Normen
AVG §45 Abs3
AVG §51
StVO 1960 §11 Abs1
StVO 1960 §5 Abs2
VStG §24
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §40 Abs1
VStG §40 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986030199.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er am 20. November 1984 um ca. 7.45 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen und der Type nach bestimmten Pkws auf der Inntalautobahn A‑12 im Gemeindegebiet von Innsbruck bei km 80 in westliche Richtung fahrend ohne sich entsprechend ausreichend und gewissenhaft davon zu überzeugen, ob ein Fahrstreifenwechsel ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, unmittelbar vor einem auf der Überholspur fahrenden Zivilstreifenfahrzeug vom rechten auf den linken Fahrstreifen gewechselt habe, wodurch der Lenker des Zivilstreifenfahrzeuges stark habe abbremsen müssen, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,‑ ‑ (Ersatzarrest 2 Tage) verhängt. Nach der Begründung ergebe sich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tatbestand aus der Anzeige im Zusammenhalt mit den Aussagen (der als Zeugen vernommenen Insassen des Zivilstreifenfahrzeuges) vom 2. Mai und 15. Mai 1985. Das Zivilstreifenfahrzeug habe eine überhöhte Geschwindigkeit innegehabt. Der Beschwerdeführer selbst habe die vorgeschriebene höchstzulässige Geschwindigkeit eingehalten. Die Pflicht, sich von der Gefahrlosigkeit des beabsichtigten Fahrstreifenwechsels zu überzeugen, bestehe unabhängig davon, ob sich bei Bedachtnahme auf alle gegebenen Möglichkeiten (die) in Betracht kommenden Verkehrsteilnehmer ihrerseits richtig verhielten oder nicht. Ein Fahrstreifenwechsel habe schon dann zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben sei; eine Behinderung liege insbesondere dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen oder Auslenken genötigt werde. Insbesondere bei den auf Autobahnen gefahrenen sehr hohen Geschwindigkeiten wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, sich ausreichend zu vergewissern, daß ein Fahrstreifenwechsel ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei. Es sei einem Kraftfahrer auch zuzumuten, bei einem Pkw, den er nur im Rückspiegel sehe, zu beurteilen, ob dieser sich langsam oder rasch nähere und ob ein Fahrstreifenwechsel noch möglich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht Verjährung geltend, weil ihm eine Verwaltungsübertretung mit der Tatzeit „20.11.1984, ca. 7.45 Uhr“ von der Behörde erst im angefochtenen Bescheid vom 8. August 1986 vorgeworfen worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Verjährung nach § 31 Abs. 1 VStG 1950 durch jede taugliche Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 leg. cit. ausgeschlossen wird. Verfolgungshandlung ist nach der letztgenannten Bestimmung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Auch die Vernehmung eines Zeugen stellt eine geeignete Verfolgungshandlung dar, wenn daraus hervorgeht, daß die Behörde einen bestimmten Vorwurf gegen den Beschuldigten erhebt, zu dem der Zeuge befragt wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zl. 84/02/0292, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Beschwerdefall gab der am 2. Mai 1985 vernommene Zeuge P an, daß er sich „grundsätzlich“ den Angaben des Anzeigers in der Anzeige vom 28. November 1984 anschließe. Der am 15. Mai 1985 vernommene Zeuge D erklärte, die Angaben, die er in der Anzeige vom 28. November 1984 gemacht habe, zu seiner Zeugenaussage zu erheben. In dieser Anzeige vom 28. November 1984 wurde aber die Tatzeit mit „20.11.1984, ca. 7.45 Uhr“, angegeben. Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand der Verjährung ist daher schon im Hinblick auf die innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist erfolgten Vernehmungen der genannten Zeugen unbegründet.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, daß die Frage, „ob eine Gefährdung oder Behinderung des nachfolgenden Fahrzeuges erkennbar war“, erst nach seiner Vernehmung beantwortet werden könne. Gerade wenn das nachfolgende Fahrzeug ‑ wie der Beschwerdeführer behauptet ‑ eine weitaus höhere Fahrgeschwindigkeit einhielt als er selbst, hätte er bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit umso eher dessen rasches Herannahen und die dadurch bewirkte Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung dieses Fahrzeuges durch den von ihm beabsichtigten Fahrstreifenwechsel erkennen können. Da der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren von der ihm eingeräumten Möglichkeit, sich schriftlich zu rechtfertigen, Gebrauch machte und eine persönliche Einvernahme des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren nicht zwingend vorgesehen ist, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie von einer Vernehmung des Beschwerdeführers Abstand nahm (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1986, Zl. 86/03/0076).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 25. Februar 1987
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