VwGH 82/15/0082

VwGH82/15/00823.11.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der S Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Mai 1982, Zl. GA 11-2768/1/80, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §33 TP19;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982150082.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit er die Festsetzung einer Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 2 Gebührengesetz 1957 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Schon mit Kreditvertrag vom 19. bzw. 24. Mai 1972 hatte die beschwerdeführende Partei (Beschwerdeführerin) der Firma G GesmbH in Herzogenburg einen wiederholt ausnutzbaren, d.h. einen sogenannten "revolvierenden" Kredit zur Stärkung der Betriebsmittel in Höhe von S 40,000.000,-- "bis auf weiteres" zur Verfügung gestellt. In späteren, auf die gleiche Weise zustandegekommenen Verträgen derselben Partner wurden zusätzliche, befristete Erhöhungen des Kreditrahmens vereinbart und mehrfach der jeweils aktuelle Kreditrahmen "der besseren Übersicht halber" zusammenfassend dargestellt; so wurde etwa mit Vertrag vom

19. bzw. 26. Juli 1976 festgehalten, daß neben dem nach wie vor "bis auf weiteres" zur Verfügung stehenden vorgenannten Kreditbetrag von S 40,000.000,-- der Betrag von S 30,000.000,-- bis 31. Dezember 1976 und ein weiterer Betrag von S 45,000.000,-- bis 30. Juni 1977 der Firma G GesmbH zur Verfügung steht.

Mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 20. Juni 1977 wurde der eben genannten Gesellschaft folgendes Anbot gemacht:

"Unter höflicher Bezugnahme auf das zwischen Ihrem sehr geehrten Herr Dr. B und unserem Herrn Dkfm. V geführtes Telefongespräch vom 14. Juni 1977 teilen wir Ihnen mit, daß wir den Ihnen über o.a. Konto ursprünglich bis auf weiteres eingeräumten Betriebsmittelkreditteil in Höhe von S 40,000.000,-- nunmehr mit 30. Juni 1982

befristen.

Der ebenfalls auf obigem Konto bis 30. Juni 1977 zur Verfügung stehende Kreditteil von S 45,000.000,-- wird bis 30. Juni 1982 prolongiert. Bis zu diesem Datum steht Ihnen auf obigem Konto somit ein revolvierend ausnützbarer Rahmen von S 85,000.000,-- zur Verfügung. Alle hinsichtlich dieses Kreditverhältnisses bisher vereinbarten Bedingungen bleiben unverändert aufrecht.

Nachdem sie den gegenständlichen Kreditvertrag selbst beim Finanzamt zur Anzeige bringen wollen, bitten wir Sie, uns bis spätestens 30. d.M. eine Kopie dieser Anzeige zur Verfügung zu stellen.

Zum Zeichen Ihrer einverständlichen Kenntnisnahme ersuchen wir Sie, beiliegenden Gegenbrief firmenmäßig gefertigt an uns zu retournieren. Die Prolongation gilt mit Einlangen dieses Gegenbriefes bei uns als zustandegekommen."

Die genannte Gesellschaft erklärte mit Schreiben vom 29. Juni 1977, das eben im Wortlaut wiedergegebene Schreiben erhalten zu haben und mit dessen Inhalt rechtsverbindlich einverstanden zu sein.

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom 21. März 1978 wurde der Beschwerdeführerin hierauf unter Bezugnahme auf die mit Vertrag vom 20. bzw. 29. Juni 1977 erfolgte Kreditverlängerung (in der Folge kurz: Vertrag) die Kreditvertragsgebühr nach § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der Gebührengesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 668 (GebG), in Höhe von S 1,275.000,-- (das sind 1,5 v.H. der Bemessungsgrundlage von S 85,000.000,--) vorgeschrieben.

Im Berufungsverfahren wandte die Beschwerdeführerin dagegen ein, die Gebührenvorschreibung könne keineswegs allein auf die eben genannte Rechtsvorschrift gestützt werden. Bei einer allenfalls auf § 33 TP 19 Abs. 1 GebG in Verbindung mit Art. II der vorgenannten Gebührengesetz-Novelle zu stützenden Gebührenfestsetzung dürfe auf die Bemessungsgrundlage nur der Satz von 0,8 v.H., keinesfalls aber der von 1,5 v.H. angewendet werden.

Trotz Herabsetzung der Rechtsgebühr durch das Finanzamt auf S 680.000,-- (0,8 v.H. von S 85,000.000,--) mit Berufungsvorentscheidung vom 10. April 1979 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung vom 11. Mai 1982 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und setzte die Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 GebG wie folgt fest:

 

Z. 1:

S 45,000.000,--

0,8 %

S 360.000,--

Z. 2:

S 40,000.000,--

1,5 %

S 600.000,--

 

 

 

S 960.000,--

    

 

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß Art. II Abs. 2 der Gebührengesetz-Novelle 1976 nicht als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogen worden sei. Die Höhe der sich aus dem am 29. Juni 1977 beurkundeten Kreditvertrag ergebenden Rechtsgebühr sei von der Laufzeit der Prolongation abhängig. Der Kreditteil von S 45,000.000,--, der bis 30. Juni 1977 eingeräumt gewesen sei, sei mit dem gegenständlichen Vertrag bis 30. Juni 1982 verlängert worden und unterliege damit der Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 1 GebG mit einem Satz von 0,8 v.H. Der ursprünglich bis auf weiteres eingeräumte Kreditteil von S 40,000.000,-- sei vom 29. Juni 1977 bis 30. Juni 1982 prolongiert worden und unterliege, da die Prolongation eine Laufzeit von fünf Jahren übersteige (bürgerliche Berechnung der Frist gemäß § 902 Abs. 2 ABGB), der Gebühr gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 2 GebG mit dem Satz von 1,5 v.H.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 GebG (in der vorbezeichneten, mangels Vorliegens eines Anlaßfalles im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag in inländischer Währung eingeräumt wird, wenn der Kreditnehmer über die Kreditsumme nur einmal oder während einer bis zu fünf Jahren vereinbarten Dauer des Kreditvertrages mehrmals verfügen kann, einer Gebühr von 0,8 v.H., im übrigen aber einer Gebühr von 1,5 v.H. von der vereinbarten Kreditsumme. Gemäß Abs. 4 Z. 1 dieser Rechtsvorschrift in der hier anzuwendenden Fassung sind Prolongationen von Kreditverträgen, für die nach diesem Bundesgesetz eine Gebühr zu entrichten war, bis zu einer Dauer des Kreditverhältnisses von fünf Jahren gebührenfrei; bei wiederholten Prolongationen von Kreditverträgen sind jene gebührenfrei, mit denen nicht erstmals ein Vielfaches von fünf Jahren überschritten wird.

Im vorliegenden Fall bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid nur insoweit, als dieser die den Kreditteil von S 40,000.000,-- betreffende Gebührenfestsetzung zum Gegenstand hat. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf die diesen Kreditteil betreffende gebührenrechtliche Behandlung.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertritt die belangte Behörde die in diesem Punkt nicht näher begründete Rechtsansicht, daß der Vertrag als Prolongation anzusehen sei, weil der vor dem "bis auf weiteres" eingeräumte Kredit dem Kreditnehmer nunmehr für eine verlängerte Laufzeit bis zum 30. Juni 1982 zur Verfügung stehe. Da sich die grundsätzliche Gebührenpflicht von Prolongationen im Umkehrschluß aus § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG ergibt (vgl. Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, zu § 33 TP 19 B I 4a), begründete die belangte Behörde in weiterer Folge nur mehr, weswegen anstelle des Satzes von 0,8 v.H. der Satz von 1,5 v.H. anzuwenden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich jedoch der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht, daß bezüglich dieses Kreditteiles der Vertrag als Prolongation der Laufzeit des Kreditverhältnisses anzusehen sei, nicht anzuschließen. Unter einer Prolongation in dem in Rede stehenden Sinn kann nämlich nur die einvernehmliche Verlängerung eines auf bestimmte Zeit begrenzten Vertragsverhältnisses verstanden werden (vgl. Frotz-Hügel-Popp, a.a.O., B I 3d, S. 11). Ein auf unbestimmte Laufzeit abgeschlossenes Kreditverhältnis kann demgegenüber nicht in seiner Laufzeit verlängert, sondern nur näher präzisiert werden. Wenn daher - wie im vorliegenden Fall - ein vordem gegebenes Kreditverhältnis mit unbestimmter Laufzeit in ein Kreditverhältnis mit bestimmter Laufzeit umgewandelt wird, so kann, ungeachtet des Umstandes, daß auch diese Änderung ein zeitliches Element des Vertrages berührt, nicht von einer Prolongation gesprochen werden. Daß in dem Vertrag auch keine rechtsbezeugende Urkunde über das Basisgeschäft zu erblicken ist, geht schon aus dem Vertragszweck hervor, das bisher unbefristete Kreditverhältnis in ein befristetes umzuwandeln, nicht aber einen (schon mehrfach vorhandenen) Beweis für das Basiskreditgeschäft zu schaffen.

Infolge der aufgezeigten unrichtigen rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 in dem im Spruch genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 203/1982 abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für den von der beschwerdeführenden Partei unaufgefordert vorgelegten Schriftsatz vom 28. Juli 1983 kein Ersatz der Stempelgebühren zusteht. Wien, am 3. November 1983

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