VwGH 85/05/0145

VwGH85/05/014528.1.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde des Ing. FT in W, vertreten durch Dr. Ernst Zörnlaib, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Cottagegasse 39, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. März 1984, Zl. MDR-B XXIII-10/82, betreffend ein Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: EA in P, vertreten durch Dr. Walter Lattenmayer, Rechtsanwalt in Wien I, Mahlerstraße 11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §70;
BauRallg impl;
BauRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985050145.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 17. Dezember 1980 suchte der Beschwerdeführer beim Magistrat Wien um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses und einer Garage auf der ihm gehörigen Liegenschaft W, V-gasse 23, an. Dem nachgereichten Plan, betreffend Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen, kann entnommen werden, daß nach dem Flächenwidmungsplan die Liegenschaft im Wohngebiet zu liegen kommt, wobei der Bebauungsplan die Bauklasse I, die geschlossene Bauweise und eine maximal zulässige Gebäudehöhe von 7,50 m vorsieht. An der Straßenfront im Bereich der V-gasse ist ein 5 m breiter Vorgarten vorgesehen, der hintere Bereich der Liegenschaft ist gärtnerisch auszugestalten.

Nach einer Reihe von Verfahrensschritten und Durchführung einer mündlichen Verhandlung bewilligte der Wiener Magistrat mit Bescheid vom 7. Jänner 1982 das Bauvorhaben des Beschwerdeführers und verwies Einwendungen der mitbeteiligten Partei als Nachbarin zum Teil auf den Zivilrechtsweg, zum Teil wies er sie als unbegründet ab bzw. erklärte er sie zum Teil, als nur gegen ein ursprünglich eingereichtes Projekt erhoben, für rechtlich unerheblich. Den dieser Bewilligung zugrunde liegenden Plänen kann entnommen werden, daß unmittelbar anschließend an den Vorgarten auf dem Grundstück Nr. nn1, KG W ein Gebäude errichtet werden soll, welches im Erdgeschoß eine Garage und einen Durchgang enthält, im Obergeschoß einen Trockenraum sowie einen Balkon, zugänglich durch eine Außenstiege. Im hinteren Bereich auf dem Grundstück Nr. nn2 (80) soll ein 14,50 m langes und 5,26 bis 5,88 m breites, einstöckiges, unterkellertes Hauptgebäude errichtet werden. Im Erdgeschoß sind dem Plan nach eine Diele, ein Wirtschaftsraum, eine Wohnküche sowie Nebenräume, im Obergeschoß eine Diele, WC sowie zwei Zimmer vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei das Rechtsmittel der Berufung und beantragte, der Baubehörde erster Instanz bestimmte Verfahrensergänzungen aufzutragen, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Baubewilligung zu versagen sowie das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung eines von ihr eingeleiteten Verfahrens auf Überprüfung der Bebauungsbestimmungen bzw. eines Umlegungs- und Grenzberichtigungsverfahrens zu unterbrechen.

Am 19. April 1982 fand eine Berufungsverhandlung statt, bei welcher die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen mit dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Gemeinderatsbeschluß vom 26. April 1968, Plandokument 4630 - dem damals geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan -, verglichen wurde. Als Ergebnis wurde festgehalten, daß Widmung, Bauklasse und Vorgartentiefe offensichtlich richtig dargestellt worden seien. Der Vertreter der mitbeteiligten Partei verwies jedoch darauf, daß die tatsächliche Figuration der Grundstücke von der Darstellung im Plandokument erheblich abweiche. Bei der Magistratsabteilung 64 sei bereits ein Antrag auf Einleitung eines Umlegungs- und Grenzberichtigungsverfahrens eingebracht. Geltend gemacht wurde auch vom Vertreter der Mitbeteiligten, daß der an der vorderen Baufluchtlinie gelegene Bauteil nicht der Widmung Wohngebiet entspreche. Zum Verlauf der Grundgrenze zwischen den Liegenschaften des Beschwerdeführers und der Mitbeteiligten wurde festgehalten, es sei aus den Bescheiden der Gemeinde W vom 22. Mai 1934 und des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Juni 1966 ersichtlich, daß zunächst an der gemeinsamen Grundgrenze zwei Wohngebäude aneinander gebaut gewesen seien. Die Plandarstellung im Akt des Wiener Magistrates deute darauf hin, daß die beiden Gebäude an der Grundgrenze eine gemeinsame Feuermauer aufgewiesen hätten, in der sogar ein gemeinsamer Kamin angeordnet gewesen sei.

Weiteres wurde bei dieser Verhandlung festgehalten, daß die Bauplätze an der V-gasse eine ungünstige Figuration aufwiesen, doch sehe der Beschwerdeführer angesichts des vorhandenen Baubestandes und der nunmehr geltenden Planung keine Möglichkeit, die Grenzziehung zu verändern. Die Mitbeteiligte wäre demgegenüber durchaus zu Verhandlungen über dieses Thema bereit und könnte sich sogar eine Beseitigung des Baubestandes auf ihrer Liegenschaft vorstellen.

Am 27. Juli 1982 ersuchte der Beschwerdeführer beim Wiener Magistrat, also bei der Baubehörde erster Instanz, um eine Planwechselgenehmigung betreffend bauliche Abänderungen und Umwidmung des Trockenraumes in eine Wohnung bezüglich des mit Bescheid vom 7. Jänner 1982 genehmigten Garagengebäudes. Gleichzeitig teilte der Beschwerdeführer der für die Bearbeitung der Berufung zuständigen Dienststelle des Wiener Magistrates, der Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro, mit, daß er um die Planwechselgenehmigung betreffend Umwidmung des Trockenraumes in eine Kleinwohnung angesucht habe. Das genannte Ansuchen wurde sodann vom Wiener Magistrat der Bauoberbehörde für Wien übermittelt.

Am 15. Oktober 1982 fand eine neuerliche Berufungsverhandlung statt, bei welcher festgehalten wurde, daß der Beschwerdeführer nunmehr eine Änderung der Planung in Ansehung des Gebäudes an der vorderen Baufluchtlinie vorgenommen habe, und zwar dergestalt, daß nunmehr anstelle der Errichtung eines Trockenraumes über der Garage und dem Eingang die Herstellung einer aus Wohnküche, Zimmer, Vorraum, Bad und WC bestehenden Wohnung beabsichtigt sei. Zu dieser Wohnung gelange man über eine nicht überdachte Stiegenanlage, welche seitlich gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführerin durch eine Mauer abgeschlossen werde. Der Beschwerdeführer habe den Auswechslungsplan so erstellt, als wäre der ursprüngliche Plan rechtskräftig bewilligt, das ursprüngliche Projekt sei dementsprechend als Altbestand (grau) eingezeichnet, während die Änderungen durch rote bzw. gelbe Färbung hervorgehoben seien. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, daß der Plan unter Berücksichtigung des Umstandes zu erstellen wäre, daß die gesamte Baulichkeit ein Neubau sei. Überdies wäre die Mauer neben der Stiegenanlage darzustellen. Die Mitbeteiligte verwies darauf, daß sich in der Nähe der Grundgrenze ein Rauchfang ihres Gebäudes befinde, dessen Ausmündung durch den geplanten Neubau überragt würde. Dadurch würde voraussichtlich eine Beeinträchtigung der Zugverhältnisse eintreten und sie lege jetzt schon Wert auf eine entsprechende Abhilfe. Der Verhandlungsleiter erläuterte daraufhin die Bestimmungen des § 126 Abs. 4 der Bauordnung für Wien und es wurde festgehalten, daß dann, sollte es im Zuge einer Bauführung auf der Liegenschaft gleichzeitig zu einer Aufmauerung des Rauchfanges des Nachbargebäudes kommen, hiefür eine Baubewilligung erforderlich wäre. Das Ansuchen könnte von jedermann eingebracht werden, bedürfte jedoch der Zustimmung der Mitbeteiligten als Grundeigentümerin. Der Beschwerdeführer erklärte sich ausdrücklich bereit, eine angemessene Erhöhung des Rauchfanges auf der Nachbarliegenschaft vorzunehmen. Die Mitbeteiligte brachte noch vor, daß das geänderte Bauvorhaben nicht dem geltenden (neuen) Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entspreche, und es könne auf Grund der ursprünglichen Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen eine solche Projektsänderung nicht vorgenommen werden. Nach dem Gemeinderatsbeschluß vom 30. Oktober 1981 Plandokument 5667 - Teil 1, sei jener Teil der Liegenschaft, auf der das Gebäude zu stehen kommen solle, gärtnerisch auszugestalten. Dem Bauwerber wurde für die Vorlage richtiger (Färbung und Ergänzung) Pläne eine Frist von drei Wochen eingeräumt; er wurde darauf hingewiesen, daß dann, sollte die Frist fruchtlos verstreichen, auf Grund der vorhandenen Pläne entschieden werde. Der beschwerdeführende Bauwerber bestritt, daß eine wesentliche Projektsänderung erfolgt sei. Es seien lediglich Änderungen bei den Raumwidmungen vorgenommen worden. In der Folge änderte der Beschwerdeführer den neu vorgelegten Plan.

Mit Schreiben vom 19. November 1982 wurden die Parteien des Verfahrens zur Stellungnahme dazu aufgefordert, ob durch die Umgestaltung des Trockenraumes zu einer Wohnung nicht eine Maßnahme vorgenommen worden sei, die als Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien zu qualifizieren sei. Liege eine Änderung des Projektes vor, die bei einem ausgeführten Bauvorhaben als Umbau zu qualifizieren wäre, so sei möglicherweise eine neue Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen erforderlich. In diesem Zusammenhang wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1982, Zl. 05/2723, 2729 und 2727/79, verwiesen.

Die mitbeteiligte Partei qualifizierte diese Änderung des Bauvorhabens als Umbau, für welchen eine neue Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen erforderlich sei. Da sohin das Ansuchen des Bauwerbers nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspreche, sei es abzuweisen. Weiters wurde darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer sein Bauansuchen zwar mit einer Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom 8. November 1979 belegt habe, deren weitere Gültigkeit am 18. Jänner 1981 bestätigt worden sei, doch sei die Jahresfrist gemäß § 11 der Bauordnung am 8. November 1980 abgelaufen. Der Antrag auf Bestätigung der weiteren Gültigkeit sei daher erst nach Ablauf der einjährigen Frist gestellt worden, eine Vorgangsweise, die dem Gesetz nicht entspreche.

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Äußerung vom 15. Dezember 1982 vor, daß sein ursprüngliches Bauvorhaben im Hinblick auf die Berufung seiner Nachbarin bisher noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Für dieses Vorhaben habe er um Planwechselgenehmigung ersucht, und es sei noch die ursprüngliche Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen gültig. Als Umbau könne die Änderung der Einreichpläne nicht gewertet werden, weil ja das ursprünglich geplante Haus noch nicht gebaut, ja nicht einmal die Bewilligung hiefür rechtskräftig erteilt worden sei. Für eine Planwechselgenehmigung sei aber gemäß § 9 der Bauordnung für Wien die neuerliche Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen nicht vorgesehen. Das ursprüngliche Projekt sei so geplant worden, daß die spätere Widmung des Trockenraumes als Wohnraum nur geringfügige bauliche Änderungen, wie die Errichtung eines Kamines an der rechten Grundstücksgrenze und die Herstellung von Zwischenwänden, erfordere. Solche bauliche Änderungen seien bei einem bestehenden Bau auch nach den neuen Bebauungsbestimmungen unter Bezug auf § 69 gemäß § 70 der Bauordnung zu genehmigen. Nachbarrechte würden nicht verletzt werden. Wenn die geplanten baulichen Änderungen nicht genehmigt würden, ersuche er um Genehmigung für das ursprünglich eingereichte und mit erstinstanzlichem Bescheid bewilligte Bauvorhaben. Nach einer Polemik gegenüber der zwischenzeitigen Abänderung der Bebauungsbestimmungen beantragte der Beschwerdeführer abschließend, sein Bauansuchen unter Bezugnahme auf die bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen zu genehmigen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung der mitbeteiligten Partei als unzulässig zurückgewiesen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung des geänderten Bauvorhabens gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründete die Bauoberbehörde für Wien ihre Entscheidung im wesentlichen damit, die Baubehörde erster Instanz habe die geschlossene Bauweise offensichtlich dadurch als verwirklicht angesehen, daß an der vorderen Baufluchtlinie über die gesamte Breite des Bauplatzes eine Garage mit einem daneben gelegenen Eingang (Durchgang) und einem darüber befindlichen Trockenraum errichtet werden sollte. Ein solches Gebäude sei in Wohngebieten gemäß § 6 Abs. 6 der Bauordnung nicht zulässig und es könne wegen seiner Mehrgeschossigkeit auch keinesfalls als Nebengebäude gewertet werden. Objektiv gesehen, sei es verfehlt gewesen, davon auszugehen, daß durch die Errichtung der Garage mit darüber befindlichem Trockenraum die geschlossene Bauweise verwirklicht werde. Diese vom Bauwerber durch seine Planung zum Ausdruck gebrachte und von der Erstinstanz übernommene Rechtsansicht liege jedoch der mit Bescheid vom 7. Jänner 1981 (richtig wohl: 1982) erteilten Bewilligung zugrunde. Sie stelle auch eine unlösbare Verbindung mit dem Gebäude an der vorderen Baufluchtlinie und dem Wohnhaus her, weil dieses der Forderung des § 76 Abs. 8 der Bauordnung nicht entspreche und daher nur errichtet werden dürfe, wenn ein anderes zulässiges Gebäude auf dem Bauplatz die geschlossene Bauweise herstelle. Für den Ausgang dieses Verfahrens sei nur die erwähnte unlösbare rechtliche Verbindung zwischen den beiden Gebäuden wesentlich, nicht jedoch die Frage, ob das Projekt in seiner ursprünglichen Form bewilligungsfähig gewesen wäre. Durch die während des Berufungsverfahrens vorgenommene Planänderung habe der Bauwerber die Entscheidungsgrundlagen verändert. Er wolle den Trockenraum über der Garage an der vorderen Baufluchtlinie durch eine Wohnung ersetzen und nehme damit eine Projektsänderung vor, die der Legaldefinition des Umbaues gemäß § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung entspreche. Darnach seien unter Umbau jene Änderungen eines Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, daß nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen sei. Ein Umbau liege auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Durch die Planänderung sei der das gesamte Obergeschoß des vorderen Gebäudes einnehmende Trockenraum zu einer Wohnung geworden. Schon aus diesem Grunde liege ein Umbau vor. Im übrigen sei nunmehr das Gebäude, das im Erdgeschoß eine Garage neben dem Eingang und im Obergeschoß eine Wohnung aufweisen solle, eindeutig als Wohngebäude zu qualifizieren. Planänderungen während des erstinstanzlichen Verfahrens oder während eines Berufungsverfahrens müßten die Identität des Bauvorhabens nicht berühren. Die während des Berufungsverfahrens vorgenommene Projektsänderung bewirke aber wegen ihres Umfanges, daß das nunmehr zu behandelnde Bauansuchen nicht mehr mit jenem ident sei, das von der Erstinstanz bewilligt worden sei. Als Baubehörde zweiter Instanz sei die Bauoberbehörde für Wien nicht in der Lage, über dieses neue Projekt zu entscheiden, ohne daß ihrem Verfahren ein erstinstanzliches, das neue Projekt betreffendes Verfahren vorangegangen wäre. Die Bauoberbehörde für Wien sei zur Behandlung dieses Ansuchens zumindest derzeit unzuständig. Diese Meinung sei vom Beschwerdeführer indirekt durch die Behauptung bekämpft worden, die von ihm vorgenommene Planänderung sei keinem Umbau gleichzuhalten. Über die strittige Frage der Zuständigkeit sei somit durch Bescheid zu entscheiden gewesen. Der Eventualantrag, im Falle der Abweisung des geänderten Bauansuchens über das Bauansuchen in seiner ursprünglichen Fassung zu entscheiden, gehe ins Leere. Durch die Planänderung sei das ursprüngliche Projekt untergegangen und durch ein neues ersetzt worden. Es könne nicht durch einen späteren Antrag gleichsam wiederbelebt, sondern höchstens neu eingebracht werden. Die Berufung der Mitbeteiligten sei zurückzuweisen gewesen, weil das von ihr bekämpfte Projekt nicht mehr vorhanden sei. Es sei durch ein neues Projekt ersetzt worden, für dessen Behandlung jedoch derzeit keine Zuständigkeit der Berufungsbehörde gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 19. Juni 1985, B 439/84, ablehnte und sie gleichzeitig an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben. Er erachtet sich in seinen Rechten nach der Bauordnung für Wien und nach dem Wiener Garagengesetz sowie aus dem in erster Instanz erlassenen Bescheid verletzt, weiters in seinem Recht nach §§ 63 ff AVG 1950, daß über die in der Berufung der mibeteiligten Partei ausgeführten Einwendungen in merito entschieden werde. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ergibt sich schon aus der zur Auslegung des Spruches des angefochtenen Bescheides herauszuziehenden Begründung, daß zwischen der Zurückweisung der Berufung der mitbeteiligten Partei und der Zurückweisung des Bauansuchens des Beschwerdeführers ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Auch der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid zur Gänze und beantragt seine Aufhebung zur Gänze. Der Gerichtshof hatte daher den gesamten angefochtenen Bescheid gemäß § 41 Abs. 1 VwGG in Prüfung zu ziehen.

Im Beschwerdefall ist weiter davon auszugehen, daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde auf Grund der Berufung der mitbeteiligten Nachbarin ihre Prüfungsbefugnis hinsichtlich des angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides auf jenen Themenkreis zu beschränken hatte, in dem die Mitbeteiligte mitzuwirken berechtigt ist. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 ist ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A). Ein Nachbar kann darüber hinaus, wie gleichfalls in dem genannten Erkenntnis eines verstärkten Senates ausgeführt worden ist, im Zuge des Berufungsverfahrens nur jene subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen, die er rechtzeitig zum Gegenstand von Einwendungen im unterinstanzlichen Verfahren gemacht hat. Diese Präklusionsfolgen nach § 42 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde zu beachten, und sie können auch nicht dadurch beseitigt werden, daß die Berufungsbehörde allenfalls eine neuerliche mündliche Verhandlung über das Baubewilligungsverfahren anberaumt. Nun hat die Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro als Geschäftsstelle der Berufungsbehörde den Gegenstand ihrer Verhandlung vom 19. April 1982 dahingehend umschrieben, daß er die Berufung einer Nachbarin gegen den erstinstanzlichen Bescheid, welcher näher genannt wurde, betrifft. Gerade auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung sah sich der Beschwerdeführer veranlaßt, sein Bewilligungsvorhaben betreffend das Garagengebäude samt Trockenraum abzuändern, weil er widrigenfalls eine Versagung seines in erster Instanz bewilligten Vorhabens befürchtete. Jedenfalls wollte aber der Beschwerdeführer mit dieser Änderung des Bauvorhabens erreichen, daß das ursprünglich eingereichte und von der Baubehörde erster Instanz bewilligte Bauvorhaben zumindest auf diese Weise bewilligt werde, wie er klar in seiner Beschwerde ausführt. Im Gegensatz zur Begründung des angefochtenen Bescheides kann sohin nicht davon ausgegangen werden, daß das von der Behörde erster Instanz bewilligte Projekt durch die vorgenommene Projektsänderung untergegangen, also nicht mehr Gegenstand des Bauwillens des Beschwerdeführers sei. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer auch auf Grund der von der Baubehörde zweiter Instanz ergangenen Einladung zur Stellungnahme in seiner Äußerung vom 15. Dezember 1982 ausgeführt: "Wenn die geplanten baulichen Änderungen nicht genehmigt werden, ersuche ich um Genehmigung für das ursprünglich eingereichte und mit Bescheid des Magistrates der

Stadt Wien ... bewilligte Bauvorhaben." Dieses Vorbringen läßt

unschwer erkennen, daß der Beschwerdeführer keinesfalls daran gedacht hat, bei der Baubehörde erster Instanz neuerlich um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung anzusuchen, vielmehr wollte er jedenfalls eine endgültige Entscheidung über das seit dem Jahre 1980 anhängige Bauansuchen erreichen. Tatsächlich hat ja auch der Beschwerdeführer nicht den ursprünglichen Bauplan abgeändert, sondern neue Pläne bezüglich der von ihm vorgenommenen Abänderungen vorgelegt, so daß der belangten Behörde sowohl Pläne für das in erster Instanz bewilligte Bauvorhaben als auch abgeänderte Baupläne vorlagen. Der vom Beschwerdeführer verwendete Ausdruck "Planwechsel" spricht zwar für die Auffassung, daß der neu eingereichte Bauplan den ursprünglichen Bauplan bezüglich der Abänderungen ersetzen sollte, allein die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 15. Dezember 1982 lassen eine solche Auffassung nicht erkennen und er hat insbesondere nie zum Ausdruck gebracht, das ursprüngliche, von der Baubehörde erster Instanz bereits bewilligte Bauvorhaben zurückzuziehen. Gegen die letztgenannte Deutung spricht insbesondere auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer das abgeänderte Bauvorhaben ja zunächst bei der Baubehörde erster Instanz eingereicht hat, und nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien es durchaus möglich ist, für ein und dasselbe Grundstück zwei verschiedene baubehördliche Bewilligungen zu beantragten.

Wie immer aber die Ausführungen im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 1982 zu verstehen sind, die belangte Behörde hätte ohne neuerliches Befragen des Beschwerdeführers nicht annehmen dürfen, das ursprünglich eingereichte und von der Baubehörde erster Instanz bewilligte Bauvorhaben sei durch die vorgenommenen Planänderungen als gegenstandslos zu bewerten. Bei der gegebenen Situation wäre vielmehr der Wille des Beschwerdeführers neuerlich zu erforschen gewesen, und zwar unter Hinweis auf die möglichen rechtlichen Konsequenzen. Zutreffend hat ja die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiedergegeben, wonach dem Bauwerber nahezulegen ist, mögliche Versagungsgründe zu beseitigen. Im Beschwerdefall ist nun offensichtlich die Planänderung auf Grund einer im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführten Verhandlung in Aussicht genommen worden, obwohl eine solche Änderung die Grenzen einer zulässigen Änderung im Zuge des Berufungsverfahrens überschreitet, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Der Beschwerdeführer wollte aber durch die Planänderung jedenfalls seine rechtliche Position nicht verschlechtern, sondern vielmehr verbessern, und es kann ihm aber nicht unterstellt werden, er habe durch seine Auffassung, die vorgenommene Planänderung sei einem Umbau nicht gleichzuhalten, der Bauoberbehörde für Wien eine sachliche Behandlung seines Ansuchens unmöglich machen wollen, so daß über die strittige Frage der Zuständigkeit durch Bescheid hätte entschieden werden müssen; in Wahrheit ging es daher nicht darum, wie die belangte Behörde meint, daß ein früherer Antrag durch einen späteren Antrag gleichsam wiederbelebt werden soll, sondern um die Tatsache, daß der ursprüngliche Antrag nie untergegangen ist, was sich auch darin dokumentiert, daß nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides der erstinstanzliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen wäre, während die belangte Behörde in der Begründung von einem "Nichtbestehen" ausging, also die weitere Anhängigkeit des bewilligten Projektes irrtümlich verneinte. Auf Grund der zulässigen Berufung hätte die belangte Behörde jedenfalls eine Sachentscheidung treffen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof folgt daher der Auffassung des Beschwerdeführers aus seinen Erklärungen und seinem Verhalten sei jedenfalls zu folgern gewesen, daß er auf seine Rechte aus der erstinstanzlichen Bewilligung durch seinen späteren Antrag nicht verzichten wollte, mag nun die Projektsänderung als eine bloße Abänderung oder ein Umbau qualifiziert werden. Schon aus diesem Grunde war seiner Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Aus prozeßökonomischen Erwägungen sei noch bemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde teilt, im Hinblick auf die Begriffsbestimmung des § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien sei die vorgenommene Projektsänderung gegenüber dem ursprünglichen Projekt als Umbau zu qualifizieren. Eine solche Änderung des Projektes überschreitet den im Berufungsverfahren zulässigen Rahmen von Projektsänderungen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, und zwar im Rahmen des gestellten Antrages.

Wien, am 28. Jänner 1986

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