VwGH 86/04/0144

VwGH86/04/014430.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge in den Beschwerdesachen des JK in G, vertreten durch Dr. Edwin Morent, Rechtsanwalt in Wien I, Spiegelgasse 19, gegen die Bundespolizeidirektion Wien wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art130 Abs1 litb
B-VG Art131a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986040144.X00

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Pächter eines Gastgewerbes in der Betriebsart eines Espressos im Standort Wien, M-gasse 31. Am 27. und 28. November 1985 sowie am 4., 5., 9. und 10. Dezember 1985 erschienen im Gastgewerbebetrieb Organe der Bundespolizeidirektion Wien und forderten die dort beschäftigte Kellnerin wegen des Eintrittes der Sperrstunde, die nach Angaben der Organe in diesem Betrieb mit 22.00 Uhr festgesetzt sei, auf, die Bewirtung der Gäste einzustellen, die Gäste zum Verlassen des Lokales zu veranlassen (sie "hinauszuwerfen") und das Lokal unverzüglich zu schließen. Der Kellnerin wurde von den einschreitenden Organen mitgeteilt, daß gegen (sie und) den Pächter bei der Behörde Anzeige erstattet werde. Zumindest in einem Fall wurde von den Organen gewartet, bis das Lokal von den Gästen verlassen und geschlossen wurde.

Gegen diese als "faktische Amtshandlungen" aufgefaßten Vorgänge erhob der Beschwerdeführer wegen Verletzung des Rechtes auf Freiheit und auf Erwerbsfreiheit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 6. Juni 1986 die Behandlung der Beschwerden ab, wobei er unerörtert ließ, ob die Beschwerden überhaupt zulässig sind. Antragsgemäß wurden die Beschwerden vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. b B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person behauptet wird. Gemäß Art. 131a B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person diese Person Beschwerde erheben, wenn sie durch die betreffende Maßnahme in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet.

In allen Beschwerdefällen war nach dem einzelnen Beschwerdevorbringen das vom Beschwerdeführer als Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betrachtete Vorgehen der Organe der Bundespolizeidirektion gegen die jeweilige, an dem betreffenden Tage in seinem Gastgewerbebetrieb beschäftigt gewesene Kellnerin gerichtet und traf nur mittelbar den Beschwerdeführer, der von den Maßnahmen benachrichtigt wurde. Es fehlt daher für den Beschwerdeführer an dem nach Art. 131a B-VG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit. Dem Beschwerdeführer mangelt daher schon aus diesem Grunde die Beschwerdelegitimation, was die Zurückweisung der Beschwerden zur Folge hat.

Abgesehen davon aber verkennt der Beschwerdeführer - dies sei der Vollständigkeit halber bemerkt - die Rechtslage, wenn er im geschilderten Einschreiten der Organe der Bundespolizeidirektion einen Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erblickt. Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfordert nämlich ein behördliches Handeln, das sich bereits als solches im Bereich des Faktischen auswirkt (arg. "unmittelbar"), ohne daß es hiezu weiterer Handlungen bedurfte. So hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluß vom 24. November 1977, Slg. Nr. 9439/A, ausgesprochen, daß die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person nur vorliegt, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen. Der Gerichtshof hat auch in der Folge an dieser Rechtsansicht festgehalten (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 13. März 1979, Zlen. 467, 468/79, und das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1982, Zlen. 82/04/0167, 0240; hinsichtlich der zitierten, nichtveröffentlichten hg. Entscheidungen wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen).

Ausgehend von dieser Rechtsansicht, von der abzugehen im Beschwerdefall kein Anlaß bestünde, würde die bloße Aufforderung der Organe an die Kellnerin, die Bewirtung der Gäste einzustellen, die Gäste zum Verlassen des Lokales zu veranlassen und das Lokal sofort zu schließen, ebensowenig die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen wie die Mitteilung der Organe, daß Anzeige an die Behörde erstattet werde. Desgleichen könnte in dem Zuwarten der Organe bis zum Verlassen der Gäste und zum Zusperren des Lokals eine derartige Maßnahme nicht erblickt werden, zumal damit weder Zwang ausgeübt worden, noch eine Situation gegeben war, in der die Kellnerinnen Zwangsausübung zu gewärtigen gehabt hatten (vgl. dazu auch den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1981, B 487/80).

Die Beschwerden waren jedoch schon aus den vorstehenden Erwägungen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 1986

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte