VwGH 84/09/0033

VwGH84/09/003328.3.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat. durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des 1) JG, 2) AG, beide in B, 3) PK in T, 4) JS und 5) KW, beide in S, vertreten durch Mag. Dr. Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, Raubergasse 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 24. März 1983, Zl. 31417/61‑V/3/82 (mitbeteiligte Partei: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark (Steiermärkische Landarbeiterkammer) in Graz, vertreten durch Dr. Hannes Priebsch, Rechtsanwalt in Graz, Tummelplatz 6/II), betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zur Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, zu Recht erkannt:

Normen

AKG 1954 §5 Abs2 litf
AKG 1954 §5 Abs3
B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art11 Abs1 Z2
LandarbeiterkammerG Stmk 1981 §2 Abs1 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984090033.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 9.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 18. April 1980 hatte das Präsidium der Steiermärkischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 2 Abs. 5 und § 26 Abs. 6 des Steiermärkischen Landarbeiter‑Kammergesetzes 1967, LGBl. Nr. 81, wiederverlautbart im Landesgesetzblatt für die Steiermark Nr. 32/1982 (LAKG), festgestellt, daß die im Gärtnereibetrieb der Kurkommission B tätigen Dienstnehmer gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Z. 1 des genannten Gesetzes zur Steiermärkischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft zugehörig sind und gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. Kammerbeiträge in Höhe von 0,75 % des der Beitragsbemessung für die gesetzliche Krankenversicherung zugrundeliegenden Einkommens, mit Ausnahme der Sonderzahlungen, zu leisten haben. Weiters war ausgesprochen worden, daß die Kurkommission B als Dienstgeber gemäß § 26 Abs. 2 LAKG verpflichtet sei, die vorgenannten Beiträge von den kammerzugehörigen Lohnempfängern einzubehalten. Gemäß des § 26 Abs. 3 LAKG habe die Steiermärkische Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte die einbehaltenen Kammerbeiträge vom Dienstgeber einzuheben und an die Steiermärkische Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft abzuführen. Begründet war dies im wesentlichen damit worden, daß diese Dienstnehmer nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet (Gartenbau) tätig anzusehen seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde unter Berufung auf § 5 Abs. 3 des Arbeiterkammergesetzes (AKG), BGBl. Nr. 105/1954, aus, daß die von der Kurkommission B beschäftigten fünf Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 des Arbeiterkammergesetzes der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark angehören. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß nach § 5 Abs. 2 lit. f des Arbeiterkammergesetzes die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und Angestellten den Arbeiterkammern nicht angehören. Nach dem Gesamtbild der von den Beschwerdeführern ausgeübten und im Ermittlungsverfahren festgestellten Tätigkeit könnten diese aber nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Gebiet zugerechnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in der sie die unbegründete Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Zugehörigkeit zur Steiermärkischen Landarbeiterkammer verletzt. Sie tragen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, nach den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Oktober 1956, Zl. 2712/54, Slg. N. F. Nr. 4181/A (betreffend Bedienstete der Bundesgartenverwaltung Schönbrunn), vom 1. Oktober 1958, Zl. 386/57, Slg. N. F. Nr. 4759/A (betreffend die Versicherungszuständigkeit der von der Stadt Innsbruck beschäftigten Gartenarbeiter), und vom 18. April 1962, Zl. 784/59, Slg. N. F. Nr. 5780/A (betreffend die Versicherungszuständigkeit von in einer Stadtgärtnerei beschäftigten Dienstnehmer), sei davon auszugehen, daß jede Tätigkeit, die der Pflege und Erhaltung eines eigenen oder gepachteten Gartens bzw. Parks diene, als land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sei.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und den österreichischen Arbeiterkammertag (Arbeiterkammergesetz ‑ AKG), BGBl. Nr. 105/1954, gehören den Arbeiterkammern alle Dienstnehmer an, die beschäftigt sind insbesondere in den in den lit. a bis f aufgezählten Bereichen § 5 Abs. 2 AKG bestimmt:

„(2) Den Arbeiterkammern gehören nicht an:

....

f) die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und Angestellten, soweit § 37 dieses Bundesgesetzes nicht entgegensteht;

....“

Die Regelung des § 5 Abs. 1 AKG über die Zugehörigkeit zu den Arbeiterkammern gründet sich auf den Kompetenztatbestand „Kammer für Arbeiter und Angestellte, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet“ des Art. 10 Abs. 1 Z. 11 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung der Bundes-Verfassungsgesetznovelle BGBl. Nr. 444/1974. Von der Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Bundes ausdrücklich ausgenommen sind die Angelegenheiten der Kammern der Arbeiter und Angestellten auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet. Dieser verfassungsrechtlichen Grenze der Bundeskompetenz entspricht die Bestimmung des § 5 Abs. 2 lit. f AKG nur dann, wenn ihr Inhalt nicht als eine Regelung über die Zugehörigkeit zu einer Landarbeiterkammer angesehen und sie - in Verbindung mit dem Abs. 3 - nicht als Zuständigkeit des Bundesministers für soziale Verwaltung zur Entscheidung über die Zugehörigkeit eines Dienstnehmers zu einer Landarbeiterkammer zu verstehen ist. Schon nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2 („Den Arbeiterkammern gehören nicht an ...“) und nach der auf die Zugehörigkeit zu einer Arbeiterkammer - im Sinne des Arbeiterkammergesetzes - bezogenen Entscheidungszuständigkeit des Bundesministers für soziale Verwaltung ergibt sich, daß sowohl die gesetzliche Regelung als auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesministers für soziale Verwaltung ausschließlich auf die Zugehörigkeit zu den Arbeiterkammern bezogen ist. Wenn die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und Angestellten kraft Gesetzes nicht den Arbeiterkammern angehören, hat der Bundesgesetzgeber durch diese Bestimmung lediglich auf die ihm gezogene kompetenzrechtliche Schranke, Bedacht genommen. Für die Entscheidung des Bundesministers für soziale Verwaltung über die Zugehörigkeit zu einer Arbeiterkammer folgt daraus, daß gegebenenfalls in der Begründung des im Streitfalle erlassenen Bescheides über die Arbeiterkammerzugehörigkeit auf die landesgesetzlich geregelte Zugehörigkeit zu einer Landarbeiterkammer Bedacht zu nehmen ist (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. 2447/1952, 2674/1954 und 3163/1957 und die von Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, erster Band, Seite 216 ff, daraus gezogenen Schlußfolgerungen).

Im Beschwerdefall ist auf Grund dieser Erwägungen zunächst festzuhalten, daß die belangte Behörde über die Arbeiterkammerzugehörigkeit entschieden und in diesem Zusammenhang in der Begründung des angefochtenen Bescheides sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Arbeiterkammerzugehörigkeit unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 2 lit. f AKG zu verneinen sei.

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, liegt im Beschwerdefall ein rechtskräftiger Bescheid des Präsidiums der Steiermärkischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft über die Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zu der genannten Landarbeiterkammer vor.

Der Bescheid des Präsidiums der Steiermärkischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft vom 18. April 1980 gründet sich auf die die Kammerzugehörigkeit regelnde Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. a des Steiermärkischen Landarbeiter-Kammergesetzes, LGBl. für die Steiermark Nr. 32/1982. Nach dieser Bestimmung erstreckt sich der persönliche Wirkungsbereich (Kammerzugehörigkeit) der Steiermärkischen Landarbeiterkammer auf alle Dienstnehmer, die auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet ohne Rücksicht auf die Art der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers im Lande Steiermark beschäftigt sind. Nach der Anordnung des Abs. 5 der genannten Gesetzesstelle entscheidet in Zweifelsfällen über die Kammerzugehörigkeit von Amts wegen oder auf Antrag das Präsidium durch schriftlichen Bescheid. Diese gesetzliche Regelung gründet sich auf die Generalkompetenz des Art. 15 Abs. 1 B‑VG (in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Z. 11 und Art. 11 Abs. 1 Z. 2).

Der vom zuständigen Verwaltungsorgan im Vollziehungsbereich des Landes erlassene rechtskräftige Bescheid über die Zugehörigkeit von Dienstnehmern zur Steiermärkischen Landarbeiterkammer bindet den zur Entscheidung über die Arbeiterkammerzugehörigkeit derselben Dienstnehmer zuständigen Bundesminister für soziale Verwaltung insoweit, als darin die Zugehörigkeit dieser Dienstnehmer zu der Steiermärkischen Land-arbeiterkammer ausgesprochen ist. Dies folgt einerseits aus der allein dem Landesgesetzgeber und der Landesvollziehung zukommenden Kompetenz hinsichtlich der Zugehörigkeit von Arbeitern und Angestellten auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet zu der Steiermärkischen Landarbeiterkammer und andererseits daraus, daß die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung hinsichtlich der Kammer für Arbeiter und Angestellte die Zugehörigkeit zu einer Landarbeiterkammer nicht erfaßt, der Bundesgesetzgeber vielmehr verpflichtet ist, bei seiner Regelung alle sachlich einschlägigen Regelungen des gegenbeteiligten Gesetzgebers zu beachten und ihnen innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches volle Wirksamkeit zu verschaffen hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 2447/52, 2674/54 und 3163/1957 sowie Pernthaler a.a.O. Seite 222). Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 6. Dezember 1983, B 325/79‑16, - wenn auch nur vorläufig - unter Hinweis auf die einschlägigen Rechtsmeinungen von Mayer (Ein „Umweltanwalt“ im österreichischen Recht, JBl. 1982, Seite 118 f) die Auffassung vertreten, es sei nicht zulässig, unter dem Titel der „Berücksichtigung“ kompetenzfremder Gesichtspunkte deren „Regelung“ vorzunehmen oder gar die vom gegenbeteiligten Gesetzgeber verfolgten Ziele zu unterlaufen. Entsprechen, wie im Beschwerdefall, die gesetzlichen Bestimmungen des Bundes und des Landes Steiermark der verfassungsgesetzlichen Kompetenz, so folgt aus der dem Bundesminister für soziale Verwaltung in der Frage der Zugehörigkeit eines Dienstnehmers zu einer Landarbeiterkammer lediglich zustehenden Berechtigung, darauf Bedacht zu nehmen, ob die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit des Dienstnehmers zur Landarbeiterkammer gegeben sind, daß der im Beschwerdefall ergangene Bescheid des Präsidiums der Steiermärkischen Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft die - im Zeitpunkt der Erlassung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides bereits vorgelegene - Entscheidung über eine Vorfrage darstellt.

Da die belangte Behörde die Entscheidung der zuständigen Behörde über die für ihre Entscheidung über die Arbeiterkammerzugehörigkeit rechtserhebliche Frage der Landarbeiterkammerzugehörigkeit derselben Dienstnehmer trotz gegebener rechtlicher Bindung an diese Entscheidung nicht beachtet hat, ist der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen wäre.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. An Schriftsatzaufwand konnte nur der in der genannten Verordnung bestimmte Pauschbetrag, der auch die Umsatzsteuer in sich schließt, zuerkannt werden.

Wien, am 28. März 1984

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