VwGH 83/05/0139

VwGH83/05/013922.5.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Oberpullendorf, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, Hauptstraße 55, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 21. Juli 1983, Zl. XII‑H‑4/5‑1982, betreffend einen aufsichtsbehördlichen Bescheid in bezug auf einen Entfernungsauftrag für einen Zaun, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Bgld 1969 §3 Abs1 Z2
GdO Bgld 1965 §57 Abs1
GdO Bgld 1965 §57 Abs2
GdO Bgld 1965 §85 Abs1
GdO Bgld 1965 §85 Abs2
LStVwG Bgld 1926 §42 Abs1
RPG Bgld 1969 §22 Abs1 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983050139.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Burgenland hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 8,060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. September 1978 erklärte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberpullendorf das Grundstück Nr. nn/2 KG. Oberpullendorf, zum Bauplatz. Gleichzeitig wurde in Punkt III dieses Bescheides die Verpflichtung ausgesprochen, gemäß § 17 der Burgenländischen Bauordnung die im Lageplan dargestellte Grundstücksfläche des Grundstückes Nr. nn/2, KG. Oberpullendorf, im Ausmaß von zirka 30 m2 unentgeltlich und kostenfrei an die Gemeinde abzutreten. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft; es erfolgte seine grundbücherliche Durchführung und sohin auch die vorgeschriebene Grundabtretung.

Auf Grund einer Aufsichtsbeschwerde eines Nachbarn und nach Durchführung einer Korrespondenz - darunter ein nicht als Bescheid bezeichnetes Schreiben an die Gemeinde vom 19. Dezember 1981 - stellte die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf in einem an den Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberpullendorf gerichteten Schreiben vom 24. Februar 1983 fest, daß die Teilfläche 1 des Grundstückes Nr. nn/2, KG. Oberpullendorf, in einer Breite von zirka 2,50 m als öffentliches Gut im Grundbuch eingetragen sei. Ein durchgeführter Lokalaugenschein habe ergeben, daß die im öffentlichen Gut stehende Teilfläche zu den angrenzenden Grundflächen durch einen Zaun abgesperrt und somit diese Teilfläche nicht der Öffentlichkeit zugänglich sei, sondern den (früheren) Eigentümern des genannten Grundstückes. Im Sinne des § 85 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung wurde der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz aufgefordert, den Zaun, der sich auf der Teilfläche 1 des Grundstückes Nr. nn/2, KG. Oberpullendorf, auf öffentlichem Gut befinde, binnen einer Frist von einem Monat, gerechnet ab Zustellung dieses schriftlichen Auftrages, zu entfernen bzw. entfernen zu lassen. Die Verpflichtung, aus Anlaß der Erteilung einer Widmungsbewilligung von den Widmungsgrundstücken jene Grundfläche an die Gemeinde abzuführen, die zur Herstellung der neu anzulegenden Gasse erforderlich sei, trete mit der Rechtskraft des Widmungsbescheides und unabhängig davon ein, ob die künftige Straße für die Aufschließung des Widmungsgrundstückes erforderlich sei oder sonst mit dem Widmungsverfahren im Zusammenhang stehe. Der Zeitpunkt des Ausbaues der Straße müsse noch nicht festgelegt sein. In diesem Zusammenhang wird au£ das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes „Slg. 64574“ (offensichtlich A) verwiesen. Außerdem stünde, so wurde weiter ausgeführt, gemäß § 57 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung die Benützung des öffentlichen Gutes allen in gleicher Weise zu. Unter Gemeingebrauch verstehe man das Recht eines jeden Menschen, ohne besondere Bewilligung das öffentliche Gut zu benützen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung seien öffentliches Gut alle Sachen, die dem Gemeingebrauch gewidmet seien. Sollte der Bürgermeister diesem aufsichtsbehördlichen Auftrag nicht Folge leisten, müßten weitere Maßnahmen im Sinne des § 85 der Burgenländischen Gemeindeordnung eingeleitet werden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 21. Juli 1983 wurde gemäß § 85 Abs. 1 und 2 der Burgenländischen Gemeindeordnung die Stadtgemeinde Oberpullendorf verpflichtet, den Zaun, der sich auf der Teilfläche 1 des Grundstückes Nr. nn/2, KG. Oberpullendorf, auf öffentlichem Gut befindet, binnen einer Frist von einem Monat, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, zu entfernen oder entfernen zu lassen. Begründet wird diese Entscheidung im Sinne des vorzitierten Schreibens vom 24. Februar 1983.

Gegen diesen Bescheid erhob die Stadtgemeinde Oberpullendorf die vorliegende Beschwerde, in welcher sie als Beschwerdepunkt das Recht auf gesetzmäßige Anwendung des § 57 der Burgenländischen Gemeindeordnung geltend macht. Aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt sich auch, daß die Beschwerdeführerin die aufsichtsbehördliche Maßnahme im Sinne des § 85 der Gemeindeordnung für nicht „unbedingt erforderlich“ hält. Ausdrücklich wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 57 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, bilden die dem Gemeingebrauch gewidmeten Teile des Gemeindeeigentums das öffentliche Gut der Gemeinde. Die Benützung steht allen in gleicher Weise zu § 57 Abs. 2 des Gesetzes bestimmt, daß der Gemeinderat jede über den Gemeingebrauch des öffentlichen Gutes hinausgehende Benützung untersagen oder von der Entrichtung einer Gebrauchsabgabe abhängig machen kann. Hiebei muß sich die Ausschreibung der Gebrauchsabgabe durch den Gemeinderat auf ein auf Grund des Finanzausgleichsgesetzes ergangenes Landesgesetz stützen.

Nach § 85 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung kann die Aufsichtsbehörde im Falle der Verletzung von Gesetzen oder Verordnungen bei der Führung der Verwaltung dem Bürgermeister, wenn er nicht aus eigenem für eine Abhilfe sorgt, die erforderliche Belehrung unter Setzung einer angemessenen Erledigungsfrist erteilen. Unterläßt es die Gemeinde, eine Aufgabe zu erfüllen, zu der sie nach den Gesetzen verpflichtet ist, so kann ihr die Aufsichtsbehörde nach § 85 Abs. 2 der Gemeindeordnung eine angemessene Frist setzen, innerhalb welcher die Gemeinde der ihr gesetzlich obliegenden Pflicht nachzukommen hat. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist (Abs. 1 und 2) kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 85 Abs. 3 der Gemeindeordnung im Falle unbedingter Notwendigkeit alle erforderlichen Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Gemeinde selbst treffen. Nach § 79 Abs. 3 der Burgenländischen Gemeindeordnung, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1970, ist Aufsichtsbehörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Bezirkshauptmannschaft. Nach § 79 Abs. 4 der Gemeindeordnung ist gegen aufsichtsbehördliche Bescheide eine Berufung nicht zulässig.

Auf Grund der zuletzt genannten Gesetzesstellen ist in Übereinstimmung mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon auszugehen, daß die Beschwerde der Stadtgemeinde Oberpullendorf gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zulässig ist.

Inhaltlich hatte der Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die belangte Behörde berechtigter Weise annehmen durfte, daß ein Fall einer Ersatzvornahme im Sinne des § 85 Abs. 2 der Burgenländischen Gemeindeordnung vorliegt. Die Anwendung dieser Norm setzt eine gesetzliche Pflicht der Gemeinde voraus. Eine gesetzliche Pflicht, ins öffentliche Gut übertragene Grundflächen dem Gemeingebrauch zur Verfügung zu stellen, läßt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes weder aus der Burgenländischen Bauordnung noch aus dem hier allenfalls gleichfalls in Betracht kommenden Straßengesetz ableiten. Vielmehr setzt die Handhabung des Gemeingebrauches nicht nur die Übertragung einer Grundfläche in das öffentliche Gut, sondern auch deren Freigabe für den Verkehr durch die Gemeinde voraus. Nach § 51 Abs. 2 der Burgenländischen Gemeindeordnung ist der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich insbesondere auch die Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde (lit. d) gewährleistet, wobei sich die Gemeinde grundsätzlich mangels konkreter gesetzlicher Regelungen an den gegebenen Notwendigkeiten zu orientieren hat. Nach den Bestimmungen des § 42 Abs. 1 und 2 des Burgenländischen Straßenverwaltungsgesetzes, LGBl. Nr. 43/1927, bedarf die Herstellung neuer Verkehrsflächen der Gemeinde der Beschlußfassung des Gemeinderates; eine gesetzliche Verpflichtung zu einem solchen Beschluß wurde nicht normiert.

Im Beschwerdefall ist nicht hervorgekommen, daß die Gemeinde eine Verletzung gesetzlicher Verpflichtungen begangen hat, wenn sie bei der gegebenen Situation nicht dafür Sorge getragen hat, die im öffentlichen Gut befindliche Grundfläche für den öffentlichen Verkehr freizugeben. Die im Akt erliegenden Planunterlagen lassen nämlich erkennen, daß jener Nachbar, auf Grund dessen Eingaben die belangte Behörde letztlich den in Beschwerde gezogenen Bescheid erlassen hat, von seinem Grundstück (Nr. nn/4) im Norden einen Anschluß an das öffentliche Straßennetz (-gasse) besitzt. Die Aktenlage hat keine Hinweise für einen erforderlichen Ausbau der Straße ergeben. Es kann der Gemeinde nicht entgegen getreten werden, wenn sie der Ansicht ist, die bloße Abtretung einer Grundfläche ins öffentliche Gut anläßlich der Bauplatzschaffung (hier mit Bescheid vom 4. September 1978) erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Freigabe der Grundflächen für den öffentlichen Verkehr. Das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 12. Oktober 1964, Nr. 6457/A, besagt nichts Gegenteiliges und erging im übrigen zur Bauordnung für Graz zu einem völlig anders gearteten Sachverhalt. Zu bemerken ist noch, daß auch dann, wenn sich im Beschwerdefall wirklich die Frage einer einzigen Zufahrtsmöglichkeit gestellt hätte - und aus diesem Grunde das Verlangen des Nachbarn auf einen raschen Ausbau der Verkehrsfläche verständlich wäre -, dies nicht gegen die dargelegten Ausführungen sprechen könnte, weil diesbezüglich nach dem Notwegegesetz zivilgerichtlich vorgegangen werden kann, soweit im Verwaltungswege ein Ausbau der Straße nicht zu erzwingen ist. Zur Frage der Voraussetzung für eine allfällige Bauplatzerklärung darf in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1981, Slg. N.F. Nr. 10.437/A, verwiesen werden.

Verfehlt ist allerdings die von der beschwerdeführenden Gemeinde vertretene Auffassung, die auf Grund der Bauplatzschaffung abgetretene Grundfläche könne gar nicht als öffentliches Gut beurteilt werden, weil hiefür eine Widmung in Form einer Verordnung vorliegen müsse. Eine Verpflichtung zur Grundabtretung im Sinne des § 17 der Burgenländischen Bauordnung setzt voraus, daß die abgetretene Grundfläche künftig dem öffentlichen Verkehr zugeführt wird, und daher ist schon die Bauplatzschaffung als Widmungsakt anzusehen, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zu Recht zitierten Erkenntnis vom 28. April 1981, Zl. 05/2521/78, Slg. N.F. Nr. 10437/A, ausgeführt hat.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich jedoch die Beschwerde im Ergebnis als berechtigt und es war sohin der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bei der gegebenen Situation erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung des Ersatzes der den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer sowie der Stempelgebühren, welche im Rahmen des öffentlich‑rechtlichen Wirkungsbereiches der Gemeinde nach den Bestimmungen des Gebührengesetzes nicht zu entrichten waren.

Wien, am 22. Mai 1984

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