VwGH 84/03/0363

VwGH84/03/036310.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Riha, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger jun., Rechtsanwalt in Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 19. September 1984, Zl. 37.345/2- I/5-84, betreffend Feststellung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrzeuges, zu Recht erkannt:

Normen

LuftfahrtG 1958 §17;
LuftfahrtG 1958 §19;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer - ein Verein - teilte mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1983 dem Bundesamt für Zivilluftfahrt mit, daß ein Benützer des von ihm im nichtgewerblichen Verkehr betriebenen Motorseglers Grob 109, Werk Nr. 6031, Baujahr 1981, mit dem Kennzeichen OE-9192, am 7. Mai 1983 einen Totalschaden verursacht habe. Zur Feststellung der Lufttüchtigkeit des Motorseglers hatten regelmäßige Überprüfungen stattgefunden. Im letzten Prüfbericht vom 3. November 1982 finde sich der Stempelaufdruck: "Nächste Feststellung der Lufttüchtigkeit am 3. Mai 1983", wobei das im Stempel vorgesehene Wort "ab" auf "am" handschriftlich abgeändert worden sei. Die Versicherung, bei der das Luftfahrzeug kaskoversichert sei, weigere sich nun, den Schadensbetrag zu bezahlen, weil sie davon ausgehe, daß die Zulassung des Motorseglers "lediglich bis 3.5.1983 befristet erteilt worden" sei. Diese Ansicht halte der Beschwerdeführer für unrichtig. Zulassungen und Lufttüchtigkeitszeugnisse seien grundsätzlich zeitlich unbeschränkt. Die im Prüfungsbericht genannte Datumsfestsetzung habe sich ausschließlich auf die amtswegige Überprüfung des Luftfahrzeuges bezogen, ohne daß dadurch die Luftfahrttauglichkeit mit diesem Datum begrenzt gewesen wäre. Die Luftfahrttauglichkeit des Luftfahrzeuges sei daher am 3. Mai 1983 keineswegs verlorengegangen, weil an diesem Tag keine Überprüfung stattgefunden habe. Schon deswegen sei das Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 in luftfahrtrechtlicher Hinsicht zulässigerweise betrieben worden. Darüberhinaus sei mit Musterkennblatt SF 5/83 vom 28. Februar 1983 für die Motorsegler der Baureihe Grob G 109, und zwar "ab Werk Nr. 6011" die Lufttüchtigkeit generell ausgesprochen worden. Tatsächlich sei auch bei der Prüfstelle West des Bundesamtes für Zivilluftfahrt in Salzburg im Hinblick auf diese generelle Zulassung ein unbefristetes Lufttüchtigkeitszeugnis für den in Rede stehenden Motorsegler des Beschwerdeführers bereitgelegen. Wegen zeitlicher Schwierigkeiten habe dieses Schriftstück nicht vor dem Unfall abgeholt werden können, der Beschwerdeführer habe jedoch davon Kenntnis gehabt. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, die Behörde möge aussprechen, a) daß bereits auf der Grundlage des für den in Rede stehenden Motorsegler ausgestellten Lufttüchtigkeitszeugnisses im Zeitpunkt des Absturzes, ungeachtet des ungenützten Verstreichens des im Prüfbericht vom 3. November 1982 festgesetzten neuerlichen Prüfungstermines vom 3. Mai 1983, gemäß der einschlägigen Rechtslage die Lufttüchtigkeit weiterhin gegeben gewesen sei; b) daß darüberhinaus das Luftfahrzeug bereits auf der Grundlage der Musterzulassung, die mit Musterkennblatt SF 5/83 erfolgt sei, als lufttüchtig anzusehen gewesen sei und c) daß daher das Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 als luftfahrtrechtlich zugelassen in Betrieb genommen habe werden dürfen.

Mit Schriftsatz vom 17. Mai 1984 nahm der Beschwerdeführer zu der ihm zur Kenntnis gebrachten Ansicht der Behörde, daß das für das verfahrensgegenständliche Luftfahrzeug zuletzt ausgestellte Lufttüchtigkeitszeugnis in seiner Gültigkeit bis 3. Mai 1983 befristet gewesen sei und daher, da eine Verlängerung der Gültigkeit dieses Zeugnisses nicht erfolgt sei, eine Inbetriebnahme des Motorseglers nach diesem Zeitpunkte unzulässig gewesen sei, dahin Stellung, daß der Motorsegler gemäß § 12 ff LFG zugelassen worden und eine bescheidmäßige Befristung nicht ausgesprochen worden sei. Beim Lufttüchtigkeitszeugnis handle es sich um eine sachverständige Beurteilung und nicht um einen bescheidmäßig normativen Abspruch. Die sachverständige Beurteilung knüpfe an den Zustand des Luftfahrzeuges im Zeitpunkt ihrer Erstattung an. Das Lufttüchtigkeitszeugnis selbst sei daher nicht im normativen Sinn befristet, sondern es enthalte vielmehr nur den Hinweis für die Amtsorgane darauf, daß eine neuerliche Überprüfung zu einem vorgemerkten Zeitpunkt erfolgen werde. Diese Vormerkung sei gegenständlich mit 3. Mai 1983 vorgenommen worden. Das bedeute jedoch keineswegs, daß das Lufttüchtigkeitszeugnis nur bis 3. Mai 1983 "gültig" sei, sondern daß zu diesem Zeitpunkte eine neuerliche überprüfurig ins Auge gefaßt sei. Eine andere Deutung verwehre sich schon deshalb, weil den Lufttüchtigkeitszeugnissen selbst jede Normativität fehle, sie also keinen "Abspruch" im rechtlichen Sinn beinhalten und für einen solchen Abspruch auch jede gesetzliche oder verordnungsmäßige Grundlage gefehlt hätte. Daraus folge, daß das Lufttüchtigkeitszeugnis so lange erhalten bleibe, bis es durch ein neuerliches ersetzt werde. Diese Ersetzung obliege dem Amtsorgan im Zuge der neuerlichen Überprüfung. Fehle aber jeder normative Abspruch darüber, daß das Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 nicht mehr zugelassen, weil nicht mehr lufttüchtig gewesen sei (ein Widerruf der Zulassung nach § 19 LFG sei nie erfolgt), dann sei im Zeitpunkte des Flugunfalles aber das Luftfahrzeug ebenfalls als im Rechtssinne zugelassen zu betrachten, ungeachtet dessen, ob die Amtsorgane der an sich selbst gerichteten Vormerkung zur neuerlichen Erstattung eines Lufttüchtigkeitszeugnisses nachgekommen seien oder nicht. Zusammenfassend beantragte daher der Beschwerdeführer die Präzisierung seines bisherigen Vorbringens nochmals, festzustellen, daß die Zulassung für den in Rede stehenden Motorsegler am 7. Mai 1983 nicht abgelaufen gewesen sei.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1984 wies das Bundesamt für Zivilluftfahrt das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 1983 um bescheidmäßige Feststellung der Lufttüchtigkeit des in Rede stehenden Motorseglers bis zum Flugunfall am 7. Mai 1983 gemäß §§ 13, 17 Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957 (LFG), ab. Zur Begründung führte die Behörde aus, der Motorsegler sei vom Bundesamt für Zivilluftfahrt mit Zulassungsschein vom 27. August 1981 in Verbindung mit dem Lufttüchtigkeitszeugnis gleichen Datums zum nichtgewerbsmäßigen Luftverkehr zugelassen worden. Gemäß Punkt 6 des Lufttüchtigkeitszeugnisses sei der Weiterbestand der Lufttüchtigkeit bis zu dem auf der nächsten Seite bezeichneten Zeitpunkt zu überprüfen gewesen. Diese Zeitpunkte seien laut Lufttüchtigkeitszeugnis mit 31. Dezember 1981, 1. Jänner 1982, 22. Oktober 1982 und 3. Mai 1983 festgelegt worden. Da es sich gemäß Punkt 7 des Lufttüchtigkeitszeugnisses um die jeweils spätesten Zeitpunkte der nächsten Feststellung der Lufttüchtigkeit des Motorseglers gehandelt habe, sei ab 3. Mai 1983 mangels neuerlicher Feststellung der Lufttüchtigkeit diese aus luftfahrtbehördlicher Sicht nicht mehr gegeben gewesen. Daher könne die Luftfahrtbehörde nach Ablauf des letzten Zeitpunktes im gegenständlichen Lufttüchtigkeitszeugnis die Tatsache der Lufttüchtigkeit also z.B. für den 7. Mai 1983 nicht bescheinigen, zumal andere Untersuchungsergebnisse über diesen Unfall - etwa durch die Flugunfallskommission - nicht vorliegen. Dies schließe nicht aus, daß in einem behördlichen Verfahren (z.B. Gericht) durch entsprechende Hinweise über die Unfallursache auf den Fortbestand der Lufttüchtigkeit des Motorseglers am Unfallstag geschlossen werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin vor, daß die Ansicht der Erstbehörde, es erlösche die Zulassung des Motorseglers durch den Ablauf einer auf dem Lufttüchtigkeitszeugnis festgelegten Befristung automatisch bei Nichtvornahme der Überprüfung, unrichtig sei. Er bemängelte darin ferner, daß über seinen Antrag nicht entschieden worden sei. Der Sachantrag sei von ihm mit Eingabe vom 17. Mai 1984 unter Punkt 4 eindeutig dahingehend präzisiert worden, es möge festgestellt werden, daß die Zulassung für das verfahrensgegenständliche Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 nicht abgelaufen war.

Mit Bescheid vom 19. September 1984 gab der Bundesminister für Verkehr der Berufung keine Folge. Er bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, mit dem mit der Berufung bekämpften Bescheid habe die Erstbehörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Lufttüchtigkeit des in Rede stehenden Motorseglers bis zum Flugunfall am 7. Mai 1983 abgewiesen. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung werde beantragt, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die Feststellung zu treffen, daß die Zulassung für das angeführte Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 noch nicht abgelaufen gewesen war. Der Berufung komme jedoch keine Berechtigung zu. Im Antrag vom 18. Oktober 1983 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß der "verunfallte" Motorsegler kaskoversichert gewesen sei. Die Versicherung weigere sich nun, den Schadensbetrag abzudecken, weil sie davon ausgehe, daß die Zulassung des kaskoversicherten Luftfahrzeuges lediglich bis 3. Mai 1983 befristet erteilt worden sei. Aus diesem Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu ersehen, daß der Antrag auf Feststellung der Lufttüchtigkeit bis zum Flugunfall am 7. Mai 1983 aus rein wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber mit Erkenntnis vom 13. September 1982, Zl. 82/12/0011, entschieden, daß ein Feststellungsbescheid nicht durch ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse gerechtfertigt werden könne. Im gegenständlichen Fall sei jedoch die Erlassung eines Feststellungsbescheides aus rein wirtschaftlichen Aspekten beantragt worden. Es sei daher, wenn auch aus anderen Erwägungen als denen der Erstinstanz, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides bei Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen als verletzt. In Ausführung dazu bringt der Beschwerdeführer unter anderem neuerlich - wie schon im Verwaltungsverfahren - vor, er habe den an die Erstbehörde am 18. Oktober 1983 gestellten Antrag mit Schriftsatz vom 17. Mai 1984 dahingehend präzisiert, die Feststellung solle lauten, "daß die Zulassung für das verfahrensgegenständliche Luftfahrzeug am 7.5.1983 nicht abgelaufen war." In persönlichen Vorsprachen habe er noch ergänzend dargelegt, daß diese Feststellung deshalb erforderlich sei, weil die Frage des aufrechten Bestandes der Zulassung im Unfallszeitpunkt eine für einen etwaigen Prozeß gegenüber dem Versicherungsunternehmen unabdingbare Vorfrage darstelle, deren Entscheidung als Hauptsache ausschließlich den Luftfahrtbehörden vorbehalten sei. Demgegenüber spreche auch der angefochtene Bescheid über einen "Antrag auf Feststellung der Lufttüchtigkeit" ab, welcher Antrag in dieser Form gar nicht mehr Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und damit auch nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens habe sein können.

Der Beschwerdeführer ist schon mit diesem Vorbringen im Recht.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt wies mit Bescheid vom 13. Juli 1984 das Ansuchen des Beschwerdeführers "vom 18.10.1983 um bescheidmäßige Feststellung der Lufttüchtigkeit des Motorseglers" ab. Es übersah hiebei, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag vom 18. Oktober 1983 durch die im Schriftsatz vom 17. Mai 1984 vorgenommene Präzisierung dahin änderte, daß er nicht mehr die Feststellung der Lufttüchtigkeit des Motorseglers, sondern die Feststellung begehrte, daß die Zulassung für das verfahrensgegenständliche Luftfahrzeug am 7. Mai 1983 nicht abgelaufen war. Die Frage nach der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrzeuges (§ 17 LFG) ist von der Frage, ob die Zulassüng des Luftfahrzeuges aufrecht ist, zu unterscheiden, wobei vom aufrechten Bestand der Zulassung so lange auszugehen ist, als sie nicht von der Behörde widerrufen wurde (§ 19 LFG). Von der Erstbehörde wurde sohin über ein Begehren entschieden, das vom Beschwerdeführer zwar ursprünglich gestellt worden war, aber in der Folge nicht mehr aufrecht erhalten wurde. Sie nahm solcherart eine Zuständigkeit zu einer Entscheidung in Anspruch, für die die Grundlage fehlte. Die belangte Behörde hätte daher auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers, in der er ausdrücklich rügte, daß die Behörde über seinen Sachantrag nicht entschieden habe, den Bescheid der Vorinstanz mangels eines seinem Abspruch zugrundeliegenden Antrages beheben müssen und nicht in der Sache selbst entscheiden dürfen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führte, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, insbesondere mit der Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf die von ihm beantragte Feststellung zustand, erübrigte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 10. September 1986

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