VwGH 86/04/0116

VwGH86/04/011625.11.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde des AB in N, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Mai 1986, Zl. V/1-St-8617, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §367 Z26
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs1 Satz2
VStG §6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986040116.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Mai 1986 erkannte der Landeshauptmann von Niederösterreich über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 5. Dezember 1985, 3-B-79229/12, - womit über den Genannten wegen Übertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in 10 Fällen, begangen dadurch, daß er als verantwortlicher Betriebsinhaber der Kfz-Mechanikerwerkstätte im Standort N, B-straße 19, in der Zeit vom 1. Jänner 1984 bis 25. September 1985 die mit Bescheid vom 8. Juli 1983, 12-B-832/30, aufgetragenen, in der Verhandlungsschrift vom 25. Mai 1983 angeführten Auflagenpunkte 4 - 7, 9, 13, 14 und 16 - 18 nicht erfüllt bzw. nicht eingehalten habe, gemäß § 367 GewO 1973 eine Geldstrafe zu den Punkten 4 - 6, 16 und 18 von je S 1.000,--, zu den Punkten 7, 9, 13, 14 und 17 von je S 2.000,--, insgesamt S 15.000,--, im Nichteinbringungsfall Ersatzarreststrafe zu den Punkten 4 - 6, 16 und 18 von je 3 Tagen, zu den Punkten 7, 9, 13, 14 und 17 von je 6 Tagen, insgesamt 45 Tagen, verhängt worden sei - auf Grund des § 51 Abs. 4 VStG 1950 dahin, daß der Berufung Folge gegeben und das erstbehördliche Straferkenntnis dahin gehend abgeändert werde, daß das Strafausmaß a) für die Übertretungen zu den Auflagenpunkten 4 - 6, 16 und 18 auf je S 500,--, im Nichteinbringungsfall Arrest in der Dauer von je 2 Tagen, und b) die Geldstrafe für den Auflagenpunkt 7, 9, 13, 14 und 17 auf je S 1.000,--, im Nichteinbringungsfall Ersatzarreststrafe in der Dauer von je 3 Tagen, herabgesetzt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer wende in seiner Berufung im wesentlichen ein, daß er die Auflagen deshalb nicht erfüllt habe, weil er beabsichtige, den Betrieb umzusiedeln. Darüber hinaus sei seine finanzielle Situation sehr schlecht und er habe auch aus diesem Grund die teilweise kostspieligen Auflagen nicht erfüllen können. Die Berufungsbehörde habe im Wege der Bezirkshauptmannschaft Erhebungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers durchgeführt. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß gegen ihn mit Beschluß des Kreisgerichtes vom 7. März 1986 das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Vom Steuerberater des Beschwerdeführers sei glaubhaft mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer ab 1979 keine Gewinne habe erwirtschaften können und daß die Verlustvorträge von 1979 bis 1984 etwa S 2,685.860,-- betrügen. Auch das Jahr 1985, das zur Zeit noch nicht bilanziert sei, werde voraussichtlich mit Verlust abgeschlossen werden. Darüber hinaus sei im Zuge des Konkurseröffnungsverfahrens vom Kreisgericht festgestellt worden, daß Aktiven von ca. 2,5 Millionen Passiven von etwa 4 Millionen gegenüberstünden und daß sohin Zahlungsunfähigkeit auf Seite des Beschwerdeführers gegeben sei. Wenn auch seitens der Berufungsbehörde kein Zweifel daran bestehe, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen habe und daß die Bestrafungen zu Recht erfolgt seien, sei sie im Hinblick auf die Bestimmungen des § 19 VStG 1950 der Ansicht, daß auch bezüglich der einzelnen Strafausmaße auf die derzeitige finanzielle Lage des Beschwerdeführers Rücksicht zu nehmen sei und daß sie daher glaube, daß mit dem neuen festgesetzten Strafausmaß der Strafzweck ebenfalls erreicht und der Beschwerdeführer von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abgehalten werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten dadurch als verletzt, daß die belangte Behörde die auch im § 5 Abs. 1 VStG 1950 normierte grundlegende Voraussetzung, daß eine Bestrafung nur bei Vorliegen eines Verschuldens möglich sei, nicht beachtet habe. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, es sei richtig, daß er die angeführten, ihm aufgetragenen Auflagenpunkte nicht erfüllt habe. Der Umstand der erfolgten Konkurseröffnung über sein Vermögen sowie seine wirtschaftliche Lage seien der belangten Behörde bekannt gewesen und von dieser in der Begründung auch genau angeführt worden. Es sei also ersichtlich, daß er in keiner Weise die finanzielle Möglichkeit gehabt habe, die zum Teil sehr kostspieligen Auflagen zu erfüllen. Im § 5 Abs. 1 VStG 1950 werde normiert, daß zu jeder Verwaltungsübertretung auch ein Verschulden gehöre und zwar, wenn nichts anderes bestimmt sei, so genüge Fahrlässigkeit. Fahrlässig handle, wer einen Sachverhalt verwirkliche, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche, zwar ohne dies zu wollen, jedoch unter Außerachtlassung der möglichen Sorgfalt. Da, wie die belangte Behörde in der Begründung richtig festgestellt habe, der Beschwerdeführer seit 1979 keine Gewinne habe erwirtschaften können und über ihn in der Folge das Konkursverfahren eröffnet worden sei, hätte sie zu dem Schluß kommen müssen, daß ihm eine Erfüllung der Auflagenpunkte aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei. Da ihm aber ein anderes - bescheidkonformes - Verhalten weder möglich noch zumutbar gewesen sei, könne ihm auch kein Verschulden, und zwar auch nicht in der Form der Fahrlässigkeit, zur Last gelegt werden. Hätte daher die belangte Behörde dem § 5 Abs. 1 VStG 1950 gemäß entschieden, so hätte sie das Straferkenntnis der Erstbehörde ersatzlos aufheben müssen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 367 Z. 26 GewO 1973, begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu vier Wochen zu ahnden ist, wer u. a. gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 in Bescheiden vorgeschriebene Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Bei dieser Verwaltungsstrafbestimmung handelt es sich um ein sogenanntes "Ungehorsamsdelikt" im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950, wonach schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich zieht, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Wenn sohin der Beschuldigte den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, bestreitet, so trifft die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde, wogegen es zur Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 dann kommt, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorliegen seines Verschuldens in Abrede stellt.

Im Beschwerdefall wird die Herbeiführung des objektiven Tatbestandes durch den Beschwerdeführer - wie auch schon im Verwaltungsverfahren - in der Beschwerde ausdrücklich zugestanden und gegen die verwaltungsbehördliche Bestrafung lediglich eingewendet, daß ihm die Erfüllung der Auflagenpunkte aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei. Dieses Vorbringen stellt seinem Wesensgehalt nach nicht die Behauptung eines mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 erster Satz VStG 1950 dar, sondern macht behauptungsmäßig das Vorliegen eines Notstandes im Sinne des § 6 VStG 1950 geltend.

Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, kann eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne der vorbezeichneten Gesetzesstelle nicht gesehen werden. So sind insbesondere auch auf bloß mögliche nachteilige Folgen verweisende Gründe mangels Unmittelbarkeit einer drohenden Gefahr nicht geeignet, die Annahme eines Notstandes zu rechtfertigen. Des weiteren gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiven strafbaren Handlung zu beheben ist, und ferner, daß die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1985, Zl. 84/04/0237, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Des weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zlen. 81/04/0224, 0225, dargelegt, daß derjenige, der eine zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen vorgeschriebene Auflage nicht einhält, um eine bloße, wenn auch schwere Gefahr für sein Vermögen abzuwenden, sich unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nicht zu Recht auf Notstand berufen kann.

Ausgehend von dieser Rechtslage ist aber das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine dargelegten finanziellen Verhältnisse allein bzw. über die in der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Absicht, seinen Betrieb zu übersiedeln, nicht geeignet, zureichende Hinweise für die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines Notstandes im Sinne des § 6 VStG 1950 zu geben.

Die Beschwerde erweist sich sohin im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zu ihrer Abweisung zu führen hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 25. November 1986

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