VwGH 84/15/0176

VwGH84/15/017622.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Närr, Dr. Wetzel und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde des AB, vertreten durch C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 6. Juli 1984, GZ. 266/2-6/32, betreffend Stempel- und Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §17 Abs1 Satz2
GebG 1957 §18 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984150176.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:

Ein Organ der Betriebsprüfungsabteilung des Finanzamtes Klagenfurt hatte am 5. Juni 1981 auf Grund einer Betriebsprüfung bei den Ehegatten RM und BM in einen amtlichen Befund über eine Verkürzung von Stempel- und Rechtsgebühren hinsichtlich des nachstehend angeführten - auf dem Briefpapier des Rechtsanwaltes Dr. S verfaßten, an die genannten Ehegatten adressierten, am Schluß mit dem Kanzleistempel des genannten Rechtsanwaltes und (zumindest nach der bei den Verwaltungsakten befindlichen Ablichtung) einer völlig unleserlichen Unterschrift versehenen Schreibens vom 11. Dezember 1979 (in der Folge als Begleitschreiben bezeichnet) samt Beilage aufgenommen. Dieses Begleitschreiben lautet:

Betrifft: Pachtvertrag

 

In der Beilage übermittle ich Ihnen eine Durchschrift des Protokolles über den Pachtvertrag, der am 10.12.1979 nachmittags in meiner Kanzlei zwischen den im Protokoll genannten Vertragsparteien mündlich abgeschlossen wurde. Das Original des Gedächtnisprotokolles verbleibt in meiner Kanzlei.

Anlage

Gedächtnisprotok.

einschreiben

Die diesem Begleitschreiben angeschlossene Durchschrift war die eines zwischen den Ehegatten M als Verpächter und dem Beschwerdeführer als Pächter abgeschlossenen - von niemandem unterschriebenen - in zwölf Punkten Bestandgegenstand, -zins, Betriebskosten, Vertragsdauer, Auflösungsmöglichkeit, weitere Pflichten des Pächters, sonstige Rechte des Pächters, Unter- und Weiterverpachtung, Vertragskosten, Kaution, Rechtsnachfolge und Unwirksamkeit des Konsumentenschutzgesetzes im einzelnen regelnden Pachtvertrages vom 10. Dezember 1979 gewesen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1982 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt hinsichtlich dieses als „Gedächtnis“protokoll gewerteten Begleitschreibens samt Beilage gegenüber dem Beschwerdeführer Stempel- und Rechtsgebühren im Gesamtbetrag von S 31.750,-- fest.

In seiner gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid rechtzeitig eingebrachten - von einem Steuerberater zunächst ohne Vollmachtsvorlage verfaßten - Berufung vom 18. Februar 1982 führte der Beschwerdeführer u.a. aus: „Dem Finanzamt liegt ein Schreiben Dris. S vom 1979 12 11 vor, worin dieser den seinerzeitigen Vertragspartnern mitteilt, ...“

Eine auf Grund eines dem genannten Steuerberater erteilten Mängelbehebungsauftrages rechtzeitig eingebrachte, von dem - außerdem in der Folge durch Vollmachtsvorlage gleichfalls als Vertreter ausgewiesenen Steuerberater - bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. S verfaßte Berufung vom 25. Februar 1982 enthält keine Ausführungen in bezug auf die Unterfertigung des gegenständlichen Begleitschreibens.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. Mai 1982 wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern jene Berufung des Beschwerdeführers vom „18. 2. 1982 bzw. 25. 2. 1982“ als unbegründet ab. In der Begründung dieser Berufungsvorentscheidung wurde u.a. ausgeführt: „... Mit Schreiben vom 11. 12. 1979 übermittelte Dr. S den Vertragspartnern eine Durchschrift des Protokolles mit dem Vermerk, daß das Original in seiner Kanzlei verbleibe. In diesem, vom Rechtsanwalt unterfertigten Schreiben, wird ... Gegenstand des vom Rechtsanwalt unterfertigten und an die Verpächter gesandten Schreibens vom 11. 12. 1979 ...“

In seinem von dem angeführten Steuerberater verfaßten Antrag vom 16. Juni 1982 auf Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer u.a. vor: „... daß vom Rechtsvertreter, ... ein Schreiben an die Vertragsteile gerichtet wurde ... wenn das Schreiben des Anwaltes Dr. S ... auf den sich der Anwalt in seinem Schreiben bezogen hat ...“

Mit Bescheid vom 6. Juni 1984 wies die Finanzlandesdirektion für Kärnten die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides übernahm sie u.a. die vom Beschwerdeführer unbekämpft gebliebene Feststellung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern, wonach das gegenständliche Begleitschreiben von Rechtsanwalt Dr. S verfaßt und unterfertigt sei, und kam im wesentlichen unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 15 Abs. 1 und 2, 17 Abs. 1, insbesondere zweiter Satz, sowie 18 Abs. 3 GebG 1957 zu dem Ergebnis, daß mit der Übersendung dieses Begleitschreibens samt Beilage das für das Entstehen einer Gebührenpflicht festgelegte Erfordernis der Errichtung einer Urkunde („Gedächtnis“protokoll gemäß § 18 Abs. 3 GebG 1957) erfüllt worden sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Einleitend wird in der Beschwerde bei der Sachverhaltsdarstellung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG betont, vorweg solle ausgeführt werden, daß der dieser Rechtssache zugrundeliegende Sachverhalt völlig unbestritten sei und diesbezüglich keinerlei Meinungsverschiedenheiten zwischen Beschwerdeführer und belangter Behörde bestünden. Lediglich die rechtliche Beurteilung des zugrundeliegenden Sachverhaltes durch die belangte Behörde erscheine unrichtig.

Wenn in der Folge - in Widerspruch zu diesem Vorbringen, insbesondere aber in Widerspruch zur gesamten Aktenlage - in der Beschwerde erstmals behauptet wird, das gegenständliche Begleitschreiben sei mit dem Kanzleistempel Dris. S - versehen und von seiner Chefsekretärin mit „i.A. T gezeichnet, so ist es dem Verwaltungsgerichtshof schon wegen des in dem § 41 Abs. 1 VwGG normierten Neuerungsverbotes verwehrt, auf dieses Vorbringen einzugehen. Unter das Neuerungsverbot fielen im übrigen sogar Rechtsausführungen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Feststellungen überprüft werden kann, die im Verwaltungsverfahren deswegen unterblieben sind, weil der Beschwerdeführer in diesem Verfahren untätig blieb (siehe z.B. die von Klecatsky-Öhlinger, Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, Wien 1984, auf S. 284 unter Nr. 19 und 20, oder die von Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, Wien 1979, auf S. 248 unten zitierte umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Im Hinblick auf die eingangs dargestellte Lage der Verwaltungsakten und insbesondere unter Bedachtnahme auf die Tatsache, daß der Beschwerdeführer auf die Feststellungen in der Begründung der Berufungsvorentscheidung hinsichtlich der Unterfertigung des gegenständlichen Begleitschreibens in keiner Weise reagierte - eine allfällige Verletzung des Vorhaltsgebotes kann nämlich durch entsprechende Mitteilungen in der Begründung einer Berufungsvorentscheidung saniert werden (siehe z.B. Stolle Bundesabgabenordnung, Handbuch, Wien 1980, S. 373 Abs. 1, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) - hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu überprüfen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift unter anderem nunmehr ausführt: „... Die Unterfertigung des Schreibens vom 11. 12. 1979 i.A. Dr. S ...“

Nun sind Rechtsgeschäfte nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde im Inland errichtet wird. Anknüpfungspunkt ist die Urkunde als schriftliches Beweismittel über das Rechtsgeschäft. Soweit die Urkundenerrichtung nicht bereits Voraussetzung für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes ist (rechtserzeugende Urkunden, z.B. Bürgschaftserklärung nach § 1346 Abs. 2 ABGB), kann die Urkunde daher nur dann eine Gebührenpflicht auslösen, wenn sie Beweis zu machen geeignet ist. Dazu muß die Urkunde 1. unterzeichnet sein und 2. alle wesentlichen Merkmale des Rechtsgeschäfts enthalten (auch ein Verweis auf andere Schriftstücke, die Angaben über das Rechtsgeschäft enthalten, genügt gemäß § 17 Abs. 1 zweiter Satz GebG 1957 - siehe z.B. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, II, Wien 1981, S. 98 Mitte).

Wird - wie im vorliegenden Fall - über ein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft keine Urkunde errichtet, dann kann auch durch eine „Ersatzbeurkundung“ die Gebühr ausgelöst werden. Ein solcher Fall einer Ersatzbeurkundung liegt gemäß § 18 Abs. 3 GebG 1957 bei einem Gedenkprotokoll vor. Gedenkprotokolle sind nach dieser Gesetzesstelle Niederschriften, in denen von einer oder mehreren Personen durch Beisetzung ihrer Unterschrift bekundet wird, daß andere Personen in ihrer Gegenwart ein Rechtsgeschäft geschlossen oder ihnen über den erfolgten Abschluß eines Rechtsgeschäftes Mitteilung gemacht haben. Sie unterliegen der Gebühr für das Rechtsgeschäft, auf das sich das Gedenkprotokoll bezieht.

Ausgehend von der Annahme, daß das gegenständliche Begleitschreiben von Rechtsanwalt Dr. S unterzeichnet wurde, handelt es sich bei diesem Begleitschreiben in Verbindung mit den Inhalt der Beilage, der gemäß § 17 Abs. 1 zweiter Satz GebG 1957 durch Bezugnahme (Verweisung) zum rechtsgeschäftlichen Inhalt des unterfertigten Begleitschreibens gemacht wurde, um ein Gedenkprotokoll im Sinne des § 18 Abs. 3 GebG. Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird darauf hingewiesen, daß ein Ersatz für die handschriftliche Unterzeichnung in den Fällen des § 18 Abs. 3 GebG 1957 nicht vorgesehen ist (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1968, Zlen. 363 und 364/67, Slg. Nr. 3756/F, mit dem der Verwaltungsgerichtshof von dem noch zum Gebührengesetz BGBl. Nr. 184/1946 und somit zu einem formal anderen Gesetz als dem im Beschwerdefall anzuwendenden - vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1981, Zl. 81/14/0028, Slg. Nr. 5624/F, - von seinem noch im Erkenntnis vom 15. Juni 1956, Zl. 595/56, Slg. Nr. 1450/F, vertretenen gegenteiligen Rechtsstandpunkt abgegangen ist).

Bereits die bisherigen Ausführungen zeigen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem von der der Beschwerde behaupteten Recht auf Gebührenfreiheit des in dem gegenständlichen Begleitschreiben samt Beilage angeführten Bestandvertrages nicht verletzt wurde. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Gebühr wurden in der Beschwerde nicht bekämpft.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß dem § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.

Ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers konnte der Verwaltungsgerichtshof von einer Verhandlung absehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 22. April 1985

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