VwGH 84/02/0244

VwGH84/02/024412.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schemel, über die Beschwerde des Dr. RH in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. März 1984, Zl. MA 70-IX/H 39/84/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §52 Z10 lita;
StVO 1960 §96 Abs8;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984020244.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. März 1984 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 15. Oktober 1983 um 15,55 Uhr in "Wien 11., A 4 Höhe Lichtmast C 29 Richtung Schwechat" das dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug gelenkt und "die durch Verbotszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um etwa 30 km/h, somit erheblich, überschritten" zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach "§ 52 Zif. 10 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960" begangen, weshalb über ihn unter Berufung nach § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 800,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden) verhängt worden ist.

In Erwiderung auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte nicht bestraft werden dürfen, weil die Radarkontrolle ohne Ankündigungstafel durchgeführt worden sei, führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß entsprechend der Anzeige des Meldungslegers auf Grund eines Radarfotos festgestellt worden sei, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort mit 115 km/h gefahren sei. Die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers sei nie in Frage gestellt worden. Ferner werde auf die amtsbekannte Tatsache hingewiesen, daß bei sämtlichen Ortseinfahrten der Bundeshauptstadt Wien Radarkontrollen im Sinne des § 96 Abs. 8 StVO 1960 angekündigt werden. Damit sei der vom Gesetz verlangten Ankündigungspflicht Genüge getan, da nach dem Ausschußbericht im Nationalrat die Anzeige auch am Beginn eines Ortsgebietes erfolgen dürfe. Ergänzend werde noch bemerkt, daß die Tatsache einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann bestehen bleibe, wenn die gegenständliche Radarmessung nicht vorher angekündigt worden wäre; allein dies sei im gegenständlichen Fall mit Strafe bedroht, da eine Messung ohne Vorankündigung auch als voller Beweis für die Verwirklichung eines Deliktes verwendet werden könne, ungeachtet, wie dieser Beweis zustande gekommen sei. Die dem Beschwerdeführer angelastete Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, daß der durch die 10. Novelle zur Straßenverkehrsordnung 1960 eingeführten Bestimmung des § 96 Abs. 8 nicht dadurch entsprochen sei, daß bei sämtlichen Ortseinfahrten der Bundeshauptstadt entsprechende Ankündigungen angebracht seien. Bei der Anzeige der Radarkontrolle handle es sich um einen verkehrswichtigen Umstand, auf den gemäß § 43 Abs. 6 StVO 1960 nur dann nicht hingewiesen zu werden brauche, wenn der Umstand auch ohne Hinweis leicht erkannt werden könne. Andernfalls seien diese Hinweise gemäß § 44 Abs. 1 leg. cit. durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und würden mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft treten. Schon aus dem Umstand, daß für Radarkontrollen kein Vorschriftszeichen bestehe und die belangte Behörde nicht behauptet habe, daß die Ankündigung der Radarkontrolle durch eine Zusatztafel zum Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 erfolgt sei, ergebe sich, daß der Anzeigepflicht nicht im Sinne der Straßenverkehrsordnung 1960 entsprochen sei. Im übrigen könne die Bestimmung des § 96 Abs. 8 StVO 1960 nur dann sinnvoll sein, wenn die Anzeige der Überwachung in angemessener Entfernung von der tatsächlichen Kontrolle erfolge und nicht viele Kilometer von dieser entfernt.

Zu diesem Vorbringen ist Nachstehendes zu bemerken:

Durch die am 1. Juli 1983 in Kraft getretene und sohin im Beschwerdefall anzuwendende 10. Novelle der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 174/1983, wurde dem § 96 ein Abs. 8 angefügt, demzufolge "die Behörde eine mit Geschwindigkeitsmeßgeräten vorgenommene Überwachung anzuzeigen hat".

Im Bericht und Antrag des Verkehrsausschusses (1481 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP) wird zu dieser Bestimmung Nachstehendes ausgeführt:

"Radarkontrollen sollen in verstärktem Maße durchgeführt werden; solche Kontrollen sind aus Gründen der Verkehrssicherheit anzuzeigen. Der Ausschuß erwartet, daß eine solche Ankündigung allein die Kraftfahrzeuglenker dazu veranlassen wird, Geschwindigkeitsüberschreitungen zu vermeiden. Durch ein solches Verhalten soll ein Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet werden. Geschwindigkeitskontrollen sollen in erster Linie der Erhöhung der Verkehrssicherheit und nicht so sehr der Bestrafung dienen."

Dem Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmung kann nicht entnommen werden, daß dem Fahrzeuglenker damit ein Rechtsanspruch auf die Ankündigung der konkret bevorstehenden Überwachung der Geschwindigkeit mittels entsprechender Meßgeräte eingeräumt werden wollte, und sohin ein Fahrzeuglenker in seinen Rechten im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG verletzt wird, wenn eine Messung der Geschwindigkeit seines Fahrzeuges ohne die in Rede stehende Anzeige erfolgt und auf der Grundlage des solcherart gewonnenen Meßergebnisses ein Schuldspruch gefällt wird, zumal der Gesetzgeber weder vorgeschrieben hat, daß diese Anzeige der Überwachung mit Geschwindigkeitsmeßgeräten etwa mittels eines bestimmten Straßenverkehrszeichens im Sinne der §§ 50, 52 und 53 StVO 1960 zu erfolgen hat, noch angeordnet hat, in welcher Entfernung vom Ort der Aufstellung des Meßgerätes die Anzeige zu erfolgen hat. Dem erklärten Zweck der Regelung entsprechend soll ein Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet werden, indem schon allein von der - formlosen - Anzeige, also der Ankündigung einer bevorstehenden Geschwindigkeitsüberwachung eine Vermeidung von Geschwindigkeitsüberschreitungen erwartet wird. Dieser Anzeige kommt also lediglich die Bedeutung eines Hinweises darauf zu, daß der Fahrzeuglenker mit der Möglichkeit einer Messung der Geschwindigkeit seines Fahrzeuges rechnen muß, weshalb ihr jegliche normative Wirkung fehlt.

Unter diesen Umständen kann es dahingestellt bleiben, ob der in Rede stehenden Anzeigepflicht durch die in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnte "amtsbekannte Tatsache" entsprochen ist, "daß bei sämtlichen Ortseinfahrten der Bundeshauptstadt Wien Radarkontrollen im Sinne des § 96 Abs. 8 StVO 1960 angekündigt werden", wobei in Erwiderung auf die in der Beschwerde angestellten Erwägungen über die Art der Ankündigung der Geschwindigkeitsüberwachung nochmals festzuhalten ist, daß der Gesetzgeber auf diesbezügliche Anordnungen verzichtet hat, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß die in Rede stehende Anzeige durch Straßenverkehrszeichen (im Sinne der §§ 50, 52 und 53 StVO 1960) oder in einer sonstigen bestimmten Form zu erfolgen hat.

Schließlich tritt der Beschwerdeführer der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Auffassung der belangten Behörde entgegen, daß die Tatsache einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung bestehen bleibe, auch wenn die gegenständliche Radarmessung nicht vorher angekündigt worden sei, und meint, daß die Radarmessung ohne die gesetzlichen Voraussetzungen nicht hätte erfolgen dürfen und daher insoweit ein unzulässiges Beweismittel bilde.

In Erwiderung auf dieses Vorbringen ist auf das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1984, Zl. 84/03/0020, zu verweisen, in welchem der Gerichtshof ausgeführt hat, daß ein Vorstoß der Behörde gegen § 96 Abs. 8 StVO 1960 eine im Bereich der Behörde vorgenommene Überwachung der Geschwindigkeit mit Meßgeräten nicht allein schon deshalb rechtswidrig macht.

Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie das - im übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Ergebnis der Radarmessung ihrem Schuldspruch zugrunde gelegt und den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 52 Z. 10 a StVO 1960 bestraft hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/1982 abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 12. Oktober 1984

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte