European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982040231.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 25. März 1981 wurde der Mitbeteiligten AT unter Bezugnahme auf die §§ 74, 77 und 359 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Gastgewerbebetriebes "Cafe-Restaurant" im Standort Graz, H-Gasse 8-10, nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen unter den im Bescheid näher angeführten Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 die Betriebsbewilligung vorbehalten werde, um die anzusuchen sei; der Probebetrieb sei zulässig, könne jedoch mit einfacher Anordnung untersagt werden, wenn Gefahren oder unzumutbare Belästigungen der Nachbarschaft dies erforderlich machten.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Dezember 1981 wurden u.a. die Berufungen der nunmehrigen Beschwerdeführer gegen den vorangeführten Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 25. März 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Dem gegen diesen Bescheid u.a. seitens der Beschwerdeführer erhobenen Berufungen wurde mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 9. August 1982 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zurückweisung der Berufungen der Beschwerdeführer sei mangels deren Parteistellung zu Recht erfolgt, da eine Parteistellung über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nur durch Erhebung von bestimmten Einwendungen spätestens bei der Augenscheinsverhandlung begründet werden könne. Durch die nachträglich erfolgte Zustellung des Genehmigungsbescheides sei der vorliegende Verfahrensmangel (nicht erfolgte Ladung der Beschwerdeführer zur erstinstanzlichen Verhandlung) nicht saniert worden, da die nachträgliche Bescheidzustellung allein keine Parteistellung zu begründen in der Lage sei. Dies bedeute aber, daß der angeführte Verfahrensmangel nur durch die Durchführung einer neuerlichen Augenscheinsverhandlung mit den "übergangenen Nachbarn" in erster Instanz, bei der die versäumte Gelegenheit geboten werde, Einwendungen zu erheben, saniert werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Entscheidung über ihre Berufung gegen den in Rede stehenden Betriebsanlagegenehmigungsbescheid unter Abstandnahme von dem herangezogenen Zurückweisungsgrund als verletzt. Sie bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, der Erstbeschwerdeführer sei Hälfteeigentümer der Liegenschaft H-Gasse 10 in Graz, die übrigen Beschwerdeführer seien Bestandnehmer von Räumlichkeiten dieser Liegenschaft. Zu der dem Betriebsanlagegenehmigungsbescheid zugrundeliegenden Augenscheinsverhandlung seien sie nicht ordnungsgemäß geladen worden und es sei der angeführte Bescheid erst auf Grund eines entsprechenden Verlangens zugestellt worden. In der nach Bescheidzustellung innerhalb offener Frist erhobenen Berufung sei geltend gemacht worden, daß weder eine Ladung noch eine gehörige Kundmachung in Ansehung des am 5. März 1981 um 9.30 Uhr im Betriebsanlagegenehmigungsverfahren stattgefundenen Lokalaugenscheines erfolgt sei. In den Berufungen sei auch ausgeführt worden, daß ihnen Parteistellung zukomme. Weiters seien Einwendungen gegen die Genehmigung des Gewerbebetriebes erhoben worden, da dieser schon seit 19. September 1981 - also vor Rechtskraft des angeführten Bescheides - in Betrieb gewesen und unerträgliche Lärm- und Geruchsbelästigungen bewirkt habe. Im Hinblick darauf sei die Zurückweisung ihrer Berufungen gegen den Betriebsanlagegenehmigungsbescheid mangels Parteistellung rechtsirrtümlich erfolgt. Wenn es nämlich auch richtig sei, daß durch die nachträgliche Zustellung eines Bescheides der in Rede stehende Verfahrensmangel nicht saniert werden könne, so komme ihnen dessenungeachtet die Parteistellung als Nachbarn zu, da sie ja nur im Hinblick auf einen der Behörde unterlaufenen Mangel keine Einwendungen hätten erheben können. Der § 356 Abs. 3 GewO 1973 müsse nämlich so interpretiert werden, daß diese Bestimmung sich nur auf solche Nachbarn beziehe, die bei der Augenscheinsverhandlung anwesend gewesen seien oder die zumindest eine Ladung zur Augenscheinsverhandlung oder Verständigung durch Kundmachung erhalten und trotzdem keine Einwendungen erhoben hätten. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Durchführung einer neuerlichen Augenscheinsverhandlung mit den Beschwerdeführern ins Auge gefaßt habe, so würde durch diesen Umstand im Hinblick auf den bereits ergangenen - ohne Berücksichtigung ihrer Einwendungen in Rechtskraft erwachsenen - Genehmigungsbescheid eine Rechtsunsicherheit geschaffen. Es sei außerdem kaum anzunehmen, daß die Behörde erster Instanz von sich aus eine neuerliche Augenscheinsverhandlung oder überhaupt ein neues Verfahren durchführen werde, weshalb ihnen jede Möglichkeit zur Durchsetzung einer entsprechenden behördlichen Vorgangsweise fehlen würde. Wenn ihnen die Möglichkeit zur rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen geboten worden wäre, so hätten sie vorgebracht, daß der Lärmschutz infolge völlig unzureichender - zu dünn dimensionierter - Fenster ungeeignet sei und hiedurch unzumutbare Lärmimmissionen bei ihnen hervorgerufen würden. Weiters zögen aus der Küche Gerüche in einem unzumutbaren Ausmaß in den Innenhof des Gebäudes H-Gasse 10 ab, was eine unzumutbare Geruchsbelästigung zur Folge hätte.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:
Zufolge der Bestimmung des § 356 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335) auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen und den Nachbarn vom Gegenstand und von Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG 1950) und in unmittelbar benachbarten Häusern Kenntnis zu geben. Der Behörde bekanntgewordene Nachbarn sind persönlich zu laden. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen sind im Verfahren gemäß Abs. 1 nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Bei dem Problem der "übergangenen Partei" handelt es sich darum, daß einer Partei, die rechtliche Interessen bzw. einen Rechtsanspruch an einer Verwaltungssache hat, im Verfahren nicht die Stellung einer Partei eingeräumt wurde, wie dies nach dem Vorbringen der Beschwerde zufolge mangelnder ordnungsgemäßer Verständigung von der durchgeführten Augenscheinsverhandlung in dem auf Antrag der Mitbeteiligten eingeleiteten Betriebsanlagegenehmigungsverfahren auch in Ansehung der Beschwerdeführer zutraf. Ein derartiger Umstand rechtfertigt jedoch an sich noch nicht die Aufhebung des Bescheides über die Genehmigung einer Betriebsanlage, der gegenüber den am Verfahren beteiligt gewesenen Parteien in (formelle) Rechtskraft erwuchs, auf Grund der Berufung eines "übergangenen" Nachbarn, da im Sinne der behördlichen Annahme zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht im durchgeführten Verfahren auf die gesetzlich vorgesehene Weise eingeschrittenen Nachbarn keine Parteistellung in diesem zukommt (vgl. in diesem Sinn auch die Ausführungen zur Bestimmung des § 356 Abs. 1 und 3 GewO 1973 im hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1979, Zl. 2805/77).
Da jedoch ungeachtet dieser Erwägungen § 356 Abs. 1 GewO 1973 die Verständigung der Nachbarn von einer im Betriebsanlagegenehmigungsverfahren durchzuführenden Augenscheinsverhandlung in der dort näher bezeichneten Weise anordnet und das Erfordernis der Einhaltung sämtlicher Bedingungen der Rechtsordnung zu beachten ist, kommt einem im Betriebsanlagegenehmigungsverfahren ergangenen genehmigenden Bescheid nur dann materielle Rechtskraft mit den sich auch im einzelnen aus dem Gesetz ergebenden Wirkungen zu, wenn er auf Grund eines Verfahrens erging, in dem den Anordnungen der Bestimmung des § 356 Abs. 1 GewO 1973 in Ansehung sämtlicher Nachbarn entsprochen wurde. Wurden diese Bedingungen nicht eingehalten, so steht dem "übergangenen" Nachbarn das Recht auf Durchführung eines den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Betriebsanlagegenehmigungsverfahrens zu.
Erst der in dem weiteren Verfahren ergangene Bescheid bestimmt dann aber auch die Rechtswirkungen gegenüber den an ihm beteiligten Parteien. Ein derartiger Bescheid erfaßt allerdings im Falle eines meritorischen Abspruches in der durch den Genehmigungsantrag bestimmten Sache zufolge dieser Eigenschaft den allenfalls hievon betroffenen Abspruchsteil des vorangegangenen Bescheides und ist in diesem Fall auch gegenüber den im vorangegangenen Verfahren als Parteien beteiligt gewesenen Nachbarn zu erlassen.
Sofern aber ausgehend von diesen Überlegungen die Beschwerdeführer die Möglichkeit der Sicherung einer entsprechenden Rechtsdurchsetzung durch sie als nicht gegeben erachten, so sei darauf verwiesen, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom 27. Februar 1981, Zl. 81/04/0007, in Angelegenheit einer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Sache einer gewerblichen Betriebsanlage dargetan hat, dem Nachbarn das Recht, die Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950 geltend zu machen, grundsätzlich zwar erst als Berufungswerber - gegen den Bewilligungsbescheid - zukommt, was aber dann nicht zutrifft, wenn aus den jeweils anzuwendenden Vorschriften ein rechtliches Interesse des Nachbarn daran abzuleiten ist, daß über das Bewilligungsansuchen alsbald rechtskräftig entschieden werde. Einer der letztangeführten Umstände liegt aber in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch bei Vorhandensein eines "übergangenen" Nachbarn vor, da in diesem Fall bereits ein über das Genehmigungsansuchen stattgebend absprechender, wenn auch ihm gegenüber nicht erlassener Bescheid erging. In einem derartigen Fall läuft die gesetzlich normierte behördliche Entscheidungsfrist ab antragsgemäßer Geltendmachung der Nachbarstellung bei der jeweils in erster Instanz zur Entscheidung über das Betriebsanlagegenehmigungsansuchen zuständigen Behörde.
Damit erweist sich die Rechtsrüge der Beschwerdeführer schon im Hinblick darauf als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 zur Abweisung der Beschwerde führte. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 30. September 1983
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