VwGH 86/16/0122

VwGH86/16/01221.12.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der R Gesellschaft m.b.H. in R, vertreten durch Dr. Franz Helbich, Rechtsanwalt in Wien I, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 27. März 1986, Zl. 1662-4/1985, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs4
BAO §21
BAO §307 Abs2
GrEStG 1955 §1 Abs3 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986160122.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Mai 1985 setzte das Finanzamt Feldkirch, Abteilung für Gebühren und Verkehrsteuern, gegenüber der Beschwerdeführerin für den Rechtsvorgang "Abtretungsvertrag vom 29. 12. 1980. Vereinigung aller Anteile gemäß 1(3) Z. 1 GrEStG", ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von S 2,521.000,-- , 8 % Grunderwerbsteuer in Höhe von S 201.680,-- fest.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Vorarlberg die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung als unbegründet ab. Sie führte zur Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, mit Notariatsakt vom 15. Dezember 1980 sei die "R Gesellschaft m.b.H."

mit einem Stammkapital in Höhe von S 39,201.000,-- gegründet worden. In diese Gesellschaft habe die Beschwerdeführerin in Anrechnung auf ihre Stammanteile in Höhe von S 39,200.000,-- ihren Betrieb mit allen Aktiven und Passiven einschließlich aller Rechtsbeziehungen und Verpflichtungen sowie Betriebsliegenschaften unter Inanspruchnahme der Bestimmungen des Art. I des Strukturverbesserungsgesetzes idgF als Sacheinlage eingebracht. Als zweiter Gesellschafter habe FR eine Stammeinlage in Höhe von S 1.000,-- übernommen. Mit Abtretungsvertrag vom 29. Dezember 1980 habe FR seinen Geschäftsanteil an der genannten Gesellschaft an die Beschwerdeführerin übertragen, wodurch diese alleinige Gesellschafterin der gegenständlichen Kapitalgesellschaft geworden sei. Zufolge dieser Anteilsvereinigung habe das Finanzamt Feldkirch mit Bescheid vom 23. Mai 1985 die oben erwähnte Grunderwerbsteuer festgesetzt.

Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach Hinweis auf die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG und der §§ 1 und 2 Strukturverbesserungsgesetz aus, der Beschwerdeführerin sei durchaus dahin beizupflichten, daß die bei Gründung der gegenständlichen Kapitalgesellschaft erfolgte Verschmelzung einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Dieser Rechtsvorgang sei aber nicht Gegenstand der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Steuerfestsetzung, Besteuerungsgegenstand vielmehr die Vereinigung aller Anteile in einer Hand gewesen. Mit Abtretungsvertrag vom 29. Dezember 1980, also nach erfolgter Verschmelzung, habe FR seinen Geschäftsanteil an der in Rede stehenden Gesellschaft in rechtskräftiger Form an die Beschwerdeführerin übertragen, wodurch sämtliche Anteile der gegenständlichen Kapitalgesellschaft in der Hand der Beschwerdeführerin vereinigt worden seien. Da zum Vermögen der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Anteilsvereinigung unbestrittenermaßen Grundstücke gehört hätten, sei die Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG für diesen Rechtsvorgang gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg sei darauf verwiesen, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Oktober 1987, B 1098/86-8, die von der dort beschwerdeführenden Gesellschaft vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG nicht geteilt und sich nicht veranlaßt gesehen hat, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten; dies insbesondere deshalb, weil die Befreiungsbestimmungen des § 3 Z. 7 und des § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG gerade auf den Fall der Anteilsvereinigung nicht anwendbar seien. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt aus dem zuletzt genannten Grunde gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier anzuwendenden Bestimmung keine Bedenken.

Nach der genannten Gesetzesstelle unterliegt der Steuer, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, außerdem (d.h. neben den in Abs. 1 und 2 dieser Gesetzesstelle genannten Rechtsvorgängen) u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Abgabepflichtiger Tatbestand nach dieser Gesetzesstelle ist also nicht der Grundstückserwerb als solcher, sondern die Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand. Dadurch soll verhindert werden, daß auch ein völliger Wechsel aller Mitglieder der Gesellschaft niemals zur Einhebung einer Grunderwerbsteuer vom Grundbesitz führen könnte (vgl. hiezu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 1984, Slg. Nr. 5909/F, vom 30. Mai 1985, Slg. Nr. 6005/F, und vom 5. September 1985, Zl. 85/16/0075).

Die Beschwerdeführerin behauptet, FR habe für sie lediglich als Treuhänder bzw. "Gründungshelfer" eine Stammeinlage in Höhe von S 1.000,-- übernommen. Schon bei Gründung der R Gesellschaft m.b.H. habe die Absicht bestanden, daß schließlich die Beschwerdeführerin sämtliche Anteile an der neugegründeten Gesellschaft m.b.H. halten solle. Wirtschaftlich betrachtet seien immer sämtliche Anteile an der R Ges.m.b.H. in der Hand der Beschwerdeführerin vereinigt gewesen, so daß die am 29. Dezember 1980 stattgefundene Abtretung des Gründerhelferanteiles keine neuerliche Vereinigung der Anteile in einer Hand mit sich gebracht habe und auch keine Grunderwerbsteuerpflicht habe auslösen können.

Dieses Vorbringen stellt allerdings eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar. Abgesehen davon ist es zwar richtig, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. März 1964, Zl. 2085/64 (Slg. Nr. 3047/F) ausgesprochen hatte, die Vereinigung aller Anteile in einer Hand könne auch durch Vereinigung in der Hand des Erwerbers und eines von ihm bestellten Treuhänders erfüllt werden (sogenannte mittelbare oder "wirtschaftliche" Anteilsvereinigung).

Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 1984, Zl. 82/16/0069 (Slg. Nr. 5909/F) dargetan und in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zlen. 83/16/0157, 85/16/0052 (Slg. Nr. 6005/F) bekräftigt hat, kann diese Rechtsansicht zufolge der seither geänderten Rechtslage (Aufhebung der im § 1 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. früher enthaltenen Worte "oder in der Hand des Erwerbers und seines Ehegatten oder seiner Kinder" durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1964, Slg. Nr. 4764/1964, als verfassungswidrig) nicht mehr aufrechterhalten werden. In den beiden genannten Erkenntnissen sowie im Erkenntnis vom 5. September 1985, Zl. 85/16/0075, und in den dort angeführten weiteren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof überdies darauf verwiesen, daß auch dann, wenn bereits bei Gründung der Gesellschaft ein Anteil von einem Treuhänder des anderen Gesellschafters gehalten wurde und nunmehr durch Übertragung dieses Treuhandanteiles an den Treugeber eine Anteilsvereinigung herbeigeführt wird, erst durch die rechtliche Anteilsübertragung eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG stattfindet.

Wenn sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 21 BAO beruft, ist darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Tatbestände des Grunderwerbsteuerrechtes in der Hauptsache an die äußere zivilbzw. formalrechtliche Gestaltung anknüpfen und daraus abgabenrechtliche Folgen ableiten. Bei solchen Tatbeständen ist daher schon aus dem Tatbestandsmerkmal heraus bei Beantwortung der Frage, ob der Sachverhalt unter eine Norm subsumiert werden kann, die entsprechende formalrechtliche Beurteilung geboten und nur in diesem tatbestandsmäßig vorgegebenen Rahmen für die wirtschaftliche Betrachtungsweise ein Raum gegeben (vgl. auch hiezu das Erkenntnis vom 5. September 1985, Zl. 85/16/0075, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Die Beschwerdeführerin meint weiters, die Parteien des Abtretungsvertrages vom 29. Dezember 1980 hätten auf Grund des bereits erwähnten Erkenntnisses vom 16. März 1964, Zl. 2085/63 (Slg. Nr. 3047/F), mit Recht davon ausgehen können, daß durch die im Beschwerdefall erfolgte Abtretung keinerlei Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst würde. Die nunmehrige geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung widerspreche eindeutig dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Nun trifft es zwar zu, daß der Grundsatz von Treu und Glauben an sich auch im Abgabenverfahren Geltung hat (hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1979, Zl. 1752/77). Er hat jedoch dort seine Grenze, wo die gesetzlichen oder auf der Stufe des Gesetzes stehenden sonstigen Vorschriften ein besonderes Verhalten, sei es der Behörde, sei es der Partei, fordern. In einem Abgehen von einer früheren, wenn auch ständigen Verwaltungsübung oder von einer vordem als maßgebend angesehenen Rechtsauffassung oder Tatsachenwürdigung kann kein Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt werden (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, S. 412). Der Grundsatz von Treu und Glauben besteht auch nicht darin, ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit zu schützen. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen lassen, wie dies z. B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1981, Slg.Nr. 5633/F), oder wenn etwa das Ergebnis einer Betriebsprüfung den Abgabepflichtigen dazu veranlaßt hat, unter Anerkennung der Auffassung der Behörde von ihm bereits erhobene Rechtsmittel zurückzuziehen (Erkenntnis vom 14. Dezember 1982, Zl. 82/14/0036). Derartige besondere Umstände werden von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.

Die Beschwerdeführerin verweist weiters auf die Vorschrift des § 307 Abs. 2 BAO und meint sinngemäß, daß dieser Grundsatz auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden sei.

Nach der genannten Gesetzesbestimmung darf im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens in der Sachentscheidung eine seit Erlassung des früheren Bescheides eingetretene Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf eine allgemeine Weisung des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, daß es sich nach Lehre (Stoll, BAO-Handbuch, Seite 736) und Rechtsprechung (Erkenntnis vom 22. Oktober 1981, Zlen. 81/16/0179 und 0180) bei der Vorschrift des § 307 Abs. 2 BAO um einen Sonderfall handelt, dessen Regelung über den Bereich der genannten Gesetzesstelle hinaus nicht angewendet werden darf.

Die Beschwerdeführerin bringt schließlich vor, im Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 5. April 1982 betreffend den Einheitswert der R Gesellschaft m.b.H. seien zum Stichtag 1. Jänner 1980 keine Betriebsgrundstücke enthalten. Erstmals im Bescheid über den Einheitswert der R Gesellschaft m.b.H. zum Stichtag 1. Jänner 1981 (ebenfalls vom 5. April 1982) seien Betriebsgrundstücke im Wert von S 2,521.000,-- enthalten. Daraus ergebe sich, daß im Betriebsvermögen der R Gesellschaft m.b.H. an dem für die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG maßgeblichen Stichtag nämlich dem Tag der Abtretung (29. Dezember 1980), keine Grundstücke enthalten gewesen seien.

Mit diesem Vorbringen verstößt die Beschwerdeführerin in tatsächlicher Hinsicht abermals gegen das aus § 41 VwGG ableitbare, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden nicht bestritten, daß zum Vermögen der genannten Gesellschaft zum Zeitpunkt der Abtretung des Geschäftsanteiles des FR, Grundstücke mit dem im Bescheid der Behörde erster Instanz genannten Einheitswert gehörten.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes haftet dem angefochtenen Bescheid daher nicht an.

In ihrer Verfahrensrüge bemängelt die Beschwerdeführerin, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Einheitswert der Liegenschaften mit S 1,521.000,-- anstatt mit richtig S 2,521.000,-- beziffert wird. Hiebei handelt es sich jedoch, wie ein Vergleich mit dem Bescheid der ersten Rechtsstufe zeigt, um einen bloßen Schreibfehler, der von der belangten Behörde jederzeit hätte berichtigt werden können. Von einem wesentlichen Verfahrens-(Begründungs‑)Mangel kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen Wien, am 1. Dezember 1987

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