VwGH 85/10/0043

VwGH85/10/004310.6.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Waldner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger über die Beschwerde des HS in D, vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 6-8/50, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Dezember 1984, Zl. II/3-40-S 40, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit am 17. Mai 1984 mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling wurde der nunmehrige Beschwerdeführer schuldig erkannt, "in der Zeit von Ende August bis dato in der KG. X auf Parz. Nr. 73/1 (Landschaftsschutzgebiet, Grünland) Erdbewegungen mit einer Niveauveränderung von mehr als einem Meter veranlaßt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 2 Z. 5 NÖ NSchG" begangen zu haben. Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 12 leg cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzarrest in der Dauer von acht Tagen verhängt. Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu bezahlende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 mit S 400,-- bestimmt. Die Begründung erschöpfte sich in der Feststellung, daß der Sachverhalt durch die Aktenlage erwiesen sei, und daß seit der letzten Bestrafung (gemeint offenbar: des Beschwerdeführers) im August 1983 eine Niveauveränderung von mehr als einem Meter vorgenommen worden sei, wofür eine Bewilligung bis dato nicht vorliege.

2. Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen - als Einspruch bezeichneten - Berufung führte die Niederösterreichische Landesregierung (die belangte Behörde) im Wege der Erstinstanz ergänzende Ermittlungen durch und wies sodann mit Bescheid vom 11. Dezember 1984 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab, wobei jedoch der Spruch des Straferkenntnisses wie folgt abgeändert wurde:

"und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 Z. 12 iVm § 6 Abs. 1 Z. 5 des NÖ Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500- 2, begangen."

Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens mit S 400,-- festgesetzt (§ 64 Abs. 2 VStG 1950).

Begründend führte die belangte Behörde aus, die durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß nicht nur die nichtbewilligungspflichtigen Anschüttungen vorgenommen worden seien, sondern der Beschwerdeführer, wie in der mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 17. Juli 1984 festgehalten, darüber hinaus Niveauveränderungen geduldet habe. Die Ablagerung des Aushubmaterials sowie die Planierung desselben stelle jedenfalls einen nach "§ 6 Abs. 2 Z. 7" des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes bewilligungspflichtigen Tatbestand dar. Gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. habe um die Bewilligung für die Niveauveränderung der Berechtigte, hier also der Beschwerdeführer, anzusuchen. Ohne Vorliegen einer naturschutzbehördlichen Bewilligung hätte der Beschwerdeführer die Anschüttung weder selbst vornehmen noch dulden dürfen. Was die Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers betreffe, so sei festzuhalten, daß die Kenntnis anderer Behörden von der Vornahme der Anschüttungen keinen Einfluß auf die Strafbarkeit habe. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, daß er bereits einmal wegen einer gleichartigen Verwaltungsübertretung bestraft worden sei, wissen müssen, daß die in Rede stehende Niveauveränderung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürfe; ohne eine solche Bewilligung hätte er jene nicht zulassen dürfen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer - zusammengefaßt - in seinem Recht, nicht der ihm angelasteten Übertretung schuldig erkannt und ihretwegen auch nicht bestraft zu werden, verletzt erachtet.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten, sich mit einem Hinweis auf die Begründung des bekämpften Bescheides begnügenden Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 6 Abs. 2 Z. 5 Niederösterreichisches Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 5500-0 (in der Folge: NSchG), bedürfen der Bewilligung der Behörde (d. i. gemäß § 13 leg. cit. der Bezirksverwaltungsbehörde) Erdbewegungen im Grünland, soweit sie nicht von bewilligungspflichtigen oder anzeigepflichtigen Vorhaben umfaßt werden, die sich auf eine Fläche von mehr als 1.000 m2 erstrecken, oder durch die eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als einen Meter erfolgt. Nach § 24 Abs. 1 Z. 12 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen, wer ohne Bewilligung der Behörde Erdbewegungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 5 vornimmt.

2.1. Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, daß ihm die belangte Behörde spruchgemäß die Veranlassung von Erdaufschüttungen bzw. Niveauveränderungen zur Last gelegt habe, obwohl die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hiefür keinen Anhaltspunkt geliefert hätten. Dieser Vorwurf wird zu Recht erhoben.

Daß der belangten Behörde mit ihrem Schuldspruch ein anderer Tatvorwurf als jener der Anstiftung im Sinne des § 7 VStG 1950 vorschwebte, ist - ungeachtet der Nichtzitierung dieser Gesetzesstelle - in Anbetracht der Wortwahl ("veranlaßt") des in diesem Punkt bestätigten erstinstanzlichen Abspruches für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Nach Ausweis der vorliegenden Akten fehlt es allerdings an Beweisergebnissen, welche die Subsumtion eines Verhaltens des Beschwerdeführers als Anstiftung eines anderen (im Sinne vorsätzlicher Veranlassung des Betreffenden) in bezug auf die Verwaltungsübertretung des § 24 Abs. 1 Z. 12 NSchG erlaubten. Dementsprechend fehlen auch - insoweit durchaus konsequent - diesbezügliche Tatsachenfeststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Wenn aber die belangte Behörde laut Begründung ihres Bescheides als erwiesen annimmt, daß der Beschwerdeführer Erdbewegungen mit einer Niveauveränderung von mehr als einem Meter "geduldet" habe, ihm somit Beihilfe im Sinne des § 7 VStG 1950 anlastet, so hat sie es unterlassen - gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse - festzustellen, daß der Beschwerdeführer durch die von ihm anläßlich seiner Beschuldigteneinvernahme am 17. Juli 1984 eingeräumte Duldung der Ablagerung von Aushubmaterial auf seinem Grundstück Nr. 73/1 durch die Niederösterreichische Landesstraßenverwaltung dieser vorsätzlich die Begehung der in Rede stehenden Übertretung erleichtert habe.

2.2. Zu dem Beschwerdeeinwand, die Tat sei bereits verjährt, ist folgendes festzuhalten:

Auszugehen ist, wie erwähnt, davon, daß die belangte Behörde nach dem insofern allein maßgebenden Bescheidspruch den Beschwerdeführer der Anstiftung schuldig erkannt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob allenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten ist, ist demnach im Beschwerdefall, ob innerhalb der im § 31 Abs. 2 VStG 1950 vorgesehenen Frist von sechs Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Anstiftung, eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 leg. cit.) vorgenommen wurde. Da der Schuldspruch keine Angaben über den Zeitpunkt der den Beschwerdeführer zur Last gelegten Anstiftung enthält (siehe des näheren unter II.3.1.) und auch die Begründung des angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht keinerlei Auskunft gibt, verbleibt nach dem Inhalt der vorgelegten Akten - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - als einziger Anknüpfungspunkt die Aussage des Beschwerdeführers aus Anlaß der Beschuldigteneinvernahme am 17. Juli 1984, er habe im "Herbst 1983" mit der Straßenmeisterei Gespräche betreffend die Ablagerung von Aushubmaterial auf seinem Grundstück geführt. Da die erste von der Behörde gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 nach der Aktenlage die Beschuldigtenvernehmung vor der Erstinstanz am 17. Mai 1984 war, ist es nicht ausgeschlossen, daß diese Amtshandlung nicht innerhalb der Sechs-Monate-Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 gesetzt worden ist. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen aufzuzeigen, weshalb sie angesichts der dargestellten zeitlichen Konstellation davon ausgehen durfte, daß die inkriminierte Straftat der Anstiftung im Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung am 17. Mai 1984 noch nicht verjährt war. Da sie diesbezügliche Ausführungen im angefochtenen Bescheid unterlassen hat, haftet diesem auch insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel an.

3. An inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet der bekämpfte Bescheid aus nachstehenden Erwägungen:

3.1. Wenngleich der von der belangten Behörde - abgesehen von einem hier nicht interessierenden Teil - unverändert übernommene erstinstanzliche Schuldspruch bei einer streng am Wortlaut haftenden Auslegung auch dahin verstanden werden könnte, es habe der Beschwerdeführer in der Zeit von "Ende August bis dato" Erdbewegungen "veranlaßt", also diesen Zeitraum hindurch angestiftet, deutet der Gerichtshof diesen Abspruch in Verbindung mit der infolge seiner nicht eindeutigen Fassung zu seiner Auslegung heranzuziehenden Begründung des Straferkenntnisses, wonach seit August 1983 eine Niveauveränderung von mehr als einem Meter "vorgenommen" wurde, in der Richtung, daß mit der angeführten Zeitspanne der Tatzeitraum in Ansehung der Begehung der Tat durch den unmittelbaren Täter und nicht hinsichtlich der Begehung der Anstiftung angegeben wurde. Letzteres wäre aber erforderlich gewesen, da die belangte Behörde den Beschwerdeführer der Anstiftung schuldig erkannt hat. Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine den Anforderungen des § 44 a lit. a VStG 1950 gerecht werdende Bezeichnung der Tat auch die Angabe der Zeit der Begehung wesentlich ist (vgl. etwa die Erkenntnisse verstärkter Senate vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, und vom 27. Juni 1984, Zl. 82/03/0218), hat die belangte Behörde durch ihr diesbezügliches Versäumnis den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

3.2. Dem Beschwerdeführer ist auch darin beizupflichten, daß im Falle des Vorwurfes der Anstiftung dem Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950 nur dann in ausreichender Weise Rechnung getragen wird, wenn (auch) der unmittelbare Täter im Spruch angeführt wird. Der im § 7 VStG 1950 zum Ausdruck kommende untrennbare Zusammenhang zwischen Anstifter (und Gehilfen) einerseits und unmittelbarem Täter andererseits hat in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat seine Entsprechung zu finden.

3.3. Der Beschwerde kommt aber auch insofern Berechtigung zu, als sie die Ansicht vertritt, Spruch und Begründung des bekämpften Bescheides stünden zueinander in Widerspruch.

Wie bereits dargetan, stellt der von der belangten Behörde im Spruchteil nach § 44 a lit. a VStG 1950 aufrecht erhaltene erstinstanzliche Schuldspruch auf Anstiftung ab, während in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der Duldung, d. h. von Beihilfe die Rede ist. Darin liegt ein unlösbarer Widerspruch; dieser ist wesentlich, weil die belangte Behörde auf dem Boden der Begründung ihres Bescheides nicht davon ausgehen durfte, daß der Beschwerdeführer die Straftat der Anstiftung in bezug auf die Übertretung des § 24 Abs. 1 Z. 12 NSchG begangen habe (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. Juni 1984, Zl. 82/03/0218).

3.4. Dem angefochtenen Bescheid haftet schließlich auch deshalb inhaltliche Rechtswidrigkeit an, weil es die belangt Behörde verabsäumt hat, im Spruch die Verwaltungsvorschrift die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44 a lit. b VStG 1950) vollständig anzuführen: Der Vorwurf der Anstiftung hätte auch die Nennung des § 7 VStG 1950 erforderlich gemacht.

Da nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die inhaltliche Rechtswidrigkeit in den Hintergrund gedrängt wird, war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 10. Juni 1985

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