VwGH 82/14/0166

VwGH82/14/016626.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schöller, über die Beschwerde der J Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. Viktor A. Straberger, Rechtsanwalt in Wels, Maria-Theresia-Straße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 22. April 1982, Zl. 39/3-3/Fe-1982, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1977, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §224 Abs1;
EStG 1972 §95 Abs1;
EStG 1972 §95;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1982140166.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.535,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Zuge einer bei der beschwerdeführenden Ges.m.b.H. für die Jahre 1975 bis 1978 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer u. a. fest, daß im Jahr 1977 die Kosten für eine Grabanlage betreffend den Firmengründer (= Vater des Mehrheitsgesellschafters) und die Ehegattin des Mehrheitsgesellschafters als Aufwand verbucht worden waren. Der Prüfer sah darin einen nichtabzugsfähigen Repräsentationsaufwand und setzte in die Prüferbilanz eine Forderung in Höhe von S 45.666,-- an den Mehrheitsgesellschafter ein. Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide. Die Forderung der Beschwerdeführerin an ihren Mehrheitsgesellschafter wurde von diesem im Wirtschaftsjahr 1979/80 beglichen.

Mit Haftungs- und Zahlungsbescheid vom 14. Oktober 1980 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 95 Abs. 2 EStG zur Haftung für Kapitalertragsteuer in Höhe von S 11.416,-- herangezogen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Aufwand für die Grabanlage "nicht, wie im Betriebsprüfungsbericht dargestellt", als Forderung der Gesellschaft an den Gesellschafter, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Bei der Schlußbesprechung betreffend die Betriebsprüfung sei Übereinstimmung erzielt worden, daß der Aufwand für die Grabstätte als Forderung der Ges.m.b.H. an ihren Mehrheitsgesellschafter ausgewiesen werde. Die Forderung sei in der Folge auch beglichen worden. Die auf der Prüfung beruhenden Abgabenbescheide seien bisher nicht berichtigt worden. Der Haftungs- und Zahlungsbescheid entbehre daher jeder Grundlage. Es sei nicht möglich, den strittigen Betrag einerseits als Forderung der Gesellschaft und andererseits als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.

In einem weiteren Schreiben wies der Steuerberater der Beschwerdeführerin darauf hin, daß der Mehrheitsgesellschafter seiner Gesellschaft die im Haftungsweg geltend gemachte Kapitalertragsteuer ersetzen müßte, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, daß deren Vorschreibung zu Recht erfolgt sei. Dies würde aber dazu führen, daß die Kapitalertragsteuer höchstens mit 20 v.H. von S 45.666,-- = S 9.133,-- und nicht mit S 11.416,-- vorzuschreiben wäre.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Aufwendungen für die Grabstätte des Vaters und die Ehegattin des Mehrheitsgesellschafters stellten typischen Privataufwand des Gesellschafters dar. In der Tragung dieses Aufwandes durch die beschwerdeführende Ges.m.b.H. sei daher eine verdeckte Gewinnausschüttung zu erblicken. Der angefochtene Haftungs- und Zahlungsbescheid sei von keinem der Bescheide abgeleitet, die im Anschluß an die Betriebsprüfung an die Beschwerdeführerin ergangen seien. Der Betriebsprüfungsbericht stelle nur ein Begründungselement dar und entfalte keine Rechtskraftwirkung. Die Rückerstattung des Aufwandes für das Grabdenkmal durch den Mehrheitsgesellschafter sei erst "Jahre nach dem Aufgriff durch die Finanzverwaltung" erfolgt und habe auf den Rechtsbestand des Haftungsbescheides keinen Einfluß. Eine Herabsetzung der Kapitalertragsteuer komme daher nicht in Betracht. Die Berechnung mit 20 v.H. der Netto-Kapitalerträge - wie von der Beschwerdeführerin verlangt - setze voraus, daß der "Rückgriffsanspruch gegen den Gesellschafter" von der Gesellschaft im unmittelbaren Anschluß an den "Aufgriff der verdeckten Gewinnausschüttung" geltend gemacht werde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß der Betriebsprüfer und ihm folgend die Abgabenbehörde erster Instanz davon ausgegangen seien, daß bezüglich der Kosten für das Grabdenkmal eine Forderung der Ges.m.b.H. an ihren Mehrheitsgesellschafter bestehe. Ein Betrag, der Gegenstand einer Forderung der Gesellschaft an einen ihrer Gesellschafter sei, könne aber nicht als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt werden. Dem hält die belangte Behörde zutreffend entgegen, daß die Geltendmachung einer Haftung für Kapitalertragsteuer unabhängig davon zu erfolgen habe, ob beim Gläubiger der Kapitalerträge in vorangegangenen Abgabenbescheiden (verdeckte) Gewinnausschüttungen bescheidmäßig festgestellt worden sind oder nicht. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Bindung an vorangegangene Bescheide besteht sohin nicht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1976, Zl. 806/74). Ebensowenig zielführend ist das Argument der Beschwerdeführerin, ihr seien die Kosten für das Grabdenkmal in der Folge vom Mehrheitsgesellschafter rückvergütet worden. Macht eine Kapitalgesellschaft Zahlungen oder geldwerte Vorteile, die sie einem ihrer Gesellschafter zukommen läßt, als Betriebsausgaben geltend, so sind diese Leistungen, insoweit als ihnen keine angemessenen Leistungen des Gesellschafters gegenüberstehen, auch dann als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen, wenn sie in einem späteren Jahr vom Gesellschafter wiederum rückerstattet (vergütet) werden. Der einmal erfolgte Zufluß einer verdeckten Gewinnausschüttung kann nämlich nicht dadurch ungeschehen gemacht werden, daß die betreffenden Geldbeträge (geldwerten Vorteile) zurückerstattet werden. Anders wäre es zu beurteilen, wenn die Kapitalgesellschaft von vornherein für einen ihrer Gesellschafter in Vorlage treten bzw. ihm einen Betrag kreditieren würde. In einem solchen Fall läge von Anfang an keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, weil die Leistung der Gesellschaft nicht als Betriebsausgabe, sondern als Forderung der Gesellschaft an ihren Gesellschafter verbucht würde, sodaß das für eine verdeckte Gewinnausschüttung erforderliche Merkmal einer den Gewinn der Gesellschaft mindernden Vorteilszuwendung an den Gesellschafter nicht gegeben wäre.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Kosten für die Grabstätte des Firmengründers und seiner Schwiegertochter vom Mehrheitsgesellschafter der Beschwerdeführerin zu tragen gewesen wären. Dadurch, daß die Beschwerdeführerin diese Kosten übernommen und als Betriebsaufwand verbucht hat, ist dem Mehrheitsgesellschafter ein geldwerter Vorteil erwachsen, der nach den obigen Ausführungen als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen war. Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin daher zu Recht gemäß § 95 Abs. 2 EStG zur Haftung für die nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer herangezogen.

Dessen ungeachtet erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung die Berechnung der Kapitalertragsteuer nur mit 20 v.H. der Kosten der Grabstätte und nicht gemäß § 95 Abs. 1 dritter Satz EStG unter Hinzurechnung der übernommenen Kapitalertragsteuer vorzunehmen wäre. Dies deswegen, weil im Fall, daß das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bejaht werden sollte, der Mehrheitsgesellschafter jedenfalls zum Ersatz der Kapitalertragsteuer verpflichtet wäre. Die belangte Behörde wendet dagegen ein, die Festsetzung der Kapitalertragsteuer mit 20 v. H. des Netto-Kapitalertrages setze voraus, daß die Beschwerdeführerin "im unmittelbaren Anschluß an den Aufgriff der verdeckten Gewinnausschüttung nebst der Nachentrichtung der Kapitalertragsteuer einen Rückgriffsanspruch gegen den Gesellschafter geltend macht". Dieser Rechtsauffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Im Beschwerdefall darf aber nicht übersehen werden, daß sowohl der Betriebsprüfer als auch ursprünglich das Finanzamt selbst das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (wenn auch zu Unrecht) verneint haben. Wenn nun die Beschwerdeführerin im Vertrauen auf diese Rechtsansicht zunächst abgewartet hat, welchen Standpunkt die belangte Behörde zur Frage des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung einnehmen wird, gleichzeitig aber mitgeteilt hat, daß sie beabsichtige, ihren Mehrheitsgesellschafter zum Ersatz einer allfälligen Kapitalertragsteuer zu verhalten, dann kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeführerin als Schuldnerin der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer zugunsten des Mehrheitsgesellschafters übernommen hat.

Insoweit als die belangte Behörde bei Berechnung der Kapitalertragsteuer diese als von der Beschwerdeführerin übernommen dem Netto-Kapitalertrag hinzurechnet hat, erweist sich der angefochtene Bescheid sohin als rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Zuspruch von Umsatzsteuer über den mit S 8.060,-- pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes hinaus nicht vorgesehen ist.

Wien, am 26. März 1985

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