VwGH 84/02/0230

VwGH84/02/023014.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde des Ing. GP in W, vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. März 1984, Zl. MA 70 ‑ IX/P 114/83/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §2 Abs1 Z13
StVO 1960 §24 Abs1 litd
VStG §31 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a Z1 implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984020230.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. März 1984 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. d StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 23. Dezember 1982 um 13.00 Uhr „in Wien 1, Renngasse gegenüber 2, Kreuzung Freyung,“ als Lenker einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Bereich von weniger als fünf Meter vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt gehabt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles kommt es im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. d StVO 1960 zur Last gelegt wurde, auf den genauen Standort des von ihm abgestellten Kraftfahrzeuges an. Diesbezüglich sind die Verantwortung des Beschwerdeführers und die Darstellung des Meldungslegers miteinander völlig konträr, was besonders deutlich wird, wenn man in die von beiden angefertigten, unterschiedlichen Skizzen Einsicht nimmt. Der Beschwerdeführer hat zwar eine solche erst mit der Beschwerde vorgelegt, sie entspricht aber im wesentlichen dem von ihm im Verwaltungsstrafverfahren eingenommenen Standpunkt, während der Meldungsleger eine solche schon im Verwaltungsstrafverfahren erstellt hat (Bl. 16 des Verwaltungsstrafaktes). Traf die Version des Beschwerdeführers zu, so wäre sein Pkw zwischen zwei anderen Fahrzeugen abgestellt gewesen, ohne daß er hiebei den Bereich von weniger als fünf Meter vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder in Anspruch genommen hätte. Hingegen wäre nach den Angaben des Meldungslegers der Pkw innerhalb dieses Bereiches, und zwar so gestanden, daß er sich in einer Schrägstellung zur jeweiligen Fahrbahnlängsachse direkt in diesem Schnittpunkt befand, weshalb der Beschwerdeführer in diesem Fall das Verbot des § 24 Abs. 1 lit. d StVO 1960 mißachtet hätte. Der Auffassung des Beschwerdeführers, sein Pkw sei, auch wenn man die Darstellung des Meldungslegers zugrundelege, entlang einer Schutzinsel - das ist gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 StVO 1960 ein für Fußgänger innerhalb der Fahrbahn bestimmter und wie ein Gehsteig ausgeführter Straßenteil - gestanden, sodaß die Begrenzung dieser Verkehrsfläche nicht als Fahrbahnrand im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d leg. cit. qualifiziert werden könne (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1969, Zl. 1243/68, und vom 13. Jänner 1984, Zl. 83/02/0448), was zur Folge habe, daß er wegen eines falschen Deliktes (anstatt, wenn überhaupt, nach § 23 Abs. 2 StVO 1960) bestraft worden sei, kann nämlich insofern nicht beigepflichtet werden, als es sich auf Grund der gegebenen, auch dem Gerichtshof bekannten örtlichen Verhältnisse bei diesem Straßenteil, insbesondere mit Rücksicht auf seine räumliche Ausdehnung (vgl. hinsichtlich dieses wesentlichen Merkmales u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1982, Slg. Nr. 10867/A), keineswegs um eine Schutzinsel, sondern vielmehr um eine Verkehrsfläche handelt, die nach ihrer Anlage als Gehsteig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO 1960 - das ist nach dieser Gesetzesstelle ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße - gewertet werden muß. Geht man daher von den Angaben des Meldungslegers aus, so liegt jedenfalls eine Übertretung des Beschwerdeführers nach § 24 Abs. 1 lit. d StVO 1960 - ob darüberhinaus auch eine solche nach § 23 Abs. 2 leg. cit., kann dahingestellt bleiben - vor.

Was nun die Frage angeht, ob die belangte Behörde der Darstellung des Meldungslegers hätte folgen dürfen, so ist darauf zu verweisen, daß die Würdigung der Beweise gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Sachverhalt genügend ermittelt worden ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A, Zl. 1579/73). Ob der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z. B. die Behauptung des Meldungslegers und nicht diejenige des Beschwerdeführers den Tatsachen entspricht, ist keine solche Frage. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es nämlich auf Grund seiner gesetzlichen Zuständigkeit verwehrt, in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde die von den Behörden vorgenommene Beweiswürdigung durch Wiederholung, der Beweise daraufhin zu überprüfen, ob nicht der gegenteilige Schluß aus den aufgenommenen Beweisen zu ziehen wäre (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 1983, Zl. 82/02/0066). Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde wesentliche Fehler unterlaufen sind.

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich dargelegt, warum sie den Angaben des (auch als Zeugen vernommenen) Meldungslegers mehr Glauben schenkt als der Verantwortung des Beschwerdeführers. Wenn auch gegen die Richtigkeit des in diesem Zusammenhang gebrauchten Passus, dem Meldungsleger müsse „überdies auf Grund seiner Straßendiensterfahrung wohl eher ein Urteilsvermögen darüber zuzubilligen sein, ob ein Kraftfahrzeug vorschriftswidrig abgestellt ist, als dem Berufungswerber, der keine Ausbildung als Straßenaufsichtsorgan genossen hat“, in Ansehung des strittigen Umstandes, wo der Pkw des Beschwerdeführers abgestellt war, Bedenken bestehen, ist doch der zitierte Begründungsteil nicht als wesentlich anzusehen, weil die belangte Behörde mit Rücksicht auf die anderen von ihr verwendeten, als maßgebend zu erachtenden Argumente auch sonst zu keinem anderen Ergebnis im Rahmen ihrer Beweiswürdigung gekommen wäre. Die belangte Behörde hat wohl weiters angenommen, daß „die Angaben des Berufungswerbers hinsichtlich des Tatortes im übrigen nicht widerspruchsfrei“ seien, weil er im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens den Tatort einerseits mit „gegenüber dem Hause Freyung Nr. 7“ und andererseits mit „Freyung, vor dem Hause Nr. 7“ angegeben habe. Dem Umstand, daß ein derartiger Widerspruch - wie der Beschwerdeführer mit Recht betont - nicht vorliegt, weil er in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18. Jänner 1984 nicht behauptet hat, sein Pkw sei auf der „Freyung, vor dem Hause Nr. 7“ abgestellt gewesen, sondern seine Ausführungen dahin zu verstehen sind, daß im Falle der Zugrundelegung der Skizze des Meldungslegers dieser Tatort und nicht, wie vom Meldungsleger genannt, der Tatort „Renngasse, gegenüber dem Hause Nr. 2“ gegeben gewesen sei, kam aber bei Vornahme der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde erkennbar ebenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im übrigen kann aber der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden, es fehle ihren Erwägungen an der entsprechenden Schlüssigkeit. Der Hinweis des Beschwerdeführers, die belangte Behörde selbst stelle auf Seite 4, 6. Absatz, der Begründung ihres Bescheides fest, daß die Angaben des Meldungslegers „widersprüchlich“ seien, ist verfehlt, weil an dieser Stelle, an der die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Beischaffung einer maßstabgetreuen Skizze begründet wird, im Sinne obiger Ausführungen von den „(widersprüchlichen) Angaben des Meldungslegers und des Berufungswerbers“ die Rede ist und damit nicht zum Ausdruck kommt, daß die Angaben des Meldungslegers in sich widersprüchlich sind; ein solcher Widerspruch ist auch tatsächlich nicht gegeben. Es ist aber auch darin kein wesentlicher Verfahrensmangel zu erblicken, daß die belangte Behörde den Anträgen des Beschwerdeführers auf Beischaffung einer maßstabgetreuen Skizze und auf Durchführung eines Ortsaugenscheines nicht stattgegeben hat. Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Meldungsleger haben den Sachverhalt hinreichend geschildert, sodaß daraus die notwendigen Schlüsse, und zwar auch hinsichtlich des Tatortes und seiner konkreten Bezeichnung, gezogen werden können, ohne daß bei Durchführung dieser Beweise eine Rekonstruktion der tatsächlichen Gegebenheiten zum Tatzeitpunkt objektiv möglich oder auch sonst eine Übereinstimmung zwischen den beiden Sachverhaltsdarstellungen zu erwarten gewesen wäre.

Schließt man sich aber der Darstellung des Meldungslegers an, so ist der belangten Behörde im Hinblick auf den sich daraus ergebenden Standort des Fahrzeuges des Beschwerdeführers in Verbindung mit den an dieser Stelle bestehenden besonderen örtlichen Verhältnissen auch keine Rechtswidrigkeit unterlaufen, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides bemerkt hat, daß sich die Bezeichnungen „Renngasse gegenüber Nr. 2“ und „gegenüber Freyung Nr. 7“ „tatortmäßig völlig decken und daher die vom Meldungsleger gewählte Variante „ (nämlich „Renngasse gegenüber Nr. 2“) „nicht als unrichtig bezeichnet werden kann“. Der Beschwerdeführer übersieht, daß die Renngasse bereits gegenüber dem Hause Freyung Nr. 2 (Palais Ferstel) beginnt und daher das Straßenstück, in dem auch nach seiner Version der Pkw abgestellt war, zum Bereich der Renngasse zählt und nicht mehr die Bezeichnung Freyung trägt; demnach ist auch die Annahme richtig, daß sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers weder „vor dem Hause Renngasse Nr. 2“, welches nicht gegenüber dem Hause Renngasse Nr. 1 liegt, noch „vor dem Hause Freyung Nr. 7“, sondern jeweils gegenüber diesen beiden Häusern an der Stelle, wo die Renngasse und die Freyung zusammentreffen, befand. Damit erledigt sich aber auch die Rüge des Beschwerdeführers, es entspreche der im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführte Tatort („Wien 1, Renngasse gegenüber 2, Kreuzung Freyung“), nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Bei dieser Tatortbezeichnung ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, es liege diesbezüglich keine hinreichende Konkretisierung im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 vor, nicht gerechtfertigt, weil auf diese Weise keine Verwechslungsmöglichkeit zu Lasten des Beschwerdeführers besteht (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Zl. 82/02/0265). Desgleichen ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keine Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG 1950 eingetreten. In der Strafverfügung vom 1. April 1983, die nach der Aktenlage die einzige Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. darstellt, ist zwar der Tatort nur mit „Wien I, Renngasse geg. 2“ angegeben; doch bedurfte es nicht des Hinzufügens der Worte „Kreuzung Freyung“, weil der Vorwurf dahin ging, daß der Pkw des Beschwerdeführers „im Bereich von weniger als fünf Meter vom Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder abgestellt“ war, dieser Umstand aber zur Voraussetzung hatte, daß das Fahrzeug des Beschwerdeführers im Bereich einer Kreuzung stand und auf Grund der örtlichen Verhältnisse bei diesem Tatort nur die Kreuzung mit der Freyung in Betracht kam, sodaß darin alle wesentlichen Sachverhaltselemente, die für die Bestrafung des Beschwerdeführers maßgebend waren, enthalten waren.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich gegen die Strafbemessung der belangten Behörde wendet, so ist ihm entgegenzuhalten, daß diese unter Bedachtnahme auf alle gemäß § 19 VStG 1950 Zu beachtenden Kriterien erfolgt ist und auch unter Berücksichtigung des gemäß § 99 Abs. 3 StVO 1960 bis zu S 10.000,‑‑ gehenden Strafrahmens bei Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von S 400,-- nicht gesagt werden kann, daß die belangte Behörde den ihr zustehenden Ermessensspielraum überschritten hätte. Aus diesem Grunde vermag der Umstand, daß schon die Erstbehörde die Geldstrafe unter Hinweis darauf, daß „4 Vormerkungen“ erschwerend gewesen seien, in dieser Höhe festgesetzt und die belangte Behörde sie nicht herabgesetzt hat, obwohl sie von einer „zur Tatzeit vorgelegenen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit“ des Beschwerdeführers ausgegangen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu begründen.

Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGB1.Nr. 45/1965, erinnert.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 14. März 1985

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