Normen
AgrBehG 1950 §7 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z4;
AVG §61 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
WWSLG Tir 1952 §38;
WWSLG Tir 1952 §39;
WWSLG Tir 1952 §41;
AgrBehG 1950 §7 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z4;
AVG §61 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
WWSLG Tir 1952 §38;
WWSLG Tir 1952 §39;
WWSLG Tir 1952 §41;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.866,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 13. Juni 1984 hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) gemäß § 39 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl. Nr. 21/1952 (in der Folge kurz: WWSG), ein Neuregulierungsverfahren hinsichtlich der Wald- und Weidenutzungsrechte an der "P-alpe" eingeleitet.
Mit weiterem Bescheid vom 9. Dezember 1985 hat die AB gemäß § 38 in Verbindung mit § 41 WWSG einen Anhang zur Servitutenregulierungsurkunde vom 25. April 1888, Nr. 8125/341, mit welcher die Einforstungsrechte der P-alpe im Bundesforstwald geregelt wurden, in der Form erlassen, daß der Punkt 4 der Bedingungen für die Weidenutzung dahingehend ergänzt wurde, daß
"a) das Weiderecht auf dem auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich liegenden Teil der P-alpe, das ist der Gutsbestand der Liegenschaft in EZl. 83 II KG. X, Eigentümer JS, und dem in der genannten Urkunde unter Punkt 1. 'Belastetes Objekt' beschriebenen Teil der Gp. 281 in EZl. 43 II KG. X im Ausmaße von ca. 350 ha, Eigentümer Republik Österreich, Österr. Bundesforste, mit 18 1/8 Kuhgräsern während der urkundlichen Weidezeit ausgeübt werden kann und
b) von diesen 18 1/8 Kuhgräsern 12 5/8 Kuhgräser auf der im Eigentum der Österr. Bundesforste stehenden belasteten Flächen zu bedecken sind."
Am Ende der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides führte die AB aus, daß die Verfassung dieses Anhanges zur Servitutenregulierungsurkunde ausreichend erscheine, da keine Abänderung der Urkunde, sondern lediglich eine Klarstellung des Umfanges des Rechtes Gegenstand dieses Bescheides sei.
Gegen diesen Bescheid haben sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Mitbeteiligte (MB) Berufungen erhoben.
Mit Bescheid vom 17. April 1986 hat der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) den Bescheid der AB vom 9. Dezember 1985
"behoben und in der Sache entschieden, daß den auf Neuregulierung des Weiderechtes zugunsten der Gp. 282 in EZl. 83 II KG. X (Servitutenregulierungsurkunde vom 25.4.1888, Nr. 8125/341, verfacht am 22.6.1888, nach den in dieser Urkunde bestehenden Bedingungen für die Ausübung der Weide) abzielenden Anträgen (JS vom 2.3.1980, Anregungen und Anträge der Österr. Bundesforste vom 3.1.1980, vom 23.3.1982 sowie vom 17.8.1983) keine Folge gegeben wird."
Zu diesem Ergebnis gelangte der LAS begründend im wesentlichen deshalb, weil seiner Auffassung nach der österreichische und der bayrische Teil der P-alpe als ein einheitliches Weidegebiet anzusehen sei und dem urkundlichen Rechtsbestand entsprechend derzeit auch der bayrische Teil der Palm durch den MB mitbeweidet werde. Unter diesen Voraussetzungen bestehe keine Veranlassung, die in der Servitutenregulierungsurkunde aus dem Jahr 1888 festgelegten Bedingungen für die Weideausübung im Zuge einer Neuregulierung zu ergänzen oder abzuändern. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei aus rechtlichen Gründen nicht zulässig, aber auch Neuregulierungsmaßnahmen in Ergänzung der Servitutenregulierungsurkunde, wie sie nach dem angefochtenen Bescheid erfolgt seien und von der Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 17. August 1983 inhaltlich beantragt worden seien, seien nach Ansicht des LAS bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht erforderlich.
Diesen Bescheid hat der LAS mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach "gemäß § 7 Abs. 2 Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 476/1974, ... gegen dieses Erkenntnis eine weitere Berufung nicht zulässig" sei.
Die Beschwerdeführerin hat den Bescheid des LAS sowohl mit einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof als auch - vorsichtshalber - mit einer an den Obersten Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) gerichteten Berufung bekämpft.
Die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 15. Juli 1986, Zl. 86/07/0109, mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, daß gegen den Bescheid des LAS entgegen dessen Rechtsmittelbelehrung gemäß § 7 Abs. 2 Z. 4 des Agrarbehördengesetzes 1950 idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 476/1974 (AgrBehG 1950) die Berufung an die belangte Behörde offengestanden und daher der administrative Rechtszug nicht erschöpft sei.
Unabhängig davon hat die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LAS erhobene Berufung "gemäß § 1 AgrVG 1950; § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Agrarbehördengesetz 1950 in der Fassung der Agrarbehördengesetznovelle 1974" ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen. Das angefochtene Erkenntnis des LAS stelle zwar eine abändernde Entscheidung dar, doch handle es sich darin weder um Fragen des Bestandes von Wald- und Weidenutzungsrechten noch darum, wer berechtigt oder verpflichtet sei. Auch enthalte weder der erstinstanzliche Bescheid noch jener des LAS eine Neuregulierung, deren Gesetzmäßigkeit zu prüfen wäre. Der LAS habe lediglich den die Servitutenregulierungsurkunde auslegenden Feststellungsbescheid aufgehoben und zugleich den auf Neuregulierung abzielenden Anträgen der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Neuregulierung habe daher in diesem Verfahren gar nicht Gegenstand sein können, weshalb der Instanzenzug gemäß § 7 Abs. 1 AgrBehG 1950 beim LAS geendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, unter Hinweis auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 1986, Zl. 86/07/0109, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der MB hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde mit dem in derselben Angelegenheit ergangenen Zurückweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 1986, Zl. 86/07/0109. Dieser Beschluß, mit welchem die Berufung an die belangte Behörde in dieser Sache ausdrücklich für zulässig erkannt worden ist, entfaltete zwar keine Bindungswirkung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG, zumal mit ihm nicht einer Beschwerde "stattgegeben" worden ist. Dessen ungeachtet sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im nunmehrigen Beschwerdefall schon deshalb rechtlich außerstande, von seiner in dem genannten Beschluß vertretenen Rechtsansicht abzugehen, weil durch ein solches Abgehen der Beschwerdeführerin endgültig jede Möglichkeit genommen würde, den Bescheid des LAS vom 17. April 1986 im administrativen Instanzenzug oder vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zu bekämpfen.
Aber auch ungeachtet dieser Überlegung sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, von seiner in der vorliegenden Angelegenheit bereits ausgesprochenen Auffassung abzugehen, wonach gegen den Bescheid des LAS die Berufung an die belangte Behörde offenstand. Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 4 AgrBehG 1950 ist nämlich die Berufung an den Obersten Agrarsenat gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates u.a. hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Ablösung oder Regulierung (Neu-, Ergänzungsregulierung) von Wald- und Weidenutzungs-rechten zulässig.
Mit dem in dieser Angelegenheit in erster Instanz ergangenen Bescheid wurde ein über Parteienantrag rechtskräftig eingeleitetes Neuregulierungsverfahren in der Form zum Abschluß gebracht, daß die urkundlichen Bedingungen für die Weidenutzung in einer bestimmten Weise ergänzt wurden. Ob hiebei die Agrarbehörde erster Instanz davon ausging, frühere einschlägige Normen oder einen bestehenden Rechtszustand zu interpretieren, oder ob sie der Ansicht war, einen bestehenden Rechtszustand abzuändern, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliche Bedeutung. Feststeht, daß die Behörde erster Instanz Bedingungen für die Weidenutzung spruchgemäß ergänzt hat. Der LAS hat diesen Bescheid dahingehend abgeändert, daß den Neuregulierungsanträgen keine Folge zu geben sei und daß daher auch Neuregulierungsmaßnahmen, wie sie im Bescheid der AB erfolgt seien, nicht erforderlich wären. Es handelte sich daher beim besagten Bescheid des LAS um ein abänderndes Erkenntnis hinsichtlich der Frage der Gesetzmäßigkeit der Neu- bzw. Ergänzungsregulierung von Wald- und Weidenutzungsrechten, gegen welches gemäß § 7 Abs. 2 Z. 4 AgrBehG 1950 die Berufung an den Obersten Agrarsenat zulässig war. Die Voraussetzungen für die Anrufbarkeit des Obersten Agrarsenates nach § 7 Abs. 2 AgrBehG 1950 liegen unabhängig davon vor, welchen Rechtsstandpunkt die zweite Instanz in ihrer abändernden Entscheidung eingenommen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 23. Juni 1987
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