Normen
StVO 1960 §11 Abs1
StVO 1960 §18 Abs1
StVO 1960 §20 Abs2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VStG §44a Z1 implizit
VwGG §49 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1985180111.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. März 1981 wurde der Beschwerdeführer, nachdem er gegen die vorangegangene Strafverfügung derselben Behörde vom 23. Juli 1980 rechtzeitig Einspruch erhoben hatte, für schuldig erkannt, er habe am 22. Juli 1980 um 20.55 Uhr in Wien II, Aspernallee‑Handelskai als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw‘s die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe und im Falle der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung bestätigte die Wiener Landesregierung mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich sowie in der Schuldfrage mit der Ergänzung, daß der Tatort „Wien II, Aspernallee ab Lusthaus bis vor Einbiegung Handelskai und Handelskai nach Einbiegung Aspernallee bis vor Abfahrt Prater‑Hochstraße“ zu lauten habe.
In der Begründung faßte die belangte Behörde das Berufungsvorbringen dahingehend zusammen, der Beschwerdeführer bestreite die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung mit der Begründung, daß eine Geschwindigkeitsschätzung durch den Meldungsleger als Beweismittel insofern unzulässig sei, als dieser mit dem Streifenkraftwagen ohne Verwendung von Blaulicht oder Folgetonhorn schneller als 50 km/h gefahren sei. Dadurch hätte der Meldungsleger ebenfalls eine Verwaltungsübertretung begangen, weshalb das durch diese unzulässige Handlung erlangte Beweismittel von der Behörde nicht verwendet hätte werden dürfen. Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde entgegen, der Meldungsleger habe die Geschwindigkeit des Streifenkraftwagens auf der genannten Strecke mit 50 km/h angegeben. Der Meldungsleger habe die Geschwindigkeit nicht durch das Nachfahren mit dem Streifenkraftwagen, sondern vielmehr auf Grund seiner Straßendiensterfahrung geschätzt.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 5. August 1986 gab der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seine vorläufige Rechtsansicht dahingehend bekannt, daß die im angefochtenen Berufungsbescheid verwendete Tatortumschreibung „Wien II, Aspernallee ab Lusthaus bis vor Einbiegung Handelskai und Handelskai nach Einbiegung Aspernallee bis vor Abfahrt Prater‑Hochstraße“ dem im § 44a lit. a VStG 1950 statuierten Konkretisierungsgebot nicht entsprechen könnte. Im Erkenntnis vom 9. Dezember 1983, Zl. 81/02/0370 habe der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß eine Tatortumschreibung „Wien XIII, Schönbrunner Schloßstraße nach der Kennedybrücke in Richtung Stadt“ im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 zu unpräzise sei, zumal daraus überhaupt nicht zu erkennen sei, in welcher Entfernung nach der Kennedybrücke die Tat begangen worden sein soll. Weiters habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. März 1985, Zl. 85/18/0178, unter Bezugnahme auf das zuletzt zitierte Erkenntnis ausgesprochen, daß dem Wort „nach“, im Gegensatz zur Bezeichnung „nächst“, überhaupt keine räumliche Abgrenzung entnommen werden könne. Schließlich sei der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. September 1985, Zl. 85/18/0307, zur Ansicht gelangt, daß für die Verwendung des Wortes „vor“ zur Tatortbezeichnung im Hinblick auf das Konkretisierungserfordernis des § 44a lit. a VStG 1950 dieselben Erwägungen und Maßstäbe wie für das Wort „nach“ zu gelten hätten. Eine Umschreibung des Tatortes mit den Wörtern „in Wien X bzw. in Wien XI, auf der Südosttangente vor der Ausfahrt Landstraße“ sei demzufolge ebensowenig präzise bzw. individualisiert, zumal daraus überhaupt keine räumliche Abgrenzung entnommen werden könne. Aus den dargelegten Erwägungen könnte daher der Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet sein.
Die belangte Behörde erklärte zur Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes von einer Äußerung Abstand zu nehmen; der Beschwerdeführer teilt in seiner Stellungnahme im wesentlichen die vorläufige Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof erhebt seine in der Verfügung vom 5. August 1986 geäußerte Rechtsansicht nunmehr zu seiner endgültigen.
Gemäß § 44a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie u.a. aus dem Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zl. 82/06/0030, zu entnehmen ist, gehört es zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist. Dadurch, daß die belangte Behörde bei der Bezeichnung des Tatortes die Worte „vor“ und „nach“ verwendete, hat sie dem im § 44a lit. a VStG statuierten Konkretisierungsgebot nicht ausreichend Rechnung getragen, denn eine solche Umschreibung ist nicht geeignet, einen bestimmten Tatort räumlich exakt abzugrenzen.
Schon aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, nicht mehr einzugehen auf Grund der bereits Strafverjährung verwehrt ist, einen Ersatzbescheid zu erlassen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die zur Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes erstattete Äußerung des Beschwerdeführers vom 2. September 1986 der gesonderte Einsatz von Schriftsatzaufwand nicht vorgesehen ist (vgl. den hg. Beschluß vom 23. Oktober 1968, Slg. N. F. Nr. 7428/A).
Wien, am 17. Juni 1987
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