VwGH 82/15/0019

VwGH82/15/001916.6.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde der 1) A-Gesellschaft m.b.H. und 2) B-Gesellschaft m.b.H., beide in W, beide vertreten durch Dr. Friedrich Wilhelm, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenbastei 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. Dezember 1981, Zl. GA 11-836/1/81, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §33 TP5 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut der beim zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern angezeigten Mietvertragsurkunde hatten die protokollierte Fa. Dipl.Ing. M-Gesellschaft m.b.H. in W, als Vermieterin und die beiden beschwerdeführenden Parteien als Mieter am 27. Jänner 1976 einen Vertrag über die Miete von Büro- und Lagerräumlichkeiten abgeschlossen. Der Zeitpunkt des Beginnes des Mietverhältnisses sowie die Vertragsdauer wurden in Punkt IV. der Vertragsurkunde wie folgt festgelegt:

"(1) .......

(2) Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Die Mieterinnen verzichten auf die Aufkündigung des Vertragsverhältnisses für die ersten fünfzehn Jahre ab dem im Absatz (1) festgelegten Beginn des Mietverhältnisses.

(3) Trotz des vorgenannten Kündigungsverzichtes können die Mieterinnen diesen Mietvertrag ohne Einhaltung einer Frist zu jedem beliebigen Termin vorzeitig aufkündigen

a) wenn sie einen geeigneten Nachmieter - gegen den von der Vermieterin keine sachlich begründeten Einwände erhoben werden - namhaft machen, der in das Mietverhältnis zu gleichen Bedingungen eintritt oder

b) wenn ihnen die weitere Einhaltung dieses Vertrages infolge höherer Gewalt (sei es durch Krieg, Terrorismus, Elementarereignisse größten Ausmaßes etc.) unmöglich sein sollte.

(4) Im übrigen kann die Kündigung unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist zum Ende jeden Kalenderhalbjahres erfolgen."

Ausgehend davon, daß es sich bei dem vereinbarten Bestandverhältnis um ein solches von unbestimmter Dauer handle, setzte das Finanzamt die 1%ige Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 5 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 668/1976 (in dar Folge kurz GebG) auf der Grundlage des dreifachen Jahresentgeltes mit S 29.941,-- zuzüglich einer Bogengebühr von S 75,-- fest.

Im Zuge einer vom Finanzamt für Körperschaften im September 1980 bei den beschwerdeführenden Parteien durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung kam ein an sie gerichtetes Schreiben der Vermieterin vom 3. Februar 1976 mit folgendem Wortlaut hervor:

"Zu den heute an uns telefonisch herangetragenen Überlegungen bestätigen wir Ihnen, daß wir Sie gerne durch längere Zeit hindurch als unsere Mieter sehen wollen und daher durchaus nicht die Absicht haben, das vor etwa einer Woche abgeschlossene Mietverhältnis unsererseits innerhalb der im Vertrag erwähnten 15 Jahre aufzulösen. Wäre das Gegenteil der Fall, so hätten wir Sie nicht gebeten, auf die Aufkündigung durch diesen Zeitraum hindurch zu verzichten. Natürlich müssen wir uns unsererseits aus grundsätzlichen Überlegungen eine Kündigung des Mietverhältnisses allenfalls doch vorbehalten, wenn ein ganz besonders begründeter Anlaß hiezu vorliegen sollte. Dies wäre der Eintritt eines Ereignisses, das einem der im Mietengesetz angeführten wichtigsten Kündigungsgründe entspricht. Es kann sich also nur um Umstände handeln, die Sie zu vertreten haben.

Wir bitten diesbezüglich um Verständnis.

Für diesen Fall (hiezu zählt im wesentlichen etwa die Nichtzahlung des Mietzinses, ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietobjektes oder ein untragbares Verhalten Ihrer Mitarbeiter) sagen wir Ihnen zu, Sie auf den betreffenen Umstand zunächst schriftlich aufmerksam zu machen, und Ihnen eine Frist von mindestens einem Monat zur Beseitigung dieses Übelstandes einzuräumen.

Wir hoffen Sie damit überzeugt zu haben, daß trotz dieses unumgänglichen Vorbehaltes eine neuerliche Verlegung Ihres Firmensitzes auf absehbare Zeit nicht erforderlich sein wird und wünschen Ihnen eine angenehme und erfolgreiche Geschäftstätigkeit."

Dieses eben inhaltlich wiedergegebene Schreiben sowie die Mietvertragsurkunde vom 27. Jänner 1976 wurde vom Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Parteien mit folgenden Begleitschreiben vom 6. Februar 1976 an die beschwerdeführenden Parteien übermittelt:

"Beiliegend erlaube ich mir, Ihnen die beiden mir zugekommenen Mietverträge zu übersenden. Die nun gültige Fassung des Vertrages wird ergänzt mit Ausstattungsbeschreibung einerseits für das Lager, andererseits für die Büroräumlichkeiten, sowie mit dem von mir verlangten Brief, wonach die Firma M auf ein Kündigungsrecht für die gleiche Vertragsdauer verzichtet.

Ich bitte, diesen letzteren Brief mit Datum 3. Februar 1976 aus steuerlichen Gründen getrennt von den Mietverträgen aufzubewahren, da dieser Brief eine wesentliche Gebührenveränderung der für den Mietvertrag zur Vorschreibung gelangenden Gebühr verursachen würde.

Laut dem bestehenden Mietvertrag wird nämlich die Gebühr von dem 3-fachen Jahresmietzins berechnet, da nur von einer Seite auf ein Kündigungsrecht verzichtet wird. Verzichten aber beide auf ein Kündigungsrecht, dann gilt der Vertrag so, als ob er auf 15 Jahre abgeschlossen wäre und würde dann die Gebühr vom gesamten voraussehbaren Zins für 15 Jahre berechnet werden.

......."

Mit Bescheid vom 4. November 1980 setzte daraufhin das Finanzamt die Rechtsgebühr vom Nachtrag - ausgehend vom 15-fachen Jahresentgelt in der Höhe von S 14,970.495,-- als Bemessungsgrundlage - mit S 149.705,-- sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 GebG im gleichen Ausmaß fest.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, das Schreiben der Vermieterin vom 3. Februar 1976 sei nur eine für ihre ausländischen Muttergesellschaften bestimmte Erläuterung des Mietvertrages vom 27. Jänner 1976 gewesen. In diesem Schreiben habe die Vermieterin ihre Absicht erklärt, "das Mietverhältnis nicht innerhalb der 15 Jahre aufzulösen, sondern das Mietverhältnis tatsächlich auf unbestimmte Dauer einhalten zu wollen". Gerade der im Vertrag aufgenommene Kündigungsverzicht der Mieterinnen spreche doch dafür, das Mietverhältnis im Interesse der Vermieterin auf einen unbestimmten Zeitraum, jedenfalls länger als 15 Jahre, laufen zu lassen. Bei dem Schreiben vom 3. Februar 1976 handle es sich also lediglich um die Absichtserklärung der Vermieterin, aufgrund der gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, möglicherweise auch über 15 Jahre hinaus, fortzuführen. Die Vermieterin sei in dem im Mietvertrag festgehaltenen Kündigungsrecht nicht beschränkt worden. Der am 27. Jänner 1976 abgeschlossene Mietvertrag habe durch das Schreiben vom 3. Februar 1976 in seinem Inhalt keinerlei Veränderung erfahren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 1981 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig der erstinstanzliche Abgabenbescheid durch einen Hinweis auf die Gesamtschuldnerschaft der beschwerdeführenden Parteien ergänzt. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß für die beschwerdeführenden Parteien schon auf Grund des Vertrages vom 27. Jänner 1976 mangels des sich daraus ergebenden Rechtes zur jederzeitigen Auflösung des Vertrages eine grundsätzliche Bindung von 15 Jahren bestanden habe. Mit Nachtrag vom 3. Februar 1976 habe auch die Vermieterin für die Zeit von 15 Jahren ihr Kündigungsrecht auf jene wichtigen Kündigungsgründe im Sinne des Mietengesetzes eingeschränkt, die auf Umständen beruhen, die die beschwerdeführenden Parteien zu vertreten haben. Damit könne auch seitens der Vermieterin das Bestandverhältnis während der 15 Jahre nicht beliebig aufgelöst werden. Bei Ermittlung der Rechtsgebühr vom Nachtrag sei daher von einer mit 15 Jahren bestimmten Vertragsdauer des Bestandverhältnisses auszugehen. Im Hinblick auf die bewußte Unterlassung einer Gebührenanzeige erscheine auch die Festsetzung der Gebührenerhöhung in Höhe der einfachen Gebühr als angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Zur Begründung ihrer Beschwerde verweisen die beschwerdeführenden Parteien zunächst darauf, daß es sich im Beschwerdefall um mietengeschützte Räumlichkeiten handle, für welche die Kündigungsgründe des Mietengesetzes maßgeblich seien. Durch das Schreiben vom 3. Februar 1976 seien der Vermieterin alle Kündigungsmöglichkeiten zur jederzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses vorbehalten geblieben. Bei ausdrücklicher Hervorhebung nahezu aller nach dem Gesetz möglichen Kündigungsgründe dürfe nicht auf die Absicht der Vertragsparteien geschlossen werden, das Bestandverhältnis auch seitens der Vermieterin durch 15 Jahre als unkündbar zu gestalten. Das vorhin inhaltlich wiedergegebene Begleitschreiben des Beschwerdevertreters vom 6. Februar 1976 gebe als ein für die Muttergesellschaften der beschwerdeführenden Parteien gedachtes Schreiben für den mit dem Nachtragsschreiben vom 3. Februar 1976 verfolgten Vertragswillen keinen Aufschluß.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG unterliegen Bestandverträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Gebühr von 1 v.H. des Wertes. Nach Abs. 3 derselben Tarifpost ist bei unbestimmter Dauer des Bestandvertrages als Wert das dreifache Jahresentgelt anzunehmen. Ist die Dauer des Bestandvertrages bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

Im vorliegenden Fall steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich in Streit, ob die von der belangten Behörde als "Mietvertragsnachtrag vom 3. Februar 1976" bezeichnete Vereinbarung die mit Bestandvertrag vom 27. Jänner 1976 begründete Stellung der Vermieterin so geändert hat, daß nicht allein von einem Bestandverhältnis unbestimmter Dauer, sondern von einem vorangehenden Bestandverhältnis auf die bestimmte Dauer von 15 Jahren gesprochen werden muß. Der Beschwerdevorwurf inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wäre nur berechtigt, wenn es zuträfe, daß die Vermieterin trotz des Nachtrages vom 3. Februar 1976 nicht durch 15 Jahre an das Bestandverhältnis gebunden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag gebührenrechtlich als solcher auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist (vgl. z.B. das 22. Dezember 1976, Zl. 2163/74, Slg. Nr. 5066/F) . Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist nach dem eben zitierten Erkenntnis eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muß. Während die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 19 Abs. 2 Mietengesetz keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darstellt, vermögen ausnahmsweise bestehende Kündigungsmöglichkeiten die grundsätzliche Bindung einer Vertragspartei an ein nach dem Vertragsinhalt auf bestimmte Dauer abgeschlossenes Bestandverhältnis nicht aufzuheben.

Im vorliegenden Fall hat die Vermieterin mit Schreiben vom 3. Februar 1976 ihr Kündigungsrecht für die Dauer von 15 Jahren auf jene wichtigen Kündigungsgründe im Sinne des Mietengesetzes eingeschränkt, die auf Umständen beruhen, die die beschwerdeführenden Parteien als Mieter zu vertreten haben (wie z. B. Nichtzahlung des Mietzinses, ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietobjektes oder ein untragbares Verhalten). Die Vermieterin ist aber nach dem Wortlaut dieses Mietvertragsnachtrages nicht berechtigt, innerhalb der bestimmten Dauer von 15 Jahren wegen "aller Kündigungsgründe des § 19 Mietengesetz" eine Kündigung vorzunehmen. Die Verhältnisse des Beschwerdefalles entsprechen im wesentlichen jenen, wie sie dem schon zitierten hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1976 zugrundelagen. Dort war nämlich auf Vermieterseite in den ersten 10 Jahren des Mietverhältnisses eine Kündigung nur aus den Gründen des § 1118 ABGB (qualifizierter Mietzinsrückstand, erheblich nachteiliger Gebrauch durch den Mieter, Neuaufführung des vermieteten Gebäudes) zulässig. Die im gegenständlichen Beschwerdefall der Vermieterin auf Grund des Mietvertragsnachtrages vom 3. Februar 1976 verbliebenen Kündigungsmöglichkeiten sind ebenfalls ihrem Gewicht und ihrer Wahrscheinlichkeit nach nicht umfassender Natur.

Auf Grund des Gesagten hat die belangte Behörde den besagten Mietvertragsnachtrag zutreffend dahin verstanden, daß hiedurch auch die Vermieterin durch weitgehende Einschränkung ihrer Kündigungsmöglichkeiten eine Bindung auf die bestimmte Dauer von 15 Jahren eingegangen ist. Das Begleitschreiben des Beschwerdevertreters ist bei dem Wortlaut des Mietvertragsnachtrages gar nicht mehr entscheidend, sodaß auch die in diesem Zusammenhang von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Aktenwidrigkeit der Sachverhaltsannahme nicht zu einem anderen Ergebnis führen kann.

Zusammenfassend haftet sohin dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 16. Juni 1983

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