VwGH 83/04/0238

VwGH83/04/023817.1.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Unfried über die Beschwerde des SE in S, vertreten durch Dr. Eckart Fussenegger, Rechtsanwalt in Salzburg, Künstlerhausgasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Juli 1983, Zl. Ge - 19.006/1-1983/Bra/Hin, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §1 Abs3;
GewO 1973 §103 Abs1 litb Z49;
GewO 1973 §366 Abs1 Z1;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983040238.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Juli 1983 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, in der Zeit vom 31. Mai 1976 bis zum 13. Dezember 1981 im Standort S, als "sogenannter freier Mitarbeiter der T GesmbH und der V GesmbH" das "Vermögensberatungsgewerbe" ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begangen zu haben. über den Beschwerdeführer wurde in Anwendung des § 366 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarrest sieben Tage) verhängt.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach eingehender Befassung mit dem gesamten Aktenvorgang komme die Behörde zu der Überzeugung, daß im gegenständlichen Fall alle Merkmale der Gewerbsmäßigkeit gegeben seien und sich der Beschwerdeführer der unbefugten Gewerbeausübung schuldig gemacht habe. Dabei stütze sie ihre Rechtsansicht auf den vorliegenden Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und den beiden im Spruch genannten Gesellschaften. Die wesentlichsten Bestimmungen dieses Vertrages sähen vor, daß der Beschwerdeführer als freier Mitarbeiter in Eigenverantwortung und ohne besonderes dienstbzw. arbeitsrechtliches Verhältnis den persönlich geworbenen Kunden sogenannte Vermögensbildungs- bzw. Sparverträge der genannten Gesellschaften verkaufe, wobei er lediglich an deren allgemeine Richtlinien gebunden sei. Das Wesen eines sogenannten freien Mitarbeiters liege eben darin, daß er völlig selbständig im Rahmen allgemein gehaltener Vereinbarungen tätig werde und sich auch sein Einkommen auf Provisionsbasis nach seinem Geschick bzw. Erfolg bestimme. Weiters sei für diese Art der Tätigkeit typisch, daß zwischen dem freien Mitarbeiter und seinem Vertragsunternehmen kein besonderes dienst- oder arbeitsrechtliches Verhältnis bestehe. In diesem Zusammenhang sei auf § 1 Z. 2, § 5 und § 15 des vorliegenden Vertrages vom 1. Juni 1981 zu verweisen. Darin sei speziell die Eigenverantwortung normiert und ausdrücklich festgehalten worden, daß nach dem Willen der Vertragspartner kein Dienstvertrag zustande gekommen sei. Das Merkmal der Selbständigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 GewO 1973 sei somit gegeben.

Nach Ausführungen über das Vorliegen der Merkmale der Regelmäßigkeit der in Rede stehenden Tätigkeit samt der Absicht, dadurch einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, wird in der Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Juli 1983 weiter ausgeführt, es seien somit alle im § 1 GewO 1973 aufgezählten Merkmale der Gewerbsmäßigkeit gegeben. Unbestritten sei ferner, daß der Beschwerdeführer auf dem Gebiet der Vermögensberatung in Form der Kundenberatung bzw. des Verkaufes von Vermögensbildungs- oder Sparplänen der beiden Gesellschaften tätig gewesen sei und für diese gewerbliche Tätigkeit keine entsprechende Gewerbeberechtigung vorweisen könne. Damit sei ferner bewiesen, daß der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe. Diese Entscheidung stütze sich auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1978, Zl. 1404/77, wonach auf die Tätigkeit der freien Mitarbeiter die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 anzuwenden seien. Ergänzend sei festzuhalten, daß einer allfälligen Zustimmung der vorgesetzten Dienstbehörde des Beschwerdeführers zu einer beabsichtigten Nebenbeschäftigung lediglich dienstrechtliche Bedeutung zukomme, keinesfalls aber von der Einhaltung sonstiger Vorschriften entbinde. Weiters hätte der Beschwerdeführer schon aus der Veranlagung zur Gewerbe- und Einkommensteuer erschließen müssen, daß es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit grundsätzlich um eine gewerbliche handle; dies schon deshalb, weil - trotz aller Unterschiede in Detailfragen - von der Einheit der österreichischen Rechtsordnung auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung für schuldig befunden und hiefür nicht bestraft zu werden.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, zur Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit sei die Beurteilung dieser Frage nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Momente vorzunehmen. Wenn auch die erwähnten Gesellschaften und der Beschwerdeführer nach ihrem Parteiwillen festgelegt hätten, daß kein Dienstvertrag zustande gekommen sei und der Beschwerdeführer als freier Mitarbeiter Vermögensbildungs- bzw. Sparverträge dieser Gesellschaften verkaufe, so sei die Tätigkeit des Beschwerdeführers nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Momente eindeutig als unselbständig zu beurteilen. Schon aus den dem Akt angeschlossenen Urkunden sei ersichtlich, daß die Tätigkeit, die vom Beschwerdeführer ausgeübt werde, nicht ihm, sondern ausschließlich den Gesellschaften zuzurechnen sei. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers werde nämlich auf Rechnung und Risiko der Gesellschaften entfaltet, nur diese und nicht der Beschwerdeführer seien den Kunden für die Vermögensberatung betreffend die Ansparung und die weitere Abwicklung der Sparanlagen verantwortlich. Die belangte Behörde habe ungeprüft gelassen, ob der Beschwerdeführer ein "Unternehmerrisiko" trage. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er sei weder am Gewinn noch am Verlust beteiligt, ja er habe seine Tätigkeit sogar strikt nach den Anordnungen der beiden Gesellschaften auszuüben, weshalb ihm die Möglichkeit einer unternehmerischen Tätigkeit schlechthin genommen sei. Es müsse der belangten Behörde vorgeworfen werden, daß sie die Selbständigkeit im wesentlichen allein auf Grund des Vertragsverhältnisses des Beschwerdeführers zu den beiden Gesellschaften, also nach äußeren rechtlichen Formen, beurteilt habe und nicht auf Grund der tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Es stehe aber fest, daß der Beschwerdeführer Geschäfte nicht im eigenen Namen abschließe, geschweige denn auf eigene Rechnung. Er sei weisungsgebunden und habe sich an die Anordnungen und Richtlinien der Geschäftspolitik der beiden Gesellschaften zu halten. Der Beschwerdeführer sei von den Gesellschaften zu den von ihm ausgeübten Tätigkeiten gemäß § 1002 ABGB bevollmächtigt. Bei Vorliegen eines Bevollmächtigungsvertrages könne naturgemäß von einer selbständigen Tätigkeit des Bevollmächtigten nicht gesprochen werden. Nicht auseinandergesetzt habe sich die belangte Behörde auch mit der von Lehre und Rechtsprechung neu entwickelten Rechtsfigur der sogenannten "arbeitnehmerähnlichen" Person. Eine solche Person habe sich auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages, der nicht Arbeitsvertrag sei, zu persönlicher Arbeitsleistung verpflichtet und sei von ihrem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig. All dies treffe auf den Beschwerdeführer zu. Die wirtschaftliche Abhängigkeit komme am deutlichsten durch den Verzicht auf eigene unternehmerische Tätigkeit zum Ausdruck. Die rechtliche Unterordnung des Beschwerdeführers unter die beiden Gesellschaften werde dadurch deutlich, daß der Beschwerdeführer die Verwertung seiner Leistung gegen die Gewährung einer Einkommenszusage (Provision) den beiden Gesellschaften überlasse, die den Absatz der Leistungen an das Publikum übernähmen und denen deshalb der Unternehmergewinn zufalle. Aber auch die im Bevollmächtigungsvertrag enthaltenen Konkurrenzverbote und Vertragsstrafeklauseln und die dadurch bedingte vertragliche Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Form einer Ausschließlichkeitsbindung bestätigten das Vorliegen eines weiteren Merkmales wirtschaftlicher Abhängigkeit.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen zu ahnden ist, wer ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Zu den Anmeldungsgewerben in Form der gebundenen Gewerbe (§ 6 Z. 2 GewO 1973) zählt gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 49 das Gewerbe der Vermögensberater.

Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch (des Straferkenntnisses), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. November 1983, Zl. 83/04/0161, auf Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, wird in diesem Zusammenhang verwiesen) gehört es zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist und daß die Möglichkeit ausgeschlossen wird, er könnte etwa wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer in bezug auf die als unbefugt angesehene Tätigkeit angelastet, er habe das "Vermögensberatungsgewerbe" ausgeübt. Die belangte Behörde unterließ es allerdings, im Spruch jene Tätigkeit näher zu beschreiben, wodurch der Beschwerdeführer das erwähnte Gewerbe (unbefugt) ausgeübt haben soll. In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß die belangte Behörde lediglich in der Begründung des angefochtenen Bescheides die diesbezügliche Tätigkeit des Beschwerdeführers zwar umschreibt, indes selbst diese nur in die Bescheidbegründung aufgenommene Umschreibung der Genauigkeit entbehrt. So ist einerseits davon die Rede, der Beschwerdeführer habe den persönlich geworbenen Kunden "sogenannte Vermögensbildungs- bzw. Sparverträge" verkauft, andererseits wird ausgeführt, daß der Beschwerdeführer "auf dem Gebiet der Vermögensberatung in Form der Kundenberatung bzw. des Verkaufes von Vermögensbildungs- oder Sparplänen" tätig war.

Der angefochtene Bescheid war daher schon in Hinsicht auf die Mangelhaftigkeit seines Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren sei aus prozeßökonomischen Gründen auf folgendes verwiesen:

Gemäß § 1 Abs. 2 GewO 1973 wird eine Tätigkeit dann gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes dann vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob im Einzelfall ein selbständiges Unternehmen vorliegt, nach dem Gesamtbild der festgestellten wirtschaftlichen Momente zu beurteilen, wobei eine gewerbliche Tätigkeit jener Person oder Personenmehrheit zuzurechnen ist, auf deren Seite die angeführten gesetzlichen Voraussetzungen verwirklicht erscheinen. In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Frage, wer das mit der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko auf sich nimmt - ein Selbständigkeitsmerkmal, das durch den in seinem Zusammenhang zu verstehenden Wortlaut "Rechnung und Gefahr" im § 1 Abs. 3 GewO 1973 umschrieben wird und das im Sinne dieser Gesetzesbestimmung immer auch ein Tätigsein des Gewerbetreibenden auf eigene Rechnung miterfaßt - auf Grund der wirtschaftlichen Gegebenheiten und nicht allein nach den äußeren rechtlichen Formen zu beurteilen, in denen sich diese Tätigkeit darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1977, Slg. N. F. Nr. 9263/A). Eine Gewerbeausübung kann allerdings auch jener Person in Hinsicht auf das Merkmal der Selbständigkeit zugeordnet werden, welche zumindest Anteil am kaufmännischen Risiko hat und die Tätigkeit somit "auch" auf Rechnung und Gefahr dieser Person erfolgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1981, Zl. 04/3754/80). Soweit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides und in der Gegenschrift auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1978, Zl. 1404/77, verweist, ist zu bemerken: Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis die dem damaligen Beschwerdefall zugrundeliegende Annahme der belangten Behörde, es habe der damalige Beschwerdeführer (als "freier Mitarbeiter .... ohne besonderes dienst- bzw. arbeitsrechtliches Verhältnis zum - im dortigen Beschwerdefall - erwähnten Unternehmen") eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, nicht als rechtswidrig erkannt. Diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings kein Rechtssatz etwa in Hinsicht auf die rechtserheblichen Merkmale der Tätigkeit eines "freien Mitarbeiters" schlechthin und deren Zuordnung zu der Gewerbsmäßigkeit einer Tätigkeit zu entnehmen. Vielmehr sind die dortigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes - wie sich unschwer entnehmen läßt - sachverhaltsbezogen zu verstehen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. d VwGG 1965 Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 17. Jänner 1984

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