VwGH 83/06/0193

VwGH83/06/01934.7.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde 1. der HP und 2. des AP in B, vertreten durch Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. August 1983, Zl. Ve‑550‑1013/1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister, 2. DJ, z.H. AN, 3.HH und 4. WH in I, 5. SL, 6. Dipl. Ing. HL), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Adolf Lientscher, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1978 §3 Abs11
BauO Tir 1978 §6
BauO Tir 1978 §7

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1983060193.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von je S 1.380,-- (insgesamt S 2.760,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 747/11 der KG. O mit dem Grundstück Nr. 5220/5 im Ausmaß von 626 m2 mit dem darauf errichteten Ferienhaus. Mit dieser Liegenschaft ist das Miteigentumsrecht an 626/13005 Anteilen der Liegenschaft EZ 726/11 der Katastralgemeinde O mit dem Grundstück Nr. 5220/1, Acker, zu dem sämtliche das Feriendorf aufschließende Wege, Straßen und Parkplätze gehören, verbunden. Am 23. April 1982 beantragten die Beschwerdeführer beim Bürgermeister der erstmitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines ebenerdigen unterkellerten Wohnraumes im Ausmaß von 4 x 4,30 m im Anschluß an das vorhandene Wohnhaus und für einen ebenerdigen Anbau zur Schaffung eines Abstellraumes im Ausmaß von 2,75 x 5,45 + 1,50 x 0,25 m. Bei der mündlichen Bauverhandlung legte der Bausachverständige unter anderem dar, daß der Grenzabstand zwischen dem privaten Gemeinschaftsweg und der südwestlichen Mauer des Wohnraumanbaues mindestens 4 m betragen müsse, was nach den Eingabeplänen nicht zutreffe; die Raumbreite von 4,30 müsse daher soweit reduziert werden, daß der gesetzliche Grenzabstand gewährleistet werden könne; die äußerste Dachvorsprungkante für diesen Anbau müsse vom Weganrainer mindestens 3 m entfernt bleiben. Nach einer weiteren Bauverhandlung und zahlreichen Eingaben von Nachbarn wurde den Beschwerdeführern, die inzwischen mit der Errichtung des Bauvorhabens begonnen hatten, nahegelegt, den zur Einhaltung der 4 m‑Grenze erforderlichen Grund von der Miteigentümergemeinschaft zu erwerben, doch scheiterte dies am Widerstand der Miteigentümer.

Mit Bescheid vom 7. März 1983 wies der Bürgermeister der Erstmitbeteiligten das Ansuchen der Beschwerdeführer ab, da der gesetzliche Mindestabstand zur Parzelle 5220/1 nicht vorhanden sei.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als unbegründet ab. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei bereits in der Niederschrift vom 19. Mai 1982 sehr klar zum Ausdruck gebracht worden, daß der Grenzabstand zur Parzelle 5220/1 mindestens 4 m betragen müsse; bei einem Anbau von 4 x 4,30 m könne auch nicht von Geringfügigkeit gesprochen werden. Der 4 m‑Abstand sei in dem im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Wohngebiet vorgeschrieben. Bei der Parzelle handle es sich um ein privates Grundstück, das sich im Miteigentum aller Ferienhausbesitzer befinde und zum Teil auch als Parkfläche diene. Bei der Grenzvermessung durch einen Geometer habe sich herausgestellt, daß der Zaun mit der tatsächlichen Grenze nicht ident sei, also nicht einmal der 3 m‑Abstand zur Parzelle 5220/1 vorhanden sei.

Die gegen den Berufungsbescheid von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Begründend verwies die belangte Behörde auf § 7 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Tirol 1978 (TBO), wonach Gebäude im hier vorliegenden Wohngebiet von anderen Grundstücken, die nicht Verkehrsflächen seien, einen Mindestabstand von 4 m aufweisen müßten. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 11 TBO falle die private Verkehrsfläche, Parzelle 5220/1, nicht unter den Begriff der Verkehrsfläche im Sinne der TBO. Schließlich müßten die Abstandsbestimmungen auch bei Anbauten Anwendung finden. Damit seien die Beschwerdeführer nicht in subjektiv öffentlichen Rechten, die sich aus der Tiroler Bauordnung ergäben, verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, den „eher geringfügigen“ Zubau zu ihrem Ferienhaus unter Einhaltung eines gleichen Abstandes, wie ihn der Altbestand zur angrenzenden Wegparzelle bereits hat, errichten zu dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:

§ 6 TBO regelt den Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen, wobei Abs. 1 als Regelfall auf die im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinie abstellt.

Gemäß § 7 Abs. 1 lit. b TBO müssen Gebäude von den Grenzen gegenüber Grundstücken, die nicht Verkehrsflächen sind, im Wohngebiet einen Mindestabstand von jedenfalls 4 m einhalten. Besonderheiten für Zubauten sieht § 7 TBO ‑ abgesehen zur Erhaltung historisch gewachsenen Baubestandes, was hier nicht in Betracht kommt - nicht vor. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 11 TBO sind Verkehrsflächen die Bundesstraßen, die öffentlichen Straßen im Sinne des Tiroler Straßengesetzes, die Wege, die als gemeinsame Anlage in einem Zusammenlegungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1969 errichtet worden sind, die Güterwege (§ 4 Abs. 1 des Güter- und Seilwege‑Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970) und die Forststraßen (§ 59 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440) sowie jene Grundflächen, die im Bebauungsplan durch die Festlegung der Straßenfluchtlinien als Verkehrsflächen ausgewiesen sind.

Daß die Voraussetzungen des § 3 Abs. 11 TBO nicht vorliegen, können auch die Beschwerdeführer in ihren Beschwerdeausführungen nicht bestreiten. Sie argumentieren lediglich dahin, daß die im Miteigentum der Eigentümer der Ferienhäuser stehende Verkehrsfläche den in § 3 Abs. 11 aufgezählten Fällen durchaus gleichwertig sind. Die Beschwerdeführer übersehen dabei, daß sich aus der eingehenden Aufzählung des § 3 Abs. 11 TBO deren taxative Natur ergibt. Der Gerichtshof vermag aber auch keine Rechtslücke zu erkennen, die eine Schließung im Wege der Analogie zulasse; sind doch private Aufschließungswege der in § 3 Abs. 11 TBO genannten bestehenden oder künftigen Verkehrsflächen nicht unbedingt gleichwertig, der von den Beschwerdeführern bei der Verhandlung ins Treffen geführte § 16 TBO betrifft nur Verpflichtungen der Gemeinde und hat für den gegenständlichen Fall keine Bedeutung. Die belangte Behörde ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß die Grundparzelle 5220/1 keine Verkehrsfläche im Sinne des § 3 Abs. 10 TBO ist und damit nicht § 6, sondern § 7 Abs. 1 TBO anzuwenden ist. Es ist daher auch bedeutungslos, ob die Parzellierung eines als Wohngebiet deklarierten Gebietes, die unter der gleichzeitigen Bedingung genehmigt wurde, in dieser Parzellierung die der allgemeinen verkehrsmäßigen Aufschließung dienenden und dazu notwendigen Flächen auszuweisen, einem Bebauungsplan „entspreche“. Ist doch der Bebauungsplan wesensmäßig generelle Norm im Gegensatz zu einem noch so umfangreichen Parzellierungsbescheid, der nur eine individuelle Norm darstellt.

Darauf aber, ob der bewilligte Altbestand sowohl bei den Beschwerdeführern als auch bei Anrainern der damaligen oder derzeitigen Gesetzeslage entspricht, kommt es nicht an, da lediglich das konkrete Bauvorhaben zu prüfen ist. Die belangte Behörde ist daher mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß der für Wohnzwecke bestimmte Anbau in der von den Beschwerdeführern vorgesehenen Form nicht bewilligungsfähig ist. Damit hat die belangte Behörde im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch dessen Art. III.

Wien, am 4. Juli 1985

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