European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984020129.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, vom 4. März 1983 wurde der Beschwerdeführer - nachdem die Strafverfügung von 31. Jänner 1983 infolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft getreten war - schuldig erkannt, er habe am 9. November 1982 um 13.55 Uhr „in Wien 23., A 23 Altmannsdorfer AST Richtung Altmannsdorfer Str.“ das dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug gelenkt „und die durch Verbotszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um etwa (mindestens) 40 km/h überschritten“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 begangen. Gemäß der zuletzt genannten Gesetzesstelle wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 700,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt.
Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Jänner 1984 das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, „daß die Übertretungsnorm § 52 Zif. 10 a StVO 1960 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960 zu lauten hat“.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß „im vorliegenden Bescheid zum ersten Mal in diesem Verwaltungsverfahren als Übertretungsnorm der § 52 Z. 10 a StVO 1960 zitiert wurde“, dies somit erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 geschehen und daher in der Zwischenzeit Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Dem ist - abgesehen davon, daß schon in der Strafverfügung vom 31. Jänner 1983 die Tat auch dem § 52 Z. 10 a StVO 1960 unterstellt wurde - entgegenzuhalten, daß es bei Beurteilung dieser Frage lediglich darauf ankommt, ob dem Beschwerdeführer bereits innerhalb der sechsmonatigen (und sohin am 9. Mai 1983 endenden) Verjährungsfrist die gegenständliche Straftat unter Angabe aller der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente angelastet worden ist, weil es im Hinblick darauf, daß eine Verfolgungshandlung sich auf die Tat selbst, nicht aber auf deren rechtliche Wertung bezieht, für den Eintritt der Verfolgungsverjährung ohne Belang ist, welcher gesetzlichen Bestimmung die betreffende Tat unterstellt wird. (Vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1978, Zl. 1664/75 = Slg. Nr. 9664/A.)
Auf dem Boden dieser Rechtslage erscheint aber der Einwand des Beschwerdeführers, es sei bereits eine von der belangten Behörde zu beachtende Verfolgungsverjährung eingetreten, aus einem anderen Grunde berechtigt. Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe dadurch, daß der Tatort nicht entsprechend konkretisiert worden sei, gegen § 44 a lit. a VStG 1950 verstoßen. Diesem Umstand kommt aber bereits bei Beurteilung der Frage, ob eine hinreichende Verfolgungshandlung vorlag, entscheidende Bedeutung zu, weil zu den der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselementen, die eine derartige Verfolgungshandlung aufzuweisen hat, auch die möglichst genaue Angabe des Tatortes zählt. Die bloße Angabe im Beschwerdefall, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung „in Wien 23., A 23 Altmannsdorfer AST Richtung Altmannsdorfer Str.“ erfolgte, konnte daher ohne genauere Bezeichnung des Tatortes zur Konkretisierung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat nicht genügen, weshalb sowohl die Strafverfügung vom 31. Jänner 1983 als auch das Straferkenntnis vom 4. März 1983, bei denen es sich der Aktenlage nach um die einzigen in Betracht kommenden Verfolgungshandlungen innerhalb der Verjährungsfrist handelt, nicht geeignet war, die Verjährung zu unterbrechen. (Vgl. dazu das einen ähnlich gelagerten Fall betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1984, Zl. 84/03/0097, wobei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert wird.) Eine solche Umschreibung würde - im Sinne des Beschwerdevorbringens - nur dann genügen, wenn feststünde, daß der Beschwerdeführer die kundgemachte Höchstgeschwindigkeit im gesamten Verlauf des Altmannsdorfer Astes der A 23, dem Spruch zufolge überdies „um etwa (mindestens) 40 km/h“, überschritten habe. Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift dem Beschwerdevorbringen, das genannte Straßenstück sei ca. 2 km lang und weise einen gekrümmten Verlauf auf, weshalb „die Sichtmöglichkeiten auf den gesamten Bereich gar nicht gegeben sind“, nicht entgegen, sondern meint, daß „eine ausreichende Konkretisierung und Individualisierung insofern erfolgt ist, als sich die Verwaltungsübertretung über den gesamten Altmannsdorfer Ast erstreckt hat, der Meldungsleger dem Berufungswerber im Streifenkraftwagen nachgefahren ist und ihn beobachten konnte“. Den vorgelegten Verwaltungsstrafakten, insbesondere dem Inhalt der Anzeige und der Zeugenaussage des Meldungslegers vom 9. November 1983, läßt sich aber nicht entnehmen, daß der Meldungsleger das vom Beschwerdeführer gelenkte Kraftfahrzeug die ganze Strecke hindurch, während es sich auf dem Altmannsdorfer Ast der A 23 befunden hat, beobachtet und hiebei - abgesehen von der Frage der Art der Geschwindigkeitsfeststellung und deren Verwertbarkeit (Schätzung auf Grund der Straßendiensterfahrung des Meldungslegers anläßlich des Überholens des Streifenwagens und anderer Fahrzeuge durch den Beschwerdeführer laut Anzeige; allenfalls auch Ablesen des Tachometers im Sinne der Begründung des angefochtenen Bescheides) - die als erwiesen angenommene Geschwindigkeitsüberschreitung wahrgenommen hat; derartiges hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht festgestellt.
Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 7. Dezember 1984
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