VwGH 85/06/0173

VwGH85/06/01733.4.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde der HS in W, vertreten durch Dr. Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerstraße 35, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik vom 9. August 1985, Zl. 890 884/4‑/II/11a‑85, betreffend eine Enteignung für eine Bundesstraße (mitbeteiligte Partei: Bund‑Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

BStG 1971 §4 Abs1
BStG 1971 §7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985060173.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 11. September 1984 beantragte die Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung die dauernde bzw. vorübergehende Enteignung der für die Umlegung der Bundesstraße B1, Wienerstraße, Baulos „Umfahrung Marchtrenk“ erforderlichen Grundflächen im Umfang beigeschlossener Projektsunterlagen. Im technischen Bericht des beauftragten Zivilingenieurs für Bauwesen wurde ausgeführt, daß dem Projekt der halbseitige Ausbau des vierspurig geplanten Detailprojektes „Umfahrung Marchtrenk/1974“ zugrunde gelegt worden sei, wobei allerdings nur der unmittelbar für die Umfahrung des Ortskernes von Marchtrenk erforderliche Bereich Gegenstand der Planung sei, sodaß das Detailprojekt sich auf eine Straßenlänge von 2,7 km erstrecke. Das seinerzeitige vierspurige Detailprojekt habe einen Regelquerschnitt „B 1“ mit einer Mittelstreifenbreite von 4,5 m und mit einer Kronenbreite von 23,0 m vorgesehen. Unter Berücksichtigung der kurzen Kreuzungsabstände und deren Ausweitungsbereichen wären beim vorliegenden Projekt nur kurze Zwischenstücke übriggeblieben, die mit einem Regelquerschnitt „B 4“ ausgebildet hätten werden können. Neben der unruhigen Führung der Fahrbahnränder wäre bei dieser Lösung auch die Schwierigkeit des Überholens von Langsamfahrzeugen von Nachteil gewesen. Zur Vermeidung dieser Nachteile und wegen des geringfügigen Kostenunterschiedes sei dem gegenständlichen Projekt ein Regelquerschnitt „B 3“ zugrundegelegt worden. In einer näheren Projektsbeschreibung der Trassenführung wird unter anderem erwähnt, daß für die Höhenbezugslinie die Fahrbahnachse gewählt worden sei, wobei die Nivelletteeinlegung hauptsächlich auf eine zweckmäßige Ausbildung der Anschlüsse bei den Kreuzungen ziele. In Lageplänen und Schnitten wurde das Projekt entsprechend näher ausgearbeitet, wobei der Regelquerschnitt insgesamt eine Kronenbreite von 13,50 m mit zwei Fahrstreifen von 5,00 m aufweist, im Kreuzungsbereich eine Kronenbreite von 17,00 m, so daß hier bis insgesamt vier Spuren zur Ausführung gelangen können. Den Einlösungsplänen kann entnommen werden, daß von dem Grundstück der Beschwerdeführerin nn/4 KG M im Ausmaß von 1306 m2 (248 m2 verbaute Fläche) 78 m2 enteignet werden sollen.

Mit Kundmachung vom 15. Oktober 1984 beraumte das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung für mehrere Termine im November 1984 eine Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverhandlung an, zu welcher die Beschwerdeführerin als betroffene Grundeigentümerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen wurde, und zwar für 13. November 1984.

Schon in einer Eingabe vom 9. November 1984 erhob die Beschwerdeführerin eine Reihe von Einwendungen. Insbesondere wies sie darauf hin, daß bei der Errichtung des Wohnhauses auf ihrem Grundstück möglichst weit von der damals bestehenden Straße abgerückt worden sei, um nicht der Belastung durch Verkehrslärm und Autoabgase ausgesetzt zu sein. Dieser Erfolg der Bauplanung werde durch die geplante Umfahrung Marchtrenk zunichte gemacht, weil die nordwestliche Grenze der Umfahrungsstraße nun in einer Entfernung von zirka 4,5 m an der südöstlichen Ecke ihres Wohnhauses vorbeiführe. Nach Hinweisen auf ihrer Meinung nach eklatante Fehlplanungen bei der Innkreis‑Autobahn wendet sie sich gegen die Herstellung der Umfahrung Marchtrenk wegen der damit verbundenen erhöhten Belästigung durch Verkehrslärm. Sie sei nämlich sodann dem Verkehrslärm von zwei Straßen ausgesetzt und nach Herstellung der Umfahrungsstraße würde es auf dem ganzen Grundstück und im Wohnhaus keinen Ort mehr geben, wo man vom Verkehrslärm relativ unbelastet existieren könnte. Die giftigen Autoabgase würden sodann auch den hinteren Gartenteil belasten. Die Errichtung von geeigneten Maßnahmen, wie Schallschutzwänden und Schallschutzwellen könnten Belästigungen zwar herabsetzen, nicht aber gänzlich vermindern. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung würde mit Sicherheit ergeben, daß aus Gründen des Umweltschutzes die Herstellung dieser Umfahrung zu unterlassen sei. Eine solche Prüfung werde ausdrücklich beantragt. Die in Österreich noch immer praktizierte Methode, Überlandstraßen niveaugleich mit dem angrenzenden Gelände oder gar auf einem Damm zu errichten, sei für Straßen mit starkem Verkehrsaufkommen völlig ungeeignet; in den Vereinigten Staaten und in Kanada hätte man dies längst erkannt und es werde dort, wo immer es möglich sei, die Fahrbahn möglichst tief unter das Niveau des angrenzenden Geländes gelegt. Auf den Beschwerdefall bezogen, würde dies bedeuten, daß die Umfahrungsstraße, falls sie unbedingt errichtet werden müsse, so zu planen sein werde, daß sie unterhalb einer Geländeschwelle, die etwa 70 m von der Hinterseite des Gartens der Beschwerdeführerin entfernt sei, geführt werde. Überhaupt seien nur weiträumige Ortsumfahrungen sinnvoll, wie man den vorhandenen Beispielen im Mürztal entnehmen könne. Auch sei an der Natur durch Straßenbauten in Österreich bereits genug gesündigt worden und es sei mit den Gesetzen der Logik und mit den Erkenntnissen der Psychologie unvereinbar, Straßen zu verbreitern und zu begradigen sowie Ortsumfahrungen herzustellen, um den Verkehrsfluß dadurch zu erleichtern und zu beschleunigen, gleichzeitig aber Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuführen. Nach weiteren Ausführungen zu dieser Frage und zu Umweltbelastungen behauptet die Beschwerdeführerin, es gäbe keinen vernünftigen Grund, mit der Eliminierung des gegenständlichen Straßenbauvorhabens nicht den Anfang zur Eindämmung der katastrophalen Entwicklung zu machen, fruchtbaren, landwirtschaftlich genutzten oder nutzbaren Boden zuzubetonieren. Gerade hier treffe die kleinräumig geplante Umfahrung nur etwa 30 Häuser der Gemeinde Marchtrenk und die Lebensqualität der Bewohner dieser Häuser werde, wenn überhaupt, durch den Bau der Umfahrungsstraße nur minimal verbessert. Den Zweck einer Umfahrungsstraße könne nur eine weiträumig geplante erfüllen. Nach dem Bau der Umfahrungsstraße würde auch der Wert der Liegenschaft auf Null absinken und es müßte die ganze Liegenschaft und nicht nur ein Teil des Gartens enteignet werden, sollte es zu einer Enteignung kommen. Die Entschädigung für eine solche totale Enteignung müßte ein Ausmaß erreichen, das die Beschwerdeführerin in die Lage versetzen würde, eine andere Liegenschaft in ähnlicher Lage und von ähnlicher Beschaffenheit zu erwerben. Zusammenfassen vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß es für alle Beteiligten das beste wäre, wenn man sich entschließen könnte, das verunglückte Projekt der Umfahrung Marchtrenk ad acta zu legen.

Bei den im November 1984 durchgeführten Verhandlungen wurde zunächst in einem Befund das Straßenprojekt näher beschrieben, wobei hervorgehoben wurde, daß die bestehende Bundesstraße den Verkehr nicht mehr aufnehmen könne und es im Ortszentrum ständig zu Stauungen komme, so daß die Umfahrung Marchtrenk von den Gemeindebürgern vehement gefordert werde. Diese Umfahrung sehe die Umgehung des Ortskernes im Süden über derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzte Grundflächen vor und der Abstand von neuer und alter Trasse betrage zirka 200 m. Die Trasse selbst sei schon seit Jahr-zehnten von der Verbauung freigehalten.

Die schriftlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden protokolliert und anschließend wurde zu im Akt erliegenden Lärmmessungen behauptet, daß der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, weil die Parteien den Messungen nicht beigezogen worden seien und sie keine Möglichkeit hätten zu überprüfen, ob die Meßgeräte geeicht gewesen seien, ob sie an den richtigen Meßpunkten aufgestellt worden seien und ob die gemessenen Werte mit den im Bericht angegebenen Werten übereinstimmten. Es wurde die Wiederholung der Messungen unter Beiziehung der Parteien beantragt. Weiter wurde der Antrag gestellt, eine Kopie dieses Berichtes beizustellen und eine Frist von vierzehn Tagen zur Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme einzuräumen. Gleichzeitig von einem Sachverständigen festgesetzte Entschädigungen wurden nicht akzeptiert, gegen den Termin für die Räumung eines Geräteschuppens keine Einwendungen erhoben sowie einer Grundinanspruchnahme nach Rechtskraft des Bescheides nicht zugestimmt.

Die mitbeteiligte Partei bemerkte zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin, daß die Trasse der Bundesstraße bezüglich des Bauloses „Umfahrung Marchtrenk“ durch Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik festgelegt worden sei. Der Forderung nach Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei bereits insofern nachgekommen, als der sogenannte „Anhang Umwelt“ für das vorliegende Projekt vom Bundesminister genehmigt worden sei. Forderungen bezüglich Lärm- und Immissionsbeeinträchtigungen seien nicht Gegenstand des Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverfahrens. Der Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen sei bei überschreiten der Grenzwerte auf Antrag des Liegenschaftseigentümers gesondert zu behandeln ‑ diese Grenzwerte würden auf Grund der Umwelt‑Lärmprognose überschritten. Gegen die Anträge bezüglich Einräumung einer Frist sprach sich die Bundesstraßenverwaltung aus. Es seien von der Partei keinerlei sachlich begründete Argumente dafür vorgebracht worden, daß das Projekt mit Mängel behaftet sein solle. Der Verhandlungsleiter stellte fest, daß von der Beschwerdeführerin im Zuge der Verhandlung in das Projekt, insbesondere in den „Anhang Umwelt“, Einsicht genommen worden sei. Der Beschwerdeführerin sei daher zur Kenntnis gebracht worden, daß dem Antrag auf Übersendung dieser Projektsteile durch Verfahrensanordnung nicht nachgekommen werde, da ohnedies vor Durchführung der Verhandlung ausreichend Zeit bestanden habe, in das Projekt Einsicht zu nehmen und im Zuge der Verhandlung hiezu Stellung zu nehmen.

Der technische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten aus, daß auch dann, wenn der größte Teil des Verkehrs Linz‑Wels über die Linzer Autobahn abgeleitet werde, der noch auf der Bundesstraße verbleibende Teil so groß sei, daß die Bevölkerung von Marchtrenk vehement den Ausbau der Umfahrung fordere. Dieser Verkehr könne nicht über die Autobahn abgeleitet werden, weil er fast zu hundert Prozent aus dem Ziel- und Quellverkehr des dichtbesiedelten Wohn- und Industrieraumes Marchtrenk ‑ Linz/Süd herrühre. Um den Ortskern von Marchtrenk von diesem Verkehr zu entlasten, bzw. um einen Verkehrsstillstand wegen zu geringer Leistungsfähigkeit der derzeitigen Trasse hintanzuhalten, sei das Projekt für den Ausbau der Bundesstraße bezüglich der Umfahrung des Ortskernes vorgelegt worden. Das vorliegende Projekt beinhalte einen vorerst halbseitigen Ausbau der Bundesstraße (ursprüngliche Planung mit vier Fahrspuren und Mitteltrennung) mit einem Querschnitt B 3 (Fahrbahnbreite 10,00m) und entsprechenden Ausweitungen bzw. Abbiegespuren bei den Kreuzungen. Die Trasse der „Umfahrung Marchtrenk“ sei mit Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 3. September 1974, BGBl. Nr. 386 (richtig: 586) festgelegt worden. Hinsichtlich der Trasse sei daher der Sachverständige an diese Verordnung gebunden. Das Projekt entspreche den anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und sei zur Ausführung geeignet. Insbesondere wurde festgestellt, daß das Bauvorhaben im überwiegenden öffentlichen Interesse liege, die Einlösung der in einem Grundeinlösungsplan und im Grundstücksverzeichnis enthaltenen Grundflächen sei zur Ausführung des Straßenbauvorhabens im beantragten Ausmaß erforderlich. Nach weiteren Ausführungen nahm der Amtssachverständige zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Stellung. Er betonte, daß aus wirtschaftlichen Erwägungen das Bundesministerium für Bauten und Technik mit Erlaß vom 13. August 1984 einem vorerst halbseitigen Ausbau der Bundesstraße zugestimmt und die dazu vorliegenden Pläne genehmigt habe. Diesen Plänen liege auch ein Bericht über die Umweltverträglichkeit des Straßenprojektes bei und auch dieser Bericht sei vom Bundesminister genehmigt worden. Die Einwendungen betreffend zu erwartende Lärmbeeinträchtigungen und sonstige Immissionen aus dem Betrieb der künftigen Bundesstraße seien nicht Gegenstand des Grundeinlösungsverfahrens. Der Vollständigkeit halber stelle der Sachverständige jedoch fest, es gehe aus dem gemeinsam mit den sonstigen Projektsplänen zur Einsicht aufgelegten Umweltbericht eindeutig hervor, daß bei der Liegenschaft der Beschwerdeführerin nach dem Bau der Umfahrungsstraße mit über dem Grenzwert liegenden Umweltbelastungen zu rechnen sei. Das Vorbringen bezüglich Verletzung des Parteiengehörs bei den vorgenommenen Lärmmessungen erscheine daher völlig irrelevant, hätten doch die Messungen einen über den Grenzwerten liegenden Wert ergeben. über die Art und Weise, wie eine zu erwartende Umweltbelastung hinsichtlich der Liegenschaft der Beschwerdeführerin hintangehalten werden könne, sei in einem gesonderten Verfahren nach Inbetriebnahme der Umfahrungsstraße zu entscheiden. Im übrigen werde auf den allgemeinen Teil des Gutachtens verwiesen.

Mit Enteignungsbescheid vom 5. Dezember 1984 verfügte der Landeshauptmann von Oberösterreich die beantragten Enteignungen zugunsten der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, unbeschadet der genauen Vermessung in der Natur und setzte gleichzeitig entsprechende Entschädigungen fest. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sowie deren Antrag auf Resteinlösung des Grundstückes einschließlich des Gebäudes wurden als unbegründet abgewiesen. Im wesentlichen führte die Enteignungsbehörde aus, daß nach den §§ 17 und 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 die Voraussetzungen für die beantragten Enteignungen nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren vorgelegen seien. Der technische Amtssachverständige habe festgestellt, daß das vorgelegte Projekt der Trassenführung der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik BGBl. Nr. 386 (richtig: 586)/1974 entspreche. Die Umfahrung des Ortskernes von Marchtrenk sei projektsmäßig im Süden vorgesehen und vorerst beinhalte das Projekt einen halbseitigen Ausbau der Bundesstraße mit einem Querschnitt B 3. Die Inanspruchnahme der Grundstücksflächen sei technisch notwendig. Für den Anspruch auf Resteinlösung müßten die mit dem künftigen Straßenverkehr verbundenen Immissionen nach der Rechtsprechung außer Betracht bleiben. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Trassenführung würden sich gegen die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik nach § 4 des Bundesstraßengesetzes 1971 richten, an welche die Bundesstraßenbehörde gebunden sei. Das Projekt als solches würde aber die Beschwerdeführerin nicht bekämpfen. Für eine Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie die Beschwerdeführerin verlange, bestünden derzeit keine gesetzlichen Grundlagen. Für die Behörde seien aber nur generelle Normen anwendbar, die zum Zeitpunkt der Entscheidung in Kraft stünden, keinesfalls jedoch ungewisse künftige Regelungen. Der Beschwerdeführerin würde darüber hinaus kein Rechtsanspruch auf Teilnahme bei einer Beweisaufnahme zustehen. Das genaue Ausmaß der Lärmbeeinträchtigung von der künftigen Straße würde auch im behördlichen Enteignungsverfahren weiter keine Relevanz besitzen, da die Zuerkennung von Lärmschutzmaßnahmen in einem gesonderten Verfahren erfolge.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin zunächst, daß ihrem Antrag auf Einräumung einer Frist zwecks Gewährung des Parteiengehörs nicht entsprochen worden sei, obwohl die Umweltverträglichkeitsprüfung entscheidend sei. Der Projektsteil „Anhang Umwelt“ könne eine notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ersetzen. Es sei auch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht vorgenommen worden. Auch das Ausmaß der zu enteignenden Grundfläche sei falsch berechnet worden, wenn man von Ausführungen des technischen Amtssachverständigen in der Verhandlungsschrift ausgehe, wonach die Länge der an der östlichen Grundgrenze zu entfernenden Mauer neun Meter betrage und die Länge des anschließenden, an der südlichen Grundgrenze zu entfernenden fundierten Maschendrahtzaunes sich auf 21 m belaufe. Schon mit diesen Ausführungen sei die Flüchtigkeit der Durchführung des Enteignungsverfahrens hinreichend bewiesen. Der Antrag auf Einlösung sei zu Unrecht abgewiesen worden, weil ein Wohnhaus, das praktisch von drei Seiten von außerordentlich stark frequentierten Straßen eingezwängt werde, wegen der zu erwartenden Lärmbelästigung und Abgasbelästigung unbewohnbar werde. Nach weiteren Ausführungen betreffend Lärm- und Geruchsbelästigung meint die Beschwerdeführerin, daß auch im Hinblick auf die Verordnung betreffend Trassenführung nicht die Führung der Umfahrungsstraße auf einem 1,50 m über dem gegenwärtigen Geländeniveau liegenden Damm begründet werden könne. Es sei daher keinesfalls unzulässig, die Umfahrungsstraße in Tieflage zu führen, wodurch die Lärm- und Geruchsbelästigung der Anrainer auf ein erträgliches Maß reduziert werden könnte. Durch ein Gegengutachten hätten die Ausführungen des Amtssachverständigen nicht entkräftet werden können, weil der Beschwerdeführerin rechtsirrigerweise die Möglichkeit genommen worden sei, vor der Entscheidung dieser Angelegenheit ein Gegengutachten vorzulegen.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens bezüglich einer Stellungnahme der Bundesstraßenverwaltung und Zustellung einer Ablichtung des Anhanges „Umwelt“ (Umweltbericht) sowie ergänzenden Äußerungen der Beschwerdeführerin gab der Bundesminister für Bauten und Technik mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. August 1985 der Berufung keine Folge. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, daß es ihr versagt sei, einen Enteignungsantrag, welchem ein Projekt der Bundesstraßenverwaltung zugrunde liege, das dem nach § 4 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes durch Verordnung bestimmten Straßenverlauf entspreche, deshalb abzuweisen, weil die festgelegte Straßentrasse nicht den in § 7 Bundesstraßengesetz normierten Grundsätzen entspreche. Eine derartige Vorgangsweise würde einer Überprüfung eines generellen Verwaltungsaktes durch die Verwaltungsbehörde gleichkommen. Die Beschwerdeführerin hätte daher nicht zu Recht geltend machen können, daß bei einem geänderten Straßenverlauf Umweltbeeinträchtigungen vermieden hätten werden können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspreche es den gesetzlichen Bestimmungen, wenn im Enteignungsbescheid die enteignete Fläche vorbehaltlich einer (späteren) genaueren Vermessung in der Natur bezeichnet werde. Allfällige Differenzen zwischen dem durch Vermessung festgestellten Ausmaß und dem im Enteignungsbescheid enthaltenen Ausmaß müßten nachträglich durch entsprechende Neuberechnung der Entschädigung ausgeglichen werden.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Eigentumsrecht an der ihr allein gehörigen Liegenschaft verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 17 des Bundesstraßengesetzes 1971 in der geltenden Fassung kann für die Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von Bundesstraßen samt den zugehörigen baulichen Anlagen sowie aus Verkehrsrücksichten das Eigentum an Liegenschaften im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Nach § 20 Abs. 1 des Gesetzes entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954.

Im Beschwerdefall ist weiter davon auszugehen, daß mit Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 3. September 1974 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 1 Wienerstraße im Bereich der Gemeinde Marchtrenk, BGBl. Nr. 586, der Straßenverlauf der hier maßgeblichen Umfahrung des Ortes Marchtrenk im Süden festgelegt worden ist. Der Verlauf der Straßentrasse ist den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Planunterlagen zu entnehmen. Die Grenzen des damals gleichzeitig festgelegten Bundesstraßenbaugebietes nach § 15 des Bundesstraßengesetzes 1971 sind in den aufliegenden Planunterlagen erkennbar. Die Lage des Grundstückes der Beschwerdeführerin wurde durch Färbelung hervorgehoben.

Das nunmehr vorgelegte Detailprojekt, welches der ausgesprochenen Enteignung zugrunde liegt, läßt ausreichend klar erkennen, daß der Trassenverlauf nach der genannten Verordnung berücksichtigt wurde. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang behauptet, es sei der Umfahrung Marchtrenk die Herstellung einer vierspurigen Schnellstraße zugrunde gelegt worden, so wurde schon in der Sachverhaltsdarstellung dargetan, daß das Projekt keine vierspurige Umfahrung zu seinem Gegenstand hat, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Der Umstand aber, daß die Umfahrungsstraße mit der Bundesstraßengesetz‑Novelle 1983 nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin aus dem Schnellstraßennetz eliminiert worden sei, bedeutet keineswegs, daß die mitbeteiligte Partei nicht berechtigt wäre, die Ausführung dieser nach wie vor vorgesehenen Bundesstraße in Angriff zu nehmen. Soweit die Beschwerdeführerin versucht, einen Widerspruch zwischen den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens und einem an sie gerichteten Brief des Bundesministers für Bauten und Technik vom 26. August 1985 herzustellen, übersieht sie, daß die Beurteilung des Projektes, wie es sich aus den vorliegenden Plänen ergibt, keinen Widerspruch zu diesem, dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Schreiben erkennen läßt. Darüber hinaus würde es sich aber bei diesem Vorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handeln (vgl. § 41 VwGG). Damit erübrigt sich auch eine nähere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen, welches auf Grund dieses Briefes des Bundesministers für Bauten und Technik die unbedingte Notwendigkeit des projektsgemäßen Ausbaues der Umfahrungsstraße bestreitet. Es kann daher auch dem Ergebnis der Überlegungen der Beschwerdeführerin nicht zugestimmt werden, daß bei einem dreispurigen Ausbau der geplanten Umfahrungsstraße nicht einmal eine teilweise Enteignung ihres Grundstückes notwendig sei. Gerade die gegenteilige Ansicht ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren in dieser Hinsicht unbestritten gebliebenen Gutachten des technischen Amtssachverständigen. Schließlich treffen auch die in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen in der Beschwerde nicht zu, daß im Bereich des Grundstückes der Beschwerdeführerin weit und breit keine Straßenkreuzungen vorhanden seien, da sich das Gegenteil aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Projektsunterlagen ergibt. Es trifft aber sohin auch der gerügte Verfahrensmangel nicht zu, daß dem Enteignungsverfahren ein bereits seit Jahren überholter und ungültiger Plan für die Herstellung der Umfahrungsstraße zugrunde gelegt worden sei.

Zu der in der Beschwerde neuerlich aufgeworfenen Frage der Tieflage einer Straßenführung hat nun zwar der technische Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich Stellung genommen, obwohl er ganz allgemein die bestehende Straßenführung als projektsgemäß erforderlich erachtete. In ihrer Gegenschrift hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Höhenlage der neuen Trasse sich schon durch ihre Funktion als Verbindungsstraße ergebe und die bestehenden Kreuzungsabstände für eine Trassenführung im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht nur nicht möglich wären, sondern darüber hinaus wesentliche Mehrkosten zur Folge hätten. In der Beschwerde wird nun zwar behauptet, daß der Einwand, der Bau einer Straße in Tieflage käme teurer zu stehen, falsch wäre, allein diese Behauptung wurde nicht näher begründet. Wenngleich der Amtssachverständige während der mündlichen Verhandlung auf das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin unmittelbar hätte eingehen müssen, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keinen wesentlichen Verfahrensmangel zu erkennen, weil auf diese Frage schon im Technischen Bericht eingegangen worden ist und auf Grund der dargelegten Erwägungen auch bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre.

Daß die Lärmbelästigung, welche von der Umfahrungs-straße ausgehen wird, zu Recht nicht als Abweisungsgrund für die beantragte Enteignung geltend gemacht werden kann, hat bereits der Landeshauptmann von Oberösterreich zutreffend im erstinstanzlichen Bescheid begründet. Auf welche Weise aber eine unzumutbare Lärmbelästigung herabgesetzt werden wird, war im Rahmen des Enteignungsverfahrens nicht näher zu erörtern.

Soweit in der Beschwerde der Versuch unternommen wird, durch eine Rechenoperation darzutun, daß eine wesentlich größere Fläche hätte enteignet werden müssen als sie im Grundeinlösungsplan ausgewiesen wird, geht die Beschwerdeführerin von Annahmen aus, die mit dem Grundeinlösungsplan nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Die Entfernung einer bestimmten Mauer kann nämlich nicht gleichgesetzt werden der Verlängerung der Grundgrenze im hier maßgeblichen Bereich. Auf diesen Umstand hat auch die mitbeteiligte Partei in ihrer Äußerung zum Berufungsvorbringen hingewiesen. Daß aber der Einlösungsplan unrichtig erstellt worden sei, hat nicht einmal die Beschwerdeführerin behauptet.

Bezüglich des Antrages auf Einlösung reicht es aus darauf hinzuweisen, daß bei der Enteignung einer Grundfläche von 78 m2 angesichts eines Gesamtausmaßes des Grundstückes von 1306 m2 nicht zu Recht von einem Restgrundstück im Sinne des § 18 des Bundesstraßengesetzes gesprochen werden kann, zumal die verbleibende Grundfläche samt bestehendem Gebäude nach wie vor bei weitem die an einen Bauplatz zu stellenden Voraussetzungen erfüllt. Die zu befürchtenden bzw. zu erwartenden Lärmbelästigungen und Abgasbelästigungen stellen aber keinen Grund dar, der eine Grundeinlösung im Sinne des Gesetzes berechtigt erscheinen ließe, wären doch nach der Annahme der Beschwerdeführerin zahlreiche bewohnte Gebäude in gleicher oder ähnlicher Lage infolge Beeinträchtigung durch den Verkehr für Wohnzwecke nicht mehr verwendbar. Keinesfalls kann aber das bestehende Grundstück samt Gebäude als ein nicht mehr zweckmäßig nutzbarer Grundstücksrest im Sinne des § 18 des Bundesstraßengesetzes 1971 beurteilt werden.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985 im Rahmen des gestellten Antrages.

Wien, am 3. April 1986

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