VwGH 85/06/0062

VwGH85/06/006219.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mottl, über die Beschwerde der Firma S AG, in W, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 8/1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Oktober 1984, Zl. 03‑12 Stu 8‑84/1, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 lita idF 1983/009
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 lith idF 1983/009
BauO Stmk 1968 §73 Abs2
BauRallg
B-VG Art15

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1985060062.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin befaßt sich (laut Beschwerde) vornehmlich mit Straßen- und Tiefbauten auf industrieller Basis. Im Zuge der Errichtung der Süd‑Autobahn übernahm die Beschwerdeführerin im Rahmen der bestehenden Arbeitsgemeinschaft u.a. die Aufgabe, das Autobahnlos Schäffern‑Pinggau mit Heißmischgut zu beliefern und dieses auf die Fahrbahn der Autobahn aufzubringen. Um das Heißmischgut (Asphalt) herzustellen, bedarf es der Errichtung einer Heißmischanlage, die Sand, Bitumen und sonstige Zusatzstoffe mischt und die Mischung auf eine Temperatur von 180 bis 200 Grad erhitzt, sodaß das erhitzte Material die notwendige Eigenschaft erhält und einbaufähig wird. Nach den in den Akten erliegenden Plänen und einer Betriebsanlagenbeschreibung bedarf eine solche Anlage (maximale Stundenleistung 120 t) eines Betonfundaments. Sie besteht aus zahlreichen Elementen, die bis zu 15,605 m hoch sind, abgesehen von einem rund 17 m hohen Schornstein.

Mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 7. Juli 1984 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, die im Zuge befindliche Errichtung der Heißasphaltmischanlage auf den Grundstücken Nr. 528 ff, alle KG Haideggendorf, sofort einzustellen und ihr jede (diesbezügliche) Bautätigkeit untersagt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Juli 1984 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 73 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 idgF, aufgetragen, die auf den genannten Grundstücken ohne Baubewilligung begonnenen und getätigten Bauarbeiten zur Errichtung der Heißasphaltmischanlage unverzüglich einzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Baubehörde sei von den Anrainern in Kenntnis gesetzt worden, daß die Beschwerdeführerin auf der laut Flächenwidmungsplan als Freiland gewidmeten Grundfläche mit Bauarbeiten zur Errichtung der Anlage begonnen habe. Nachdem sich die Behörde von der Richtigkeit der Mitteilung überzeugt habe, sei die Beschwerdeführerin zur Einstellung dieser Arbeiten mit dem oben zitierten Schreiben aufgefordert worden. Da sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei und die Bauarbeiten fortsetzte, sei nunmehr mit einer bescheidmäßigen Baueinstellung vorzugehen.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, daß im Rahmen der für das Autobahnlos notwendigen Baustelleneinrichtung mit der Errichtung der Heißmischanlage begonnen worden sei. Diese Asphaltmischanlage verfüge über die vorgeschriebenen Einrichtungen zum Schutz der Anrainer vor Immissionen. Die Errichtung dieser baustellenbedingten Mischanlage bedürfe keiner Bewilligung nach der Steiermärkischen Bauordnung im Hinblick auf § 57 Abs. 1 lit. h BO. Obzwar (auch) im Rahmen der Gewerbeordnung die derzeit in Aufstellung begriffene Anlage nicht als zusätzliche Betriebsanlage anzusehen sei und daher auch keiner gewerbebehördlichen Genehmigung unterliege, sei dennoch am 6. Juli 1984 bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg ein Ansuchen um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung eingebracht worden, da unter Umständen beabsichtigt sei, die Heißmischgutanlage nach Abschluß der jetzigen Autobahnbaustelle als definitiven zusätzlichen Gewerbebetrieb zu führen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 3. September 1984 wurde der Berufung nicht Folge gegeben. In der Begründung wurde dargelegt, es handle sich gegenständlich um eine solche bauliche Maßnahme, die nach § 57 Abs. 1 lit. a BO der Baubewilligung bedürfe.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung vertrat die Beschwerdeführerin abermals die Ansicht, es unterliege die Mischanlage nicht der baubehördlichen Bewilligungspflicht, zumal sie auf Betonplatten aufgestellt sei, die nach Beendigung der Baustelle im Herbst 1985 wieder entfernt würden. Es handle sich um eine transportable Anlage ohne dauerhafte Verbindung mit dem Boden. Im übrigen sei ein gewerbebehördliches Verfahren eingeleitet worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 1984 wurde die Vorstellung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 57 Abs. 1 lit. a BO bedürften Neubauten einer Bewilligung der Baubehörde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei unter einem Bau jede Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Ausmaß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren. Die Beschwerdeführerin vermeine, daß die Voraussetzung der Verbindung mit dem Boden nicht gegeben sei. Dazu sei festzustellen, daß nach der Rechtsprechung eine Verbindung mit dem Boden nicht etwa durch eine Fundamentierung, sondern auch durch das Einschlagen von Pfosten in den Boden herbeigeführt werde. Es komme nicht auf die rasche Montage- und Demontagemöglichkeit an, sondern darauf, ob die Anlage bei werkgerechter Herstellung im Boden sturm- und kippsicher verankert sein müsse. Dies treffe für die gegenständliche Anlage zu. Nach den vorhandenen Einreichplänen sei eine feste Verbindung mit dem Boden gegeben. Daß zur Herstellung ein wesentliches Ausmaß bautechnischer Kenntnisse erforderlich und die Anlage geeignet sei, die öffentlichen Interessen zu beeinträchtigen, stehe außer Zweifel. Die Anlage sei daher unabhängig von der Bestimmung des § 57 Abs. 1 lit. h BO jedenfalls gemäß § 57 Abs. 1 lit. a BO als Bauwerk bewilligungspflichtig. Die Steiermärkische Bauordnung kenne keine Ausnahme von der Bewilligungspflicht für vorübergehend errichtete bauliche Anlagen. Wohl aber sehe § 62 Abs. 4 leg. cit. eine zeitlich beschränkte Baubewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes vor. Unbestritten sei, daß eine baubehördliche Bewilligung nicht vorliege. Gemäß § 73 Abs. 2 BO sei bei Bauten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, die Baueinstellung zu verfügen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 23. Februar 1985, B 931/84, deren Behandlung abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung abgetreten. Aus den vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Akten ist zu entnehmen, daß die Anlage trotz der verfügten Baueinstellung fertiggestellt wurde.

In der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine in diese Richtung gehende Gegenschrift verfaßt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den gegenständlichen Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung des LGBl. Nr. 9/1983, von Bedeutung:

„§ 57

Bewilligungspflicht

(1) Einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen:

a) Neubauten oder Bauten, bei denen nach Abtragung oder Zerstörung eines bestehenden Baues dessen Grund und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden;

..........

h) die Aufstellung von Motoren, Maschinen, Apparaten und Gegenständen, wenn hiedurch die Festigkeit von Bauten beeinflußt oder eine Gefährdung oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung für die Nachbarschaft herbeigeführt werden könnte und die Aufstellung nicht in einer der Gewerbeordnung unterliegenden Betriebsanlage vorgenommen wird.“

Die Beschwerdeführerin bestreitet, wie bereits im Verwaltungsverfahren, daß die gegenständliche Heißasphaltmischanlage der baubehördlichen Bewilligungspflicht unterliegt. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorbringt, es handle sich um eine Baustelleneinrichtung, also eine bloß vorübergehende Maßnahme zur Betreuung einer Baustelle, ist ihr zu entgegnen, daß die Steiermärkische Bauordnung für bauliche Maßnahmen vorübergehenden Bestandes keine Ausnahme von der Bewilligungspflicht vorsieht.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters die Meinung vertritt, die gegenständliche Anlage sei schon deshalb nicht baubehördlich bewilligungspflichtig, weil unter einem Neubau im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a BO nur die Errichtung eines Gebäudes verstanden werden könne, verkennt sie die Rechtslage. Der Verwaltungsgerichtshof versteht unter dem Begriff „Neubauten“ des § 57 Abs. 1 lit. a BO nicht nur neue Gebäude, sondern auch (sonstige) bauliche Anlagen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1986, Zl. 86/06/0217). Unter einer baulichen Anlage ist, wie schon die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, jede Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 1. Auflage, S 29 f und die dort zitierte Judikatur). Demgemäß wurde auch eine bloß 6 x 3 m große Plakatwand (Tafel) im Hinblick auf die Verbindung des Bauwerks mit dem Boden sowie die Gefahr des Umstürzens einer solchen Tafel als Neubau im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. a BO qualifiziert (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1986), wobei es ohne Bedeutung ist, ob die bauliche Anlage auch noch nach einer anderen Bestimmung der Bewilligung unterliegt. Wie die Beschwerdeführerin selbst vorbringt, bedarf es zur Aufstellung der Anlage der Errichtung eines Betonfundaments zwecks Stabilisierung der verschiedenen Anlagenteile und ergibt sich auch aus den vorhandenen Plänen, daß jedenfalls eine sturm- und kippsichere Verankerung der einzelnen Teile der Anlage, die immerhin teilweise rund 15 m hoch sind, erforderlich ist. Mit Recht sind daher die Gemeindebehörden und insbesondere die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich bei einer solchen Heißasphaltmischanlage um eine nach § 57 Abs. 1 lit. a BO der Baubewilligungspflicht unterliegende bauliche Anlage handelt, und zwar unabhängig von der Bestimmung des § 57 Abs. 1 lit. h BO. Da die Anlage jedenfalls nach § 57 Abs. 1 lit. a BO baupolizeilich bewilligungspflichtig ist, ist es ohne Bedeutung, ob die Anlage (zusätzlich) auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf oder nicht. Die Beschwerdeführerin übersieht, daß es Vorhaben gibt, die allenfalls der Bewilligung durch verschiedene Behörden bedürfen.

Aber auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin erweist sich als nicht durchschlagend. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, im gewerbebehördlichen Verfahren habe sich ergeben, daß die gegenständliche Anlage durchaus ohne Beeinträchtigung der Anrainer betrieben werden könne, es sei aber vorliegend durch die Baubehörde nicht geprüft worden, inwiefern eine baubehördliche Bewilligung zulässig sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung erlangt werden kann oder nicht, für die Erlassung einer Baueinstellungsverfügung gemäß § 73 Abs. 2 BO ohne Bedeutung ist. Werden Bauarbeiten ohne die erforderliche Baubewilligung ausgeführt, so ist die Baueinstellung zu verfügen, und zwar unabhängig davon, ob in der Folge nicht doch aufgrund eines entsprechenden Bauansuchens dem Projekt die baubehördliche Genehmigung erteilt werden kann. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die §§ 69 Abs. 1 bzw. 70 Abs. 3 BO geht ins Leere, da sich diese Gesetzesstellen auf baubehördlich bewilligte Bauten beziehen.

Der belangten Behörde unterlief daher keine Rechtswidrigkeit, wenn sie zu der Auffassung gelangte, daß die Beschwerdeführerin durch die von den Gemeindebehörden gemäß § 73 Abs. 2 BO verfügte Baueinstellung in ihren Rechten nicht verletzt worden ist.

Da es somit der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 19. März 1987

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