VwGH 86/07/0088

VwGH86/07/008830.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des A und der BW in W, beide vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Untere Viaduktgasse 55/11, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1985, Zl. VI/3-AO-89/111, betreffend Entschädigung in einem Zusammenlegungsverfahren, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §365;
FlVfGG §34 Abs3 impl;
FlVfGG §34 Abs4 impl;
FlVfGG §34 Abs5 impl;
FlVfGG §35 Abs5 impl;
FlVfLG NÖ 1975 §22 Abs6;
FlVfLG NÖ 1975 §24a;
FlVfLG NÖ 1975 §27;
FlVfLG NÖ 1975 §97 idF 6650-3;
FlVfLG NÖ 1975 §97;
ABGB §365;
FlVfGG §34 Abs3 impl;
FlVfGG §34 Abs4 impl;
FlVfGG §34 Abs5 impl;
FlVfGG §35 Abs5 impl;
FlVfLG NÖ 1975 §22 Abs6;
FlVfLG NÖ 1975 §24a;
FlVfLG NÖ 1975 §27;
FlVfLG NÖ 1975 §97 idF 6650-3;
FlVfLG NÖ 1975 §97;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt s 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zusammenlegungsverfahren W wurde im Oktober 1971 die vorläufige Übergabe angeordnet. Dieser Bescheid war nach der damaligen Rechtslage nicht anfechtbar. Im Herbst 1982 erreichten die Beschwerdeführer nach ihren eigenen Angaben im Instanzenzug eine zufriedenstellende Abfindung.

Am 10. Juni 1985 stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf Entschädigung in der Höhe von S 597.927,--, weil sie zwischen der vorläufigen Übergabe der Abfindungsgrundstücke am 20. Oktober 1971 und der endgültigen Festlegung der Abfindungen im Herbst 1982 durch elf Jahre hindurch mangelhafte Abfindungen bewirtschaften und dabei erhebliche Ernteverluste hinnehmen hätten müssen. Die Agrarbezirksbehörde hat mit Bescheid vom 12. Juni 1985 den Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung als unzulässig zurückgewiesen. Der von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1985 nicht Folge gegeben. Zur Begründung des Bescheides wurde nach Wiedergabe des § 97 Abs. 1 Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 (FLG), LGBl. 6650-3, ausgeführt, dem Berufungsvorbringen sei insofern beizupflichten, als behauptet werde, daß die Beschwerdeführer in der Zeit zwischen der vorläufigen Übernahme der Abfindungsgrundstücke und der endgültigen Zuteilung der Grundabfindungen Abfindungen bewirtschaften haben müssen, die nicht zur Gänze den gesetzlichen Bestimmungen des Flurverfassungs-Landesgesetzes entsprochen hätten. Allerdings habe die Behörde erster Instanz richtig festgestellt, daß das FLG keine Bestimmung kenne, wonach die Zuerkennung von Entschädigungen dafür vorgesehen wäre, daß zwischen der Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen und der endgültigen Zuweisung der als gesetzmäßig erkannten Abfindungsgrundstücke ein bestimmter längerer Zeitraum verstreiche. Eine gleichlautende Rechtsauffassung habe auch der Oberste Agrarsenat geteilt. Dem Antrag der Beschwerdeführer fehle eine entsprechende gesetzliche Grundlage.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer zunächst beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Dieser hat mit seinem Beschluß vom 7. Juni 1986, B 405/86, die Behandlung der Beschwerde unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. VfSlg 8544/1979, 8795/1980, 10.080/1984) abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer auch eine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Die Beschwerdeführer erachten sich nach dem Beschwerdevorbringen in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung sowie auf Zuspruch einer Entschädigung verletzt. In Ausführung der Beschwerde bringen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Agrarbehörde sei gemäß § 97 Abs. 2 und 3 FLG, der ident mit § 34 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz sei, zuständig, über derartige Ansprüche abzusprechen. Die Agrarbehörde erster Instanz hätte jedenfalls eine meritorische Entscheidung treffen müssen. Die zuvor genannten gesetzlichen Bestimmungen würden die Behörden zur Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes verpflichten. Würden die Vorschriften über die Neuerung der Flurverfassung nicht ausreichen, seien subsidiär die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes anzuwenden. Die Bestimmungen über die vorläufige Übergabe würden die Agrarbehörden ermächtigen, einen Zwangstausch gegen den Willen der Beschwerdeführer zu verfügen. Gemäß § 365 ABGB könne aber eine Enteignung nur gegen entsprechende Schadloshaltung vorgenommen werden. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführer durch die vorläufige Übergabe Liegenschaften erhalten hätten, die mit ihrem Altbesitz nicht gleichwertig gewesen seien. Sie hätten daher Ernteeinbußen durch elf Jahre hinnehmen müssen, sie seien daher durch schlechtere Grundstücke bei der provisorischen Übergabe nicht angemessen schadlos gehalten worden. Diese vom Gesetz vorgesehenen Nachteile durch die zwangsweise vorläufige Übergabe könnte nur durch Geld ausgeglichen werden. Die Agrarbehörde sei daher verpflichtet gewesen, § 365 ABGB bzw. die sonstigen Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über die Bereicherung, Schadenersatz u.dgl. anzuwenden. Die belangte Behörde zitiere zwar die von der Berufung angezogenen Normen, setze sich aber rechtlich damit nicht auseinander. Der angefochtene Bescheid sei daher schon aus diesem Grund verfahrensrechtlich fehlerhaft. Darüber hinaus kenne das FLG den Begriff des Wertausgleiches in § 24 a und § 27. Auch § 22 gebe die Möglichkeit der Auszahlung von vorläufigem Geldausgleich. Das Gesetz selbst definiere den vorläufigen Geldausgleich nicht eindeutig. Man könne darunter auch jenen Betrag verstehen, der zur Schadloshaltung vorläufig dem provisorischen Übernehmer zusätzlich zugesprochen werde. Das Gesetz habe jedenfalls keine entschädigungslose Enteignung wollen, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die zitierten Normen verfassungskonform aufzulegen bzw. anzuwenden. Es seien daher auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entscheidung geltend zu machen; es sei daher parallel eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht worden. Sollte der Gerichtshof die Auffassung der Beschwerdeführer nicht teilen, werde ersucht, ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der präjudiziellen Normen in die Wege zu leiten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

Gemäß § 97 Abs. 1 FLG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden mit Ausnahme der im Abs. 4 genannten Angelegenheiten vom Zeitpunkt der Einleitung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens bis zum Zeitpunkt des Abschlusses eines solchen Verfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regelung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit jener Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich die Angelegenheiten sonst gehören. Nach Abs. 2 desselben Paragraphen sind die Agrarbehörden insbesondere auch zuständig für die Entscheidung von Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistung für die Nutzung solcher Grundstücke. Nach Abs. 3 desselben Paragraphen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, von den Agrarbehörden die Vorschriften, die sonst für diese Angelegenheiten gelten (wie die des bürgerlichen Rechtes, des Wasser-, Jagd-, Fischerei- und Forstrechtes), anzuwenden.

Aus dieser Gesetzesstelle ist nicht zu erkennen, daß die Agrarbehörden zur Entscheidung über Entschädigungsangelegenheiten für Nachteile zuständig sind, die Eigentümer einbezogener Grundstücke in der Zeit zwischen der vorläufigen Übernahme und der rechtskräftigen Erlassung des Zusammenlegungsplanes erlitten haben, zumal eine Entscheidung über einen solchen Antrag sich nicht auf tatsächliche und rechtliche Verhältnisse bezieht, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung einbezogen werden müssen. Zu den in § 97 FLG genannten Angelegenheiten zählen weder Schadenersatzansprüche von Verfahrensparteien untereinander, noch Ansprüche einzelner Parteien auf angemessene Schadloshaltung für eine Enteignung gemäß § 365 ABGB (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 15. Juli 1986, Zl. 85/07/0332). Es handelt sich auch nicht um eine Streitigkeit über Besitz und Eigentum einbezogener Grundstücke und auch nicht betreffend die Gegenleistung für die Nutzung solcher Grundstücke. Bei einer Entscheidung über einen zirka drei Jahre nach Erlassung des Zusammenlegungsplanes gestellten Antrag auf Zuspruch einer Entschädigung handelt es sich auch nicht um Geldabfindungen und Geldausgleiche im Sinne des § 22 Abs. 6 FLG die nur aus Anlaß der vorläufigen Übernahme bestimmt werden könnten. Auch auf § 24 a FLG vermögen sich die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg zu stützen, haben sie doch das Vorliegen der dort vorgesehenen Voraussetzungen nicht einmal behauptet. § 27 FLG bezieht sich auf die Ausführung des Zusammenlegungsplanes, nicht aber auf die Bestimmung einer Geldentschädigung für erlittenen Schaden, welcher eine rechtswidrige Handlung voraussetzen würde.

Im übrigen sind beim Verwaltungsgerichtshof auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angeführten Bestimmungen aufgetreten, insbesondere hinsichtlich der von den Beschwerdeführern vermißten Entschädigungsregelung im § 22 FLG (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Verfassungsgerichtshof Erkenntnis vom 27. September 1982, Slg Nr. 9500, Seite 83, betreffend die ähnliche Bestimmung des § 23 des Tiroler-Flurverfassungs-Landesgesetzes 1969); so daß der Verwaltungsgerichtshof sich nicht veranlaßt sieht, eine Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 30. September 1986

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