VwGH 83/02/0089

VwGH83/02/008921.10.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Fürnsinn, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schwaighofer, über die Beschwerde des Dipl. Ing. WH in W, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Jänner 1983, Zl. MA 70‑X/H 111/82/Str., betreffend Übertretung straßenpolizeilicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §22 Abs2
StVO 1960 §43 Abs2
StVO 1960 §52 Z14
StVO 1960 §99 Abs3 lita
StVO 1960 §99 Abs3 liti
VStG §44 litb
VStG §44a lita
VStG §44a litc
VStG §44a Z1 implizit
VStG §44a Z2 implizit
VStG §44a Z3 implizit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983020089.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 1 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 22. September 1966 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde und ihm hiefür Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 3. Mai 1982 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Februar 1982 um 11.05 Uhr in Wien 17, Kreuzung Gilmgasse‑Richthausenstraße als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw‘s „1. Schallzeichen abgegeben, obwohl dies die Verkehrssicherheit nicht erfordert hätte, 2. ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt, obwohl andere Straßenbenützer, insbesonders entgegenkommende, gefährdet oder behindert hätten werden können, 3. ist er in weitem statt kurzem Bogen nach rechts eingebogen und hat 4. beim Fahrstreifenwechsel nach dem Überholvorgang den Lenker des überholten Fahrzeuges gefährdet und behindert“ und dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 1 Abs. 1 der Verordnung des Wiener Magistrates vom 22. September 1966, zu 2. nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960, zu 3. nach § 13 Abs. 1 StVO 1960 und zu 4. nach § 11 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. i StVO 1960 (zu 1.) bzw. § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. (zu 2., 3. und 4.) wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von je S 500,-- (Ersatzarreststrafen in der Dauer von je 25 Stunden, zu 1., 3. und 4.) und von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 50 Stunden, zu 2.) verhängt.

Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Jänner 1983 das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in den Punkten 1., 2. und 3. bestätigt. Im Punkt 4. wurde jedoch das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt. Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer unter Punkt 1. zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf, daß der Beschwerdeführer sich damit verantwortet habe, die Schallzeichen zur Warnung des ausscherenden Lkw‘s abgegeben zu haben. Der Beschwerdeführer habe aber diesbezüglich - ebenso wie hinsichtlich der ihm unter den Punkten 2. und 3. angelasteten Verwaltungsübertretungen - mit seinem Vorbringen nicht durchdringen können. Für alle diese angezeigten Tatbestände seien nämlich dem Aufforderer durchaus günstige Bedingungen zur Beobachtung zur Verfügung gestanden, sei er doch in einer Entfernung von ca. 10 m hinter dem Beschwerdeführer hergefahren und könne einem geschulten Sicherheitswachebeamten die Beurteilung der Frage, ob eine gefährliche Situation den Gebrauch der „Hupe“ erfordere oder nicht, sehr wohl zugebilligt werden. In sämtlichen seiner Aussagen habe der Aufforderer eindeutig angegeben, daß der Beschwerdeführer mutwillig, offenbar um sich freie Bahn zum Überholen zu verschaffen, die Schallzeichen abgegeben habe, ohne daß dies die Verkehrssituation erfordert hätte. Anschließend legte die belangte Behörde dar, warum sie den Angaben des Aufforderers in der Anzeige und anläßlich seiner zeugenschaftlichen Vernehmungen mehr Glauben als der Rechtfertigung des Beschwerdeführers schenke.

Gegen Punkt 1. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem Punkt 1. des Straferkenntnisses vom 3. Mai 1982, welcher von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid unverändert übernommen wurde, wurde dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht, „Schallzeichen abgegeben“ zu haben, „obwohl dies die Verkehrssicherheit nicht erfordert hätte“, wobei dieses Verhalten im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 dem „§ 1 Abs. 1“ der Verordnung des Wiener Magistrates vom 22. September 1966 unterstellt wurde. Diese Verordnung wurde unter anderem auf Grund des § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 erlassen, wonach zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere von Lärm- oder Geruchsbelästigungen, die Behörde, wenn es zum Schutz der Bevölkerung oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung zu bestimmen hat, daß in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßen Vorrichtungen zur Abgabe von Schallzeichen nicht betätigt werden dürfen, es sei denn, daß ein solches Zeichen das einzige Mittel ist, um Gefahren von Personen abzuwenden (Hupverbot). § 1 dieser Verordnung, welche in der „Stadt Wien“, offizielles Organ der Bundeshauptstadt, vom 28. September 1966, Jahrgang 71, Nr. 77, Seite 11, verlautbart wurde, kennt nur einen einzigen Absatz und lautet dahingehend, daß die Betätigung der Vorrichtungen zur Abgabe von Schallzeichen unter anderem auch im Ortsgebiet Wien, in dem im Beschwerdefall zweifellos der Tatort liegt, verboten ist und dieses Verbot nicht gilt, wenn ein solches Zeichen das einzige Mittel ist, um Gefahren von Personen abzuwenden. Die im § 43 bezeichneten Verordnungen sind gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz StVO 1960, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen. Zufolge § 44 Abs. 4 leg. cit. werden Verordnungen, die sich durch ein Vorschriftszeichen ausdrücken lassen und für ein ganzes Ortsgebiet oder für Straßen mit bestimmten Merkmalen innerhalb eines Ortsgebietes gelten, mit den entsprechenden Vorschriftszeichen und der etwa erforderlichen Zusatztafel in unmittelbarer Verbindung mit dem Hinweiszeichen „Ortstafel“ gehörig kundgemacht. Nach dem letzten Absatz dieser Gesetzesstelle sind solche Verordnungen im Ortsgebiet überdies ortsüblich zu verlautbaren. Die Form des Verkehrszeichens „Hupverbot“ wird durch § 52 Z. 14 leg. cit. bestimmt. Demnach zeigt dieses Zeichen an, daß die Betätigung der Vorrichtungen zur Abgabe von Schallzeichen verboten ist, wenn zur Abwendung einer Gefahr von einer Person ein anderes Mittel ausreicht. Die Zusatztafel mit der Angabe bestimmter Stunden zeigt die Geltungsdauer des Verbotes an. Das Ende dieses Verbotes ist durch das gleiche Zeichen mit der Zusatztafel „Ende“ kenntlich zu machen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 20. April 1983, Zl. 81/03/0188, und vom 13. Mai 1983, Zl. 81/02/0165 (auf welche unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird), dargelegt hat, stellt in einem solchen Falle § 52 Z. 14 StVO 1960 und nicht eine auf Grund des § 43 Abs. 2 StVO 1960 erlassene Verordnung - wenn auch deren zusätzliche Zitierung nicht schadet - die Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950, die jedenfalls im Spruch des Strafbescheides angeführt werden muß, dar.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes darin, daß der gegenständliche Punkt 1. des Schuldspruches des angefochtenen Bescheides entgegen der Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 die als erwiesen angenommene Tat nicht beinhalte. Es würden im Spruch die im § 1 der genannten Verordnung umschriebenen Tatbestandsmerkmale, nämlich daß die Betätigung der Vorrichtung zur Abgabe von Schallzeichen nur dann zulässig sei, wenn ein solches Zeichen das einzige Mittel darstelle, Gefahr von Personen abzuwenden, nicht angeführt. Vielmehr werde davon gesprochen, daß der Beschwerdeführer Schallzeichen abgegeben habe, obwohl dies die Verkehrssicherheit nicht erfordert hätte. Diese Formulierung, wie sie auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides in weiterer Folge sinngemäß verwendet werde, knüpfe offenbar an den Tatbestand des § 22 Abs. 2 StVO 1960 an, nicht jedoch an den Tatbestand der zitierten Verordnung. Zusammenfassend sei daher festgestellt, „daß weder Spruch noch Begründung des Bescheides die Tat mit allein ihren rechtserheblichen Merkmalen anführen und konkretisieren bzw. die tatsächlich genannten Tatbestandsmerkmale nicht der zitierten gesetzlichen Norm entsprechen“. Die belangte Behörde trat in ihrer Gegenschrift dieser Rechtsanschauung entgegen und vertritt den Standpunkt, daß die Anführung des Tatbestandsmerkmales „obwohl dies für die Verkehrssicherheit nicht erforderlich war“ auch das in der Verordnung enthaltene Tatbestandsmerkmal „obwohl dies nicht das einzige Mittel zur Abwendung einer Gefahr von Personen war“ umfasse, stelle doch die Abwendung einer Gefahr von Personen den wichtigsten Aspekt der Verkehrssicherheit dar. Wenn daher dem Beschwerdeführer angelastet worden sei, Schallzeichen abgegeben zu haben, obwohl dies nicht der Verkehrssicherheit gedient habe, so sei ihm damit auch - wenn auch zugegebenermaßen nicht direkt - der Vorwurf gemacht worden, Schallzeichen abgegeben zu haben, obwohl dies nicht der Abwendung einer Gefahr von Personen gedient habe. Es sei daher dem Erfordernis einer alle wesentliche Tatbestandsmerkmale umfassenden Tatumschreibung Rechnung getragen worden, zumal sich eine solche Tatumschreibung nicht streng an die „verba legalia“ halten müsse, sondern deren Inhalt klar verständlich zum Ausdruck zu bringen habe und nur nicht strengere Maßstäbe angelegt werden dürften, als sie der herangezogenen Übertretungsnorm innewohnten.

Die belangte Behörde übersieht hiebei, daß bei der vorschriftswidrigen Abgabe von Schallzeichen ein Verstoß gegen zwei völlig voneinander verschiedene straßenpolizeiliche Vorschriften in Betracht kommt. Die belangte Behörde ist offenbar (auf Grund der erfolgten Subsumtion nach § 44 a lit. b VStG 1960) davon ausgegangen, daß ein im Sinne der §§ 43 Abs. 2 und 52 Z. 14 StVO 1960 verordnetes und kundgemachtes Hupverbot besteht, das der Beschwerdeführer mißachtet hat, hat dies aber bei Angabe der als erwiesen angenommenen Tat nach § 44 a lit. a VStG 1950 überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr ‑ wie der Beschwerdeführer mit Recht betont - eine Diktion gewählt bzw. eine solche durch Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses übernommen, die auf eine Übertretung des § 22 Abs. 2 StVO 1960 schließen läßt. Nach dieser Bestimmung ist die Abgabe von Schallzeichen unbeschadet der Bestimmungen über das Hupverbot (§ 43 Abs. 2) verboten, wenn es die Sicherheit des Verkehrs nicht erfordert. Die Abgabe von Schallzeichen ist also nicht nur dann verboten, wenn ein entsprechendes Hupverbot angeordnet wurde und „zur Abwendung einer Gefahr von einer Person ein anderes Mittel ausreicht“, sondern auch dann, wenn ein derartiges Verbot nicht besteht, jedoch „es die Sicherheit des Verkehrs nicht erfordert“. Diesen letztgenannten Fall hat die Bestimmung des § 22 Abs. 2 StVO 1960 im Auge, während sonst - wie oben ausgeführt, im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Bestimmung des § 52 Z. 14 leg. cit. (allenfalls in Verbindung mit der zugrundeliegenden Verordnung) Anwendung zu finden hat.

Da dies die belangte Behörde nicht erkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der zu Punkt 1. angeführten Verwaltungsübertretung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 in diesem Umfang aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 21. Oktober 1983

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