VwGH 83/05/0160

VwGH83/05/016021.2.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des AG in L, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 23/11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. August 1983, Zl. BauR 5215/6‑1983 Sl/Ra, betreffend eine Ersatzvornahme in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

VVG §10 Abs2
VVG §10 Abs2 lita
VVG §4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983050160.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde B vom 11. März 1974 war die baubehördliche Genehmigung zur Abschreibung des nunmehr dem Beschwerdeführer gehörigen Grundstückes im Ausmaß von 2.122 m2 zur Errichtung von Fischteichen bewilligt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr‑Umgebung erhielt der Beschwerdeführer die wasserrechtliche Genehmigung zur Errichtung von zwei Fischteichen, wobei er ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die wasserrechtliche Genehmigung keinesfalls die Genehmigung einer Fischerhütte beinhalte. Trotzdem wurde bei einer Besichtigung durch Gemeindeorgane am 20. Mai 1975 festgestellt, daß der Beschwerdeführer eine zirka 6 x 4 m große, mit Dachpappe gedeckte Holzhütte errichtet habe, die auf einem zirka 2,40 m hohen betonierten Kellergeschoß stehe, das zur Hälfte unter dem Geländeniveau und zur Hälfte darüber liege. Dieser Teil des Kellergeschosses sei von drei Seiten mit Erdreich angeschüttet, so daß die Holzhütte auf einem Erdhügel zu stehen scheine. Daraufhin wurde zunächst gegen den Beschwerdeführer ein Verwaltungsstrafverfahren wegen unbefugter Bauführung eingeleitet. In diesem rechtfertigte er sich damit, es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß für ein derartiges Objekt eine baupolizeiliche Genehmigung erforderlich sei, er habe daher bei der Gemeinde um die Baugenehmigung angesucht, doch sei eine Erledigung des Bauansuchens bisher nicht erfolgt. Die Hütte sei für die Wartung und Betreibung der Anlage unbedingt erforderlich, insbesondere auch als Aufenthaltsraum für sein zweijähriges Kind, wenn er bei der Anlage Arbeiten verrichte.

Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer. mit Schreiben vom 23. Oktober 1974 ein formloses Ansuchen um Baubewilligung ohne Pläne und sonstige Unterlagen für die Hütte in der Größe von 5,5 x 4 m eingebracht.

Am 13. August 1975 brachte der Beschwerdeführer unter Vorlage von Bauplänen ein den Vorschriften entsprechendes Bauansuchen ein, worüber am 27. August 1975 die Bauverhandlung stattfand. Bei dieser erklärte der Vertreter der Naturschutzbehörde, daß die unbefugte Bauführung einen störenden Eingriff in das Landschaftsbild darstelle, der öffentliche Interessen an seiner Erhaltung verletze. Da mangels Bauplatzerklärung ohnehin keine Baubewilligung erteilt werden könne, werde auch von der Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes Abstand genommen. Der bautechnische Sachverständige wies darauf hin, daß dem Bauansuchen um nachträgliche Genehmigung für das bereits durchgeführte Bauvorhaben auf Grund der Rechtslage nicht stattgegeben werden könne, da eine Baubewilligung nicht erteilt werden könne, sei zu veranlassen, daß das Gebäude zur Gänze abgetragen und der Urzustand wieder hergestellt werde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde B vom 16. September 1975 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, das auf seinem Grundstück ohne rechtskräftig erteilte Baubewilligung errichtete Bauwerk zu entfernen bzw. abzutragen und den Urzustand des Geländes wiederherzustellen. Für die Abtragung des Bauwerkes werde eine Frist bis 31. Dezember 1975 eingeräumt. Dieser Anspruch wurde lediglich auf die unbefugte Bauführung gestützt, die einen störenden Eingriff in das Landschaftsbild darstelle. Eine Entscheidung über die begehrte Baubewilligung enthielt der Bescheid nicht.

Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates vom 18. November 1975 ein Berufungsbescheid mit nachstehendem Spruch:

„Der Berufung wird nicht stattgegeben und der Bescheid der Marktgemeinde B vom 16. September 1975 bestätigt. Das Garten- und Gerätehaus ist bis zum Keller abzutragen. Das bestehende Kellergeschoß wird bis auf Widerruf genehmigt. Die Errichtung einer Fischerhütte auf dem bestehenden Kellergeschoß wird untersagt. Sollte vom Bauwerber eine seinerzeit mündlich genehmigte Fischerhütte zur Aufstellung kommen, ist auch der bestehende Kellerteil vorher zu entfernen. Für die Abtragung des gegenständlichen Bauwerkes wird eine Frist bis 30. 6. 1976 eingeräumt.“

Die Begründung dieses Bescheides entspricht - abgesehen von einer Erwähnung der Besichtigung des Objektes durch den Planungsausschuß - dem erstinstanzlichen Bescheid.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft; es wurden lediglich Verlängerungen der Leistungsfrist bewilligt.

Der Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26. Juni 1979, womit auf Grund des vollstreckbaren Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde B vom 16. September 1975 der Beschwerdeführer zur Vorauszahlung der Kosten von S 15.000,-- zur Abtragung des Bauwerkes verhalten wurde, wurde über Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. August 1979 behoben. Begründend wies die Berufungsbehörde darauf hin, daß der Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde B wegen des dort enthaltenen, entsprechend geänderten Spruches an die Stelle des Bescheides der Unterbehörde getreten sei. Auf Grund des Berufungsbescheides sei nämlich das Garten- und Gerätehaus bis zum Keller abzutragen, während das bestehende Kellergeschoß bis auf Widerruf genehmigt worden sei.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. Oktober 1979 wurde daher der an den Beschwerdeführer gerichtete Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten von nunmehr S 16.000,-- auf den vollstreckbaren Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde B vom 9. Jänner 1976 gestützt, und zwar zur Abtragung des Garten- und Gerätehauses des Beschwerdeführers bis zum Keller. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. Jänner 1980 gemäß § 10 VVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen, da keiner der im § 10 Abs. 2 VVG 1950 genannten Gründe überhaupt geltend gemachten worden sei. Auch dieser Bescheid blieb unangefochten.

Nach zahlreichen Interventionen, außerrechtlichen Vorgängen und Versuchen, dem Beschwerdeführer Rechtsbelehrung zu erteilen, wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 18. Juli 1983 die Ersatzvornahme auf Grund des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde B vom 9. Jänner 1976 angeordnet. Der Spruch lautete:

„Gemäß § 4 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VVG 1950), BGBl. Nr. 172, wird die mangelnde Leistung bewerkstelligt. Sie wird auf Grund der abgegebenen Angebote der Fa. L auf der Grundlage des Angebots vom 16. 5. 1983/E zu einem Anbotspreis von S 11.486,20 zuzüglich Mehrwertsteuer von S 2.067,52, insgesamt S 13.553,72 übertragen werden. Die Übertragung der Arbeiten an die genannte Firma erfolgte nach Vorauszahlung bzw. Exekution der vorschußweise zu entrichtenden Kosten auf Grund des rechtskräftigen Bescheides vom 11. 10. 1979 BauR‑4‑1978 der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung.“

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß er von der Baubehörde erster Instanz mit Schreiben vom 21. Mai 1974 schriftlich eine Hütte zugesagt bekommen habe und laut neuer Bauordnung für Hütten im Grünland zum Zwecke des landwirtschaftlichen Gebrauchs (Fischerhütte mit fünf genehmigten Teichen) keine Bauplatzerklärung notwendig sei. Da der Beschwerdeführer nur einen Aufenthaltsraum von 12 m2 besitze, könne man dies nicht als Wochenendhaus bezeichnen. Im „Bau 1315“ sei ihm ein Kellergeschoß bewilligt worden. Laut VVG 1950 könne Berufung erhoben werden, wenn die Vollstreckung unzulässig sei. Unzulässig sei sie dann, wenn, wie beim Beschwerdeführer, ein Keller bewilligt und von der Baubehörde erster Instanz eine Hütte zugesagt worden sei. Laut § 84 der Oberösterreichischen Bauverordnung dürfe ein Aufenthaltsraum eingerichtet werden, wenn er für die Erhaltung der Fischzuchtanlage erforderlich sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe dem Bescheid durch Zuschüttung des Kellers entsprochen, sei der rechtskräftige Titelbescheid entgegenzuhalten, wonach er das Garten- und Gerätehaus bis zum Keller abzutragen habe. Der im Spruch festgelegte Auftrag bestehe somit in der Abtragung des Garten- und Gerätehauses bis zum Keller, nicht jedoch in der Zuschüttung des Kellers. Der auferlegten Verpflichtung sei somit nicht entsprochen worden, weshalb auch nicht der Berufungsgrund der Unzulässigkeit vorliege. Auch habe die amtswegige Bescheidüberprüfung ergeben, daß es weder an der Übereinstimmung zwischen Vollstreckungsverfügung und dem zu vollstreckenden Bescheid fehle, noch seien die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen oder stünden mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 2 VVG 1950 im Widerspruch. Einwendungen, die sich gegen den die Grundlage des Vollstreckungsverfahrens bildenden Titelbescheid richteten, seien im Vollstreckungsverfahren nicht mehr zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach den Ausführungen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß der Abtragungsauftrag nicht vollzogen werde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es im Zuge des Vollstreckungsverfahrens rechtlich ausgeschlossen ist,. Einwendungen vorzubringen, die sich gegen den Exekutionstitel bildenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde richten (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 1956, Slg. 2952). Ein Berufungsgrund nach § 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950 könnte zwar in einer seit Zustellung des Titelbescheides eingetretenen Änderung des Sachverhaltes verwirklicht sein, soweit diese Änderung so wesentlich ist, daß bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1973, Slg. Nr. 8416/A, und vom 29. März 1977, Zlen. 637, 737/75 u. a.). Die immer wieder behauptete Zusage wurde vom Beschwerdeführer stets auf das Jahr 1975 datiert, liegt daher vor dem Zeitpunkt des Ergehens des Titelbescheides vom 9. Jänner 1976. (Darüber hinaus wäre eine derartige „Zusage“ rechtlich irrelevant, da die erforderliche Baubewilligung ausschließlich in dem nach §§ 43 ff der Oberösterreichischen Bauordnung vorgesehenen Verfahren erfolgen kann; gemäß § 41 Abs. 1 lit. a leg. cit. bedarf jedoch jeglicher Neubau von Gebäuden - darunter fallen auch Fischerhütten u.dgl. - einer Bewilligung der Baubehörde; eine Ausnahme nach § 41 Abs. 4 leg. cit. ist für derartige Hütten nicht vorgesehen.)

Es kann der Beschwerde aber auch darin nicht gefolgt werden, daß der Titelbescheid völlig widersprüchlich und daher der Vollstreckung gar nicht zugänglich sei. Richtig ist zwar, daß dieser Bescheid mit Mängeln, insbesondere in der Begründung, behaftet ist und. die Berufungsbehörde zum Abspruch über das Baubewilligungsansuchen gar nicht zuständig gewesen wäre, da es diesbezüglich an einem Bescheid erster Instanz fehlt; alle diese Mängel sind jedoch durch die Rechtskraft des Bescheides geheilt. Für die Vollstreckbarkeit ist es nämlich bedeutungslos, ob die Berufungsbehörde „der Berufung nicht stattgegeben“ hat, wenn sie, wie die Oberösterreichische Landesregierung schon seinerzeit richtig erkannt hatte, den Spruch der ersten Instanz durch einen neuen Spruch ersetzt hat. Die Erteilung der Baubewilligung für das bestehende Kellergeschoß und die Versagung hinsichtlich der darauf errichteten Hütte steht aber mit dem Auftrag, das Garten- und Gerätehaus bis zum Keller abzutragen, durchaus im Einklang. Er ist auch so hinreichend bestimmt, daß er einer Vollstreckung zugänglich ist. Der weitere Satz, daß der bestehende Kellerteil zu entfernen sei, falls die Fischerhütte zur Aufstellung kommen sollte, stellt im Zusammenhang eindeutig die Ankündigung eines Grundes zum Widerruf für die nur widerruflich genehmigte Kelleranlage dar. Die belangte Behörde hat daher mit Recht den Bescheid des Gemeinderates als vollstreckbar angesehen.

Soweit der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel und die Verletzung des Parteiengehörs insofern annimmt, als ihm erst im Bescheid über die Anordnung der Ersatzvornahme „auferlegt“ worden sei, daß die mangelnde Leistung auf Grund eines eingeholten Anbotes einer Firma durchgeführt werde, steht dies nicht nur im Widerspruch zur Aktenlage, wonach mehrere Angebote eingeholt wurden, der Beschwerdeführer verkennt vielmehr das Wesen des Vollstreckungsverfahrens, in dem ihm kein Einfluß auf die Auswahl des Unternehmens zusteht, dessen sich die Behörde bei der Ersatzvornahme bedient. Im übrigen steht es dem Verpflichteten frei, vor Beginn der Ersatzvornahme durch das von der Behörde beauftragte Unternehmen die aufgetragene Leistung selbst noch vorzunehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen. Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Gerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 21. Februar 1984

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