laut Begründung der angefochtenen Bescheide ‑ in Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Berufungsvorbringen - aufgrund der Aussagen der Zeugen AP und GP als erwiesen angenommen, daß der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin (es handelt sich um ein Ehepaar) in der inkriminierten Zeit ein „geräuschvolles Bad“ genommen hätten. Aus diesen - glaubwürdigen - Aussagen ergebe sich, daß die Geräusche so laut gewesen seien, daß die beiden Zeugen dadurch aufgeweckt worden seien; daraus folge, daß deren Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt worden sei.

2.2. Die Beschwerdeführer haben ihre in den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse gegen die Beweiskraft der vorgenannten Zeugenaussagen erhobenen Einwände in ihren Beschwerden nicht aufrechterhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung im Wege der (freien) Beweiswürdigung als maßgeblichen Sachverhalt das Nehmen eines „geräuschvollen Bades“, mithin das Baden unter erheblicher Geräuschentwicklung durch die Beschwerdeführer zugrunde gelegt hat.

Daß der solcherart erzeugte Lärm nach einem objektiven Maßstab geeignet war, das Wohlbefinden anderer, nicht beteiligter (normal empfindender) Menschen zu beeinträchtigen, somit das Tatbestandselement des „Störenden“ verwirklicht worden ist, durfte die belangte Behörde bei dem aufgrund der von ihr, wie dargetan, zu Recht als unbedenklich gewerteten Zeugenaussagen festgestellten Sachverhalt frei von Rechtsirrtum annehmen.

Wenn die Beschwerdeführer in der jeweiligen Begründung der bekämpften Bescheide Ausführungen zur Ungebührlichkeit des zur Last gelegten Verhaltens vermissen, so trifft dieser Einwand zwar an sich zu, zeigt jedoch keine Rechtswidrigkeit der Bescheide auf. Die im jeweiligen (von der belangten Behörde bestätigten) erstinstanzlichen Schuldspruch enthaltene - und von den Beschwerdeführern unbestritten gebliebene - Zeitangabe „von 00.00 Uhr bis 01.00 Uhr“ spricht für sich; sie reicht - ohne daß es weiterer diesbezüglicher Darlegungen in der Bescheidbegründung bedurfte - hin, um das von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Verhalten der Beschwerdeführer als ein solches auszuweisen, das jene Rücksicht, wie sie im Zusammenleben der Menschen verlangt werden kann, vermissen läßt. Daraus folgt, daß die von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion der - jeweils angelasteten Tat auch in Ansehung des Merkmales des „Ungebührlichen“ mit der Rechtslage in Einklang steht.

3. Die im folgenden dargestellten Beschwerdeeinwände vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern:

3.1. Das von den Beschwerdeführern postulierte Recht darauf, in der eigenen Wohnung zu jeder Zeit baden zu dürfen, ist - anders als es offenbar die Beschwerdeführer verstehen - kein absolutes. Wenngleich niemandem - auch wenn er, wie die Beschwerdeführer ihren Behauptungen zufolge, in einem infolge seiner Konstruktion die Übertragung von Geräuschen begünstigenden Gebäude wohnt - verwehrt werden kann, die mit dem normalen Bewohnen der Räume einer Wohnung verbundenen Verrichtungen, somit auch das Nehmen eines Bades, durchzuführen, so darf dies doch nicht in einer die Wohnungsnachbarn aufgrund damit einhergehender Lärmentwicklung - objektiv gesehen - „störend“ und „ungebührlichen“ Weise (oben II. 1.2.) geschehen. Sollte dies, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich sein, so sind derartige Verrichtungen zu unterlassen. Die Tatsache, daß die Bauart eines Hauses die Weiterleitung von Geräuschen begünstigt, so zwar, daß ein in einem weniger lärmdurchlässig ausgeführten Gebäude erzeugter, dort weder als „störend“ noch als „ungebührlich“ zu wertender Lärm hier zu einem mit diesen Merkmalen behafteten wird, geht - entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Meinung - zu Lasten desjenigen, der diesen störenden und ungebührlichen Lärm verursacht. (Vgl. zum Vorstehenden das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1956, Zlen. 2907, 2908/55.)

3.2. Die Rüge, daß der jeweilige (von der belangten Behörde bestätigte) erstinstanzliche Schuldspruch nur ausführe, daß das Baden ungebührlicherweise störender Lärm sei, ohne die verba legalia mit „faktischen Begriffen“ auszufüllen, hat offenbar - ohne dies ausdrücklich zu sagen - die Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 im Auge.

Nach dieser Bestimmung hat der Spruch (eines Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das heißt, daß jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Dazu ist es erforderlich, einerseits dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, diesen Tatvorwurf zu widerlegen, anderseits den Spruch so zu fassen, daß er geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis wird demnach nicht zur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den vorgenannten Rechtsschutzgesichtspunkten zu messendes sein (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß in den Beschwerdefällen den bezeichneten Anforderungen des § 44a lit. a VStG 1950 Genüge getan worden ist, da es im Hinblick auf das Tatbild der Erregung ungebührlicherweise störenden Lärms ‑ bezogen auf die vorliegenden Fälle - nicht auf die einzelnen mit dem Baden verbundenen (vielfach gar nicht identifizierbaren) Handlungen, sondern auf die damit verbundene Lärmentwicklung ankommt. Der Umstand, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführern nicht auch spruchmäßig den von ihr jeweils als erwiesen angenommenen maßgeblichen Sachverhalt „geräuschvollen“ Badens vorgeworfen hat, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide, ist doch nicht zu erkennen (und wurde derartiges von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet), daß hiedurch der Rechtsschutz der Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel der vorhin dargestellten Aspekte eine Schmälerung erfahren hätte.

3.3. Die Meinung der Beschwerdeführer, der ihnen vorgeworfene Sachverhalt sei dem des Badens um 12.00 Uhr mittags unter der Voraussetzung gleichzuhalten, daß ein Mitbewohner des Hauses Schichtarbeiter sei, der in der Nacht arbeite und tagsüber schlafe, was dazu führe, daß auch diesfalls durch das Baden unzulässigerweise ein Dritter (der betreffende Mitbewohner) in seinem „Recht auf Ruhe“ verletzt werde, bedarf schon deshalb keiner weiteren Erörterung, weil nicht dieser hypothetische Sachverhalt, sondern die den Beschwerdeführern tatsächlich zur Last gelegten Tathandlungen Gegenstand der den vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden angefochtenen Bescheide vom 30. Dezember 1986 sind.

4. Da nach dem Gesagten die von den Beschwerdeführern jeweils behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, sind die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. März 1987

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