VwGH 82/03/0043

VwGH82/03/004319.1.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Varga, über die Beschwerde des ML in E, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Jänner 1982, Zl. VerkR-16.537/2-1981-II/Gsch, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
KFG 1967 §102 Abs1;
VStG §21 Abs1;
VStG §21;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
KFG 1967 §102 Abs1;
VStG §21 Abs1;
VStG §21;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich erstattete am 18. Juni 1979 auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung die Anzeige, der Beschwerdeführer, ein Transportunternehmer, habe am 15. Mai 1979 um 11,05 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw-Zug auf der Linzer Autobahn A 25 von Wels in Richtung Linz im Gemeindegebiet von Pucking bei km 5,5 mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h - trotz Bestehens einer Geschwindigkeitsbeschränkung für Lkw-Züge auf Autobahnen von 70 km/h - gelenkt (gemessen durch Nachfahren durch längere Zeit in gleichem Abstand: 95 km/h, abzüglich 10 km/h Toleranzgrenze). Weiters habe der vorgeschriebene Fahrtschreiber nicht funktioniert und hätten des weiteren am Anhänger vorne die Begrenzungsleuchten und die Aufschriften über die Gewichtsangaben gefehlt. Der Beschwerdeführer habe angegeben, den Lkw-Zug in Neuhaus übernommen zu haben. Er habe eine dringende Fracht nach Enns bringen müssen. Der Fahrtschreiber werde demnächst repariert werden. Gefahren sei er nur mit einer Geschwindigkeit von 75 km/h. Einem Auszug aus dem Strafvormerk ist weiters zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer 1978 und 1979 wegen verschiedener Delikte nach der Straßenverkehrsordnung und dem Kraftfahrgesetz bestraft wurde.

Gegen die von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 58 Abs. 1 Z. 2 lit. e KDV, § 102 Abs. 1 KFG und § 102 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 16 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 KFG erlassenen Strafverfügung vom 16. August 1979 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch, in dem er, soweit es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, ausführte, er müsse zugeben, daß der Fahrtschreiber nicht funktioniert habe. Er habe den Lkw-Zug an der Grenze in Neuhaus mit dem defekten Fahrtschreiber übernommen. Die Aufschrift mit den Gewichtsangaben habe gefehlt, weil der Lkw-Zug einige Tage vor der besagten Fahrt neu gespritzt worden sei und er den Lack noch härter werden lassen wollte.

Bei einer weiteren Vernehmung gab der Beschwerdeführer an, ein monatliches Nettoeinkommen von ca. S 10.000,-- zu haben und für die Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig zu sein:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. März 1981 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zur genannten Zeit am genannten Ort den Lkw-Zug gelenkt, obwohl der Fahrtschreiber nicht funktioniert habe und am Anhänger vorne keine Begrenzungsleuchten angebracht gewesen seien und die Gewichtsaufschriften gefehlt hätten und dadurch Verwaltungsübertretungen 1.) nach § 102 Abs. 1 KFG und 2.) nach § 102 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 16 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 KFG wurden über ihn Geldstrafen von S 200,-- und S 400,-- (Ersatzarreststrafen in der Dauer von einem Tag bzw. zwei Tagen) verhängt. Zur Begründung wurde unter Hinweis auf die Angaben des Meldungslegers und die Verantwortung des Beschwerdeführers ausgeführt, daß damit der Tatbestand erwiesen sei. Der gegenständliche Anhänger sei laut Auskunft der Zulassungsstelle am 23. August 1976 erstmals zum Verkehr zugelassen worden und benötigten derartige Anhänger mit einer 1,6 m übersteigenden Breite auch die genannten Begrenzungsleuchten.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung gab der Beschwerdeführer zwar zu, den Lkw-Zug schon mit dem defekten Fahrtschreiber übernommen zu haben. Es könne ihm aber deshalb kein Vorwurf gemacht werden, weil er ohnehin Richtung Linz, wo sich die nächste Kienzle-Reparaturwerkstätte befinde, unterwegs gewesen sei. Des weiteren habe er beabsichtigt, die fehlende Aufschrift und die Begrenzungsleuchten nach Rückkehr von der gegenständlichen Fahrt in seinem Betrieb wieder anbringen zu lassen. Sein Verschulden sei also als gering anzusehen. Da er überdies sowohl vor der Tat als auch nachher verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei, wäre die Anwendung des § 21 VStG gerechtfertigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Jänner 1982 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) abgewiesen. Zur Begründung wurde nach gedrängter Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der Bestimmungen der §§ 102 Abs. 1, 16 Abs. 2 und 27 Abs. 2 KFG ausgeführt, bezüglich des Fehlens der Begrenzungsleuchten und der Gewichtsaufschriften am Anhänger liege kein Schuldausschließungsgrund im Sinne des § 6 VStG vor, da der Beschwerdeführer diese Situation auch selbst verursacht habe. Da der Fahrtschreiber des Lkws schon zum Zeitpunkt der Übernahme des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer nicht funktioniert und der Beschwerdeführer dies gewußt habe, hätte er es nicht in Betrieb nehmen dürfen. Deshalb habe er auch insoweit gegen § 102 Abs. 1 KFG verstoßen. Er verdiene nach seinen eigenen Angaben S 10.000,-- monatlich und sei für die Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig. Die verhängten Geldstrafen entsprächen dem Unrechtsgehalt der Taten und seien im Hinblick auf ihre general- und spezialpräventive Wirkung nicht überhöht. Mildernde oder erschwerende Umstände seien nicht vorhanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Anwendung des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 203/1982 erwogen:

Nach dem gesamten Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer bezüglich der ihm in Ansehung des Lkws zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 KFG (Fahrtschreiber) in dem Recht verletzt, deshalb nicht schuldig erkannt und bestraft zu werden. Hingegen bekämpft er bezüglich der ihm in Ansehung des Anhängers zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nur den Strafausspruch.

Gemäß § 102 Abs. 1 KFG in der anzuwendenden Fassung darf der

Kfz-Lenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich,

soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu

lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger

sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften

entsprechen; .... (erster Satz). .... Lenker von Lastkraftwagen

mit einem Eigengewicht von mehr als 3500 kg oder von Omnibussen

haben dafür zu sorgen, daß der Fahrtschreiber und der

Wegstreckenmesser auf Fahrten in Betrieb sind; .... (dritter Satz).

Aus dem Regelungszusammenhang des § 102 Abs. 1 erster und dritter Satz KFG ergibt sich eindeutig, daß der Lenker eines Lkws mit einem Eigengewicht von mehr als 3500 kg nicht nur dafür zu sorgen hat, daß der Fahrtschreiber auf Fahrten in Betrieb ist, sondern daß er das Lenken des Fahrzeuges überhaupt zu unterlassen hat, wenn das im Rahmen des Zumutbaren vorgenommene "Überzeugen", wozu auch die Überprüfung des Fahrtschreibers gehört, vor der Inbetriebnahme zu dem Ergebnis geführt hat, daß das Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Bestimmungen nicht entspricht. (Vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 9. April 1980, Zl. 1426/78, auf welches wie hinsichtlich der weiteren zitierten, nichtveröffentlichten Erkenntnisse unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird.) Der Meinung des Beschwerdeführeres, es komme lediglich darauf an, daß der Lenker für die Funktion des Fahrtschreibers Sorge trage, dies habe er aber getan, da er sich, als er betreten worden sei, auf der Fahrt zur Reparaturwerkstätte befunden habe, kann somit nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer sich selbst dann nach § 102 Abs. 1 KFG strafbar gemacht hätte, wenn er das Fahrzeug, ohne es auf bestehende Mängel zu überprüfen, in Betrieb genommen hätte, hat die belangte Behörde auf Grund der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid zutreffend die Feststellung getroffen, daß er das Fahrzeug in Kenntnis des Nichtfunktionierens des Fahrtschreibers übernommen habe. Es bestand somit für ihn die Verpflichtung, die Inbetriebnahme bis zur Behebung des Schadens zu unterlassen. Dies hat er jedoch nicht getan. Wenn er es dennoch lenkte, so verwirklichte er damit die Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 KFG. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe sich ohnehin bei der Betretung auf einer Fahrt in Richtung Linz befunden, wo sich die (angeblich) nächste Werkstätte zur Reparatur des Fahrtschreibers befinde.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie den Beschwerdeführer der genannten Verwaltungsübertretung in subjektiver und objektiver Richtung für schuldig erkannte.

Der Beschwerde kommt aber auch, soweit damit die Nichtanwendung des § 21 VStG bekämpft wird, keine Berechtigung zu.

§ 21 Abs. 1 VStG ermächtigt die Behörde zwar nicht zur Ermessensübung, d. h. es bleibt ihr, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 KFG erfüllt sind, nicht die Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von einer Strafe offen. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1980, Zl. 712/79.) Der Beschuldigte hat aber kein subjektives Recht darauf, daß über seinen Antrag auf Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG ausdrücklich abgesprochen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1979, Zl. 219/79), sodaß das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere geht. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang vor allem, daß die belangte Behörde das Vorhandensein mildernder und erschwerender Umstände verneint habe, obwohl er verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei, und zwar vor der Tat als auch nachher, und dies die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt hätte. Diese Behauptung findet jedoch in der Aktenlage keine Deckung, zumal dem in den Verwaltungsakten erliegenden Auszug aus dem Strafvormerk zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen aufweist. Aus den vom Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung beigeschafften Akten der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ergibt sich, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 9. Oktober 1980, Zl. VerkR-2887/78-0, wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO und § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG (Tatzeit 12. August 1978, rechtskräftig im Oktober 1978) und mit Straferkenntnis vom 7. Februar 1980, Zl. VerkR-808/79-Lo, wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO und § 102 Abs. 6 KFG (Tatzeit 21. Jänner 1979, rechtskräftig im Februar 1980) bestraft wurde. Die belangte Behörde hat daher mit Recht angenommen, daß kein Milderungsgrund und kein Erschwerungsgrund vorliege. Einer ausdrücklichen Anführung der Bestrafungen bedurfte es nicht, da diese ja dem Beschwerdeführer bekannt sein mußten. Da das Verschulden des Beschwerdeführers keineswegs als gering angesehen werden kann, waren ihm doch nach seinen eigenen Berufungsausführungen die Mängel am Lkw und am Anhänger bekannt und übernahm er dennoch das Lenken, wozu noch kommt, daß die Ausstattung des Anhängers zwei Mängel aufwies, so kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit unterlief, wenn sie über den Beschwerdeführer an der untersten Grenze des gesetzlichen Strafrahmens des § 134 KFG (Geldstrafe bis S 30.000,--) liegende Geldstrafen von S 200,-- und S 400,-- verhängte und nicht gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe absah.

Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bzw. die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 19. Jänner 1983

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