VwGH 85/04/0224

VwGH85/04/02246.5.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Griesmacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Egger, über die Beschwerde des JK in L, vertreten durch Dr. Johannes Worm, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Oktober 1985, Zl. Ge-27.100/1-1985/Sch/Hin, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §1 Abs2;
GewO 1973 §1 Abs3;
GewO 1973 §2 Abs1 Z18;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1985040224.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. August 1985 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, zumindest am 4. März 1985 um ca. 20.00 Uhr im Ortsgebiet von St. Michael bei Privatpersonen Bestellungen über die Lieferung von Zeitschriften durch einen Verlag entgegengenommen zu haben, obwohl er nicht im Besitz einer dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung gewesen sei und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begangen zu haben. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer nach dieser Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 4 Tage) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Eingabe vom 4. April 1985 habe die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet. Dieser arbeite für HK in L, der im Besitz einer Gewerbeberechtigung für "Privatgeschäftsvermittlung (Vermittlung von Zeitschriften)" sei, als Provisionsvertreter (freier Mitarbeiter); bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse sei der Beschwerdeführer nicht gemeldet. Gegen die Strafverfügung vom 12. April 1985 habe der Beschwerdeführer Einspruch erhoben und sich dahin gerechtfertigt, daß im vorliegenden Fall eine Legitimationspflicht gemäß § 62 GewO 1973 nicht vorliege, da der Kleinverkauf periodischer Druckschriften vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen sei. Hiezu sei auszuführen, die dem Beschwerdeführer angelastete Tätigkeit falle nicht unter die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 18 GewO 1973, da sie nicht im Kleinverkauf periodischer Druckschriften bestehe, sondern eine Vermittlungstätigkeit darstelle, und zwar die Vermittlung von Bestellungen über die Lieferung von Zeitschriften durch einen Verlag, die nach der Gewerbeordnung den Gegenstand eines freien Gewerbes bilde. Die Entgegennahme einer Bestellung für einen anderen Rechtsträger stelle dem Wortsinn nach keinen Verkauf, sondern eben bezogen auf jene Person, die die Bestellung für einen Dritten (Verlag) entgegennehme, eine Tätigkeit dar, mit der der Abschluß eines Kaufvertrages zwischen dem Käufer und dem Verkäufer vermittelt werde. Der Beschwerdeführer hätte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nur dann nicht begehen können, wenn er ein Angestellter des HK gewesen wäre. Dies sei jedoch nach den durchgeführten Erhebungen nicht der Fall, ein Dienstvertrag sei ebenfalls nicht vorgelegt worden. Ein "dienstnehmerähnliches" Verhältnis genüge nicht, den Beschwerdeführer vom Erfordernis einer Gewerbeberechtigung zu entbinden.

Eine dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 25. Oktober 1985 im Grunde des § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 51 VStG 1950 als unbegründet ab und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, der Beschwerdeführer bekämpfe das erstbehördliche Straferkenntnis im wesentlichen mit dem Vorbringen, daß seine Tätigkeit unter die Ausnahmebestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 18 GewO 1973 falle, weil sie einen Teil des Kleinverkaufes von periodischen Druckschriften, nämlich die Werbung von Interessenten, darstelle. Es könne nicht im Sinne des Gesetzes sein, eine bestimmte Tätigkeit nicht der Gewerbeordnung zu unterstellen, die hiezu notwendigen Hilfstätigkeiten jedoch schon. Weiters sei die Erstbehörde auf sein Vorbringen, daß ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliege, nicht eingegangen. Er habe den Umfang seiner Tätigkeit genau beschrieben, wobei aus seiner Darstellung hervorgehe, daß diese den arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Dienstnehmer unterliege, auch wenn die Voraussetzungen für eine Lohnsteuerpflicht oder Sozialversicherungspflicht nicht gegeben seien. Hiezu sei auszuführen, daß der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen das Vorliegen des Merkmales der Selbständigkeit, das für die Einstufung einer Tätigkeit als "gewerblich" gegeben sein müsse, bestreite. Es sei ihm nur insoweit zu folgen, als ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliege und aus der Tatsache der Selbstversicherung und dem Fehlen einer Lohnsteuerpflicht nicht zwingend auf eine selbständige gewerbliche Tätigkeit geschlossen werden könnte. Die beanstandete Tätigkeit des Beschwerdeführers sei aus folgenden Gründen als selbständig zu werten: Er habe eine Dienstanweisung lediglich hinsichtlich der Region seiner Tätigkeit, nicht aber hinsichtlich seiner Arbeitszeit, seiner Arbeitseinteilung und seines Arbeitsausmaßes erhalten. Es seien ihm keine Kunden zugewiesen worden und er habe kein vorher fix vereinbartes Gehalt (Lohn und Entgelt) bezogen. Im übrigen stelle die Vermittlung von Zeitschriftenabonnements keine notwendige Hilfstätigkeit des Verkaufes von Zeitschriften dar. Die Hilfstätigkeit des Beschwerdeführers sei im wirtschaftlichen Sinn zu verstehen, er sei gleichsam als verlängerter Arm des Auftraggebers HK tätig gewesen. Der Auftraggeber könne auf Grund seiner Gewerbeberechtigung auch selbst Bestellungen sammeln. Ebenso könne er andere Personen für sich tätig werden lassen, die jedoch wiederum derselben Gewerbeberechtigung bedürften. Dem Berufungsvorbringen sei somit entgegenzuhalten, daß die Entgegennahme von Bestellungen auf Zeitschriftenabonnements keine notwendige Teiltätigkeit des Kleinverkaufes von periodischen Druckschriften darstelle. Die vom Beschwerdeführer betriebene "Werbung von Interessenten" sei ferner nicht nur darauf ausgerichtet gewesen, das Interesse an Zeitschriften zu wecken, sondern eben Bestellungen abzuschließen, zumal er daraus sein vom Arbeitserfolg abhängiges Einkommen beziehe. Aus diesen Gründen sei die Berufung als unbegründet abzuweisen und das erstbehördliche Straferkenntnis aus seinen zutreffenden Gründen zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, er sei freier Mitarbeiter der "Firma" HK, die das Gewerbe der "Privatgeschäftsvermittlung" (und zwar der Vermittlung von Zeitschriftenabonnements von Privatkunden an verschiedene Vertriebsfirmen in Österreich) mit dem Standort in L, betreibe. Er arbeite auf reiner Provisionsbasis und es sei sein Vertragsverhältnis zum Auftraggeber nach der herrschenden Rechtslage weder sozialversicherungs- noch lohnsteuerpflichtig. Er werde nach Übereinkunft mit dem Auftraggeber in einem "diesem eigentümlichen" Pkw auf dessen Kosten in ein bestimmtes Werbungsgebiet gebracht und gehe dort seiner Aufgabe, möglichst viele Zeitschriftenabonnements zu werben, nach, wobei er Auftragsblöcke mit dem Firmenkopf des Auftraggebers verwende. Er bringe aber diese Werbeaufträge dem Auftraggeber oder dessen Beauftragten und es würden von diesem die vereinbarten Provisionen nach Überprüfung der Aufträge ausbezahlt. Es liege vollkommen in seinem Belieben, ob und mit welcher Intensität er sich dieser Tätigkeit widme und es stehe ihm ebenso frei, seine Tätigkeit von einer Minute auf die andere abzubrechen. Es bestehe keine Betriebspflicht, ebensowenig träfen den Werber irgendwelche Verpflichtungen, die außerhalb seines normalen Lebensaufwandes lägen und mit seiner Tätigkeit speziell verbunden wären. Es träfen ihn keinerlei geschäftliche Haftungen oder Risken aus seiner Tätigkeit. Seine Tätigkeit unterliege im Rahmen des Kleinverkaufes von periodischen Druckschriften der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 18 GewO 1973. Abgesehen davon sei er als freier Mitarbeiter bei einem befugten Gewerbsmann im Rahmen des Gewerbes der Privatgeschäftsvermittlung, und zwar der Vermittlung von Zeitschriftenabonnements, von Privatkunden an verschiedene "Vertriebsfirmen" in Österreich, nicht selbständig im Sinne des § 1 GewO 1973. Der Kleinvertrieb von Zeitschriften erfordere bestimmte Arbeitsvorgänge, die sicherlich auch arbeitsteilig geführt werden könnten. Im Rahmen des gesamten Vorganges des Kleinvertriebes seien folgende Vorgänge im wirtschaftlichen Gesamtvorgang notwendig: 1.) Einkauf und innere Organisation,

  1. 2.) Marketing und Kundenwerbung, 3.) Auslieferung und
  2. 4.) finanzielle Abwicklung. Dieser Vorgang sei seit mehr als 20 Jahren marktüblich. Hätte der Gesetzgeber eine Änderung der bis dahin herrschenden Verhältnisse auf dem Vertriebssektor von periodischen Druckschriften gewünscht, so hätte er dies sicherlich in der Gewerbeordnung 1973 zum Ausdruck gebracht. Auf Grund seiner dienstnehmerähnlichen Tätigkeit gehe eindeutig hervor, daß "Selbständigkeit" im Sinne der Durchführung auf eigene Rechnung nicht gegeben sei. Er habe weder einen Kapitaleinsatz "zu tätigen", noch irgendwelche Betriebskosten zu leisten. Ebensowenig gehe er im eigenen Namen vor, um die Werbung durchzuführen, da auf den Bestellscheinen und auf dem beim Kunden verbleibenden Durchschlag lediglich die Unternehmensbezeichnung seines Auftraggebers ersichtlich sei. Richtig sei, daß eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von einem Auftraggeber oder seinen Auftraggebern der Selbständigkeit noch nicht Abbruch tue. Demgegenüber stehe aber, daß er kein Unternehmerrisiko trage, da er lediglich Gewinne erzielen, aber keinen wirtschaftlichen Verlust erleiden könne. Die Tatsache, daß die Höhe eines allfälligen wirtschaftlichen Gewinnes von seinem persönlichen Einsatz abhänge, könne nicht dazu beitragen, seine Selbständigkeit zu begründen, da ein gleiches Abhängigkeitsverhältnis bei jedem fix angestellten Vertreter auf Provisionsbasis vorhanden sei, mit dem geringfügigen Unterschied, daß dieser das kollektivvertragliche Mindestgehalt erhalten müsse, was jedoch lediglich eine soziale Absicherung darstelle.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 11. April 1980, Zl. 3162/78, dargetan hat, ist nach § 2 Abs. 1 Z. 18 GewO 1973 dieses Bundesgesetz auf den "Kleinverkauf" periodischer Druckschriften nicht anzuwenden. Der begriffliche Kern dieses Ausnahmetatbestandes liegt somit im Verkauf periodischer Druckschriften, d. h. im Abschluß und in der Abwicklung von Kaufverträgen. Wegen des notwendigen Zusammenhanges fällt unter den Ausnahmetatbestand auch das Beschaffen von periodischen Druckschriften durch den Kleinverkäufer und ferner die Entgegennahme von Bestellungen, die auf den Kauf periodischer Druckschriften im Rahmen des Kleinverkaufes gerichtet sind. Die Entgegennahme einer Bestellung für einen anderen Rechtsträger hingegen stellt dem Wortsinn nach keinen Verkauf, sondern bezogen auf jene Person, die die Bestellung für einen Dritten entgegennimmt, eine Tätigkeit dar, mit der der Abschluß eines Kaufvertrages zwischen dem Käufer und dem Verkäufer vermittelt wird.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung - die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist -, wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 1 Abs. 2 GewO 1973 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

Der Wortlaut "Rechnung und Gefahr" im § 1 Abs. 3 GewO 1973 ist in seinem Zusammenhalt zu verstehen und umschreibt danach das Selbständigkeitsmerkmal der Tragung des unternehmerischen Risikos, das im Sinne dieser Gesetzesbestimmung immer auch ein Tätigsein des Gewerbetreibenden auf eigene Rechnung miterfaßt. Die Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tätigkeit entfaltet wird, wer also das mit der Ausübung der Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko trägt, ist nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Momente und nicht allein nach den äußeren rechtlichen Formen zu beurteilen, in denen sich diese Tätigkeit abspielt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9263/A).

Im Zusammenhang damit wird in der Beschwerde ausdrücklich vorgebracht, daß der Beschwerdeführer bei völlig freier Tätigkeits- und Zeiteinteilung bzw. der Möglichkeit, seine Tätigkeit jederzeit abzubrechen, auf reiner Provisionsbasis arbeite.

Damit ist aber das vorher dargestellte Selbständigkeitsmerkmal im Sinne des § 1 Abs. 3 GewO 1973, nämlich des "Tätigseins auf eigene Rechnung" als erfüllt anzusehen, da - wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkte - das Entgelt ausschließlich vom Erfolg seiner Tätigkeit abhängig ist. Jedenfalls dadurch unterscheidet sich aber die Stellung des Beschwerdeführers als "freier Mitarbeiter auf reiner Provisionsbasis" entgegen seiner in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Meinung vom "angestellten Provisionsvertreter". Sofern der Beschwerdeführer weiters darauf verweist, daß auf den Bestellscheinen lediglich die Unternehmensbezeichnung seines Auftraggebers ersichtlich sei, kann somit dieser Umstand allein keine Änderung in der Annahme des auf seiner Seite im Sinne der obigen Darlegungen gegebenen Unternehmerrisikos herbeiführen. (Vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1979, Zl. 1046/77.)

Da sohin der belangten Behörde weder eine rechtswidrige Gesetzesanwendung anzulasten, noch ihr auch ein Verfahrensmangel vorzuwerfen ist, erweist sich die Beschwerde im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Gänze als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG ihre Abweisung zur Folge hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Ansatzes auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 6. Mai 1986

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