European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986180167.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. April 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 12. Juli 1985 um 8.35 Uhr in Linz, Kreuzung Breitwiesergutstraße - Brucknerstraße einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw gelenkt zu haben, wobei festgestellt worden sei, daß am Lkw die behördlichen Kennzeichentafeln nicht angebracht gewesen seien und daher diese bei Verwendung dieses Kfz auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nicht geführt worden seien. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 lit. b KFG 1967 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden) verhängt wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen des Meldungslegers im Zusammenhalt mit den Stellungnahmen des Beschwerdeführers stehe fest, daß dieser am 12. Juli 1985 die Kennzeichentafeln für seinen Lkw von der Versicherung abgeholt habe, diese jedoch nicht am Fahrzeug montiert, sondern verpackt hinter die Windschutzscheibe gelegt habe. Er habe am linken Fenster der Hecktüre einen Karton angebracht, auf dem mit Kugelschreiber das Kennzeichen geschrieben gewesen sei, welches auf eine Entfernung von mehr als 5 m nicht mehr lesbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe diesen Lkw in der Folge von der Lissagasse in Richtung Brucknerstraße gelenkt und sei an der Kreuzung mit der Breitwiesergutstraße von zwei Polizisten angehalten worden, wobei festgestellt worden sei, daß am Lkw keine behördlichen Kennzeichen angebracht gewesen seien. Die Aussagen der Meldungsleger seien glaubhaft und widerspruchsfrei, sie seien auch seitens des Beschwerdeführers nicht bestritten worden. Da es sich bei den genannten Straßenzügen um Straßen mit öffentlichem Verkehr handle, sei vom Beschwerdeführer der Tatbestand des § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 lit. b KFG 1967 erfüllt worden. Die Auffassung des Beschwerdeführers, das Anbringen der Kennzeichentafeln sei im gegenständlichen Fall nicht zumutbar gewesen, weil er zunächst keine Möglichkeit gehabt habe, die Kennzeichen am Kraftfahrzeug anzubringen, weshalb er beschlossen habe, diese an der nächsten Tankstelle montierten zu lassen, sei im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes bedeutungslos, da sich die Zumutbarkeit im Sinne des § 102 Abs. 1 KFG 1967 lediglich auf das „Überzeugen“ beziehe, daß das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspreche. Bloße Unzumutbarkeit genüge überdies zur Entschuldigung nach § 5 Abs. 1 VStG 1950 nicht, sondern allein die unverschuldete Unmöglichkeit, die Vorschrift einzuhalten. Auch die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe ohnedies das von ihm aus Karton gefertigte Kennzeichen angebracht, gehe fehl, weil die Bestimmung des § 51 Abs. 3 KFG 1967 nur bei vorhergehendem Verlust der Orginalkennzeichen Anwendung finden könne. Die Unkenntnis der entsprechenden Vorschriften könne den Beschwerdeführer nicht entlasten, weil diese Unkenntnis nicht unverschuldet im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG 1950 sei. Denn als Kraftfahrer wäre es seine Pflicht gewesen, sich mit den Verkehrsvorschriften vertraut zu machen.
Ein Absehen von der Bestrafung nach § 21 Abs. 1 VStG komme nicht in Betracht, weil zwar die Folgen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung unbedeutend, das Verschulden des Beschwerdeführers aber keinesfalls geringfügig gewesen sei. Denn der Beschwerdeführer habe die in Rede stehende Verwaltungsübertretung vorsätzlich begangen. Die über den Beschwerdeführer verhängte Strafe entspreche dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sei im Hinblick auf spezial- und im besonderen generalpräventive Erwägungen geboten. Als erschwerend bzw. mildernd seien keine Umstände berücksichtigt worden. Da der Beschwerdeführer trotz Aufforderung der Behörde keine Angaben über seine Einkommen-, Vermögens- und Familienverhältnisse gemacht habe, sei bei der Strafbemessung von den in der Anzeige vom 12. Juli 1985 angegebenen Daten - monatliches Nettoeinkommen von S 20.000,--, Sorgepflicht für zwei Kinder - ausgegangen worden, womit die Strafhöhe auch im Hinblick auf diese Kriterien und die angenommene Vermögenslosigkeit angemessen erscheine.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 lit. b KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie das behördliche Kennzeichen führen.
Zufolge § 51 Abs. 3 KFG 1967 darf nach dem Verlust von Kennzeichentafeln das Fahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur auf Grund einer Bewilligung zur Durchführung von Überstellungsfahrten oder eine Woche vom Tag des Verlustes an mit einer behelfsmäßigen Ersatztafel, die in ihrer Form den von der Behörde ausgegebenen Kennzeichentafeln möglichst gleicht, weiterverwendet werden.
Der Beschwerdeführer irrt, wenn er meint, die zuletzt zitierte Bestimmung des § 51 Abs. 3 leg. cit. hätte ihn im vorliegenden Fall berechtigt, mit der von ihm angebrachten behelfsmäßigen Ersatztafel sein Kfz auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verwenden. Nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle ist die dort normierte Ausnahme von der Anordnung des § 36 lit. b KFG nur auf den hier nicht vorliegenden Fall des Verlustes von Kennzeichentafeln beschränkt. Für eine analoge Anwendung dieser Gesetzesbestimmung auch auf den Fall, daß vorhandene Kennzeichentafeln mangels entsprechender Vorsorge vor Antritt der Fahrt nicht montiert werden konnten, bietet das Gesetz keinen Raum.
Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist - entgegen den Beschwerdeausführungen - auch aus der Bestimmung des § 102 Abs. 1 KFG 1967, wonach ein Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen darf, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, nichts zu gewinnen. Denn der Rekurs auf die Zumutbarkeit in dieser Gesetzesstelle bedeutet lediglich, daß den Kraftfahrzeuglenker die dort normierte Überprüfungspflicht lediglich im Rahmen der Zumutbarkeit trifft. Eine Einschränkung des in § 36 lit. b leg. cit. normierten Verbotes auf den Fall der Zumutbarkeit kann hingegen aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden.
Der Beschwerdeführer irrt aber auch, wenn er meint, die belangte Behörde habe zu Unrecht nicht von der Möglichkeit des § 21 VStG 1950 Gebrauch gemacht.
Nach dieser Bestimmung kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt daher nur in Frage, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß dies auch bei vorsätzlichem Handeln des Täters der Fall sein kann, allerdings nur dann, wenn besondere Umstände bei der Begehung der Tat, wie z.B. verminderte Zurechnungsfähigkeit, Unbesonnenheit, drückende Notlage etc. diesen Schluß rechtfertigen (vgl. Leukauf‑Steininger, Kommentar zum StGB2, Anm. 9 zu § 42 StGB, S. 374). Daß derartige Umstände im konkreten Fall gegeben gewesen wären, ergibt sich weder aus der Aktenlage, noch wird derartiges vom Beschwerdeführer behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Annahme der belangten Behörde, das Verschulden des Beschwerdeführers könne im vorliegenden Fall nicht als geringfügig qualifiziert werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Unter diesen Umständen kann auch nicht gesagt werden, die belangte Behörde sei eine entsprechende Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 VStG nicht erfüllt seien.
Da sich somit die Beschwerde in allen Punkten als nicht berechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 5. September 1986
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