VwGH 81/15/0092

VwGH81/15/009226.5.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stubner, über die Beschwerde 1) des EB und 2) der EB Ges. m. b. H., beide in W, vertreten durch Dr. Hermannfried Eiselsberg, Rechtsanwalt in Wels, Maria-Theresia-Straße 19/9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Wels vom 17. Juli 1981, Zl. Jv 1870-33a/81, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §7
GJGebG 1962 TP4
GJGebG 1962 §13
GJGebG 1962 §40
JN §54 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1981150092.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien schlossen am 21. September 1979 vor dem Bezirksgericht Wels als Mieter eines Bestandobjektes mit dem Vermieter folgenden Vergleich:

„1.) Herr EB und die EB Ges. m. b. H. verpflichten sich zur ungeteilten Hand, die gemieteten Objekte im Hause H Gasse 2, 4600 Wels, und zwar die gesamten östlich an die Vorstadtpfarrkirche anschließenden Räumlichkeiten, einschließlich des Hofes, insbesonders des ehemaligen Theatersaales samt Nebenräumen vollständig bis spätestens 31. 1. 1980 zu räumen und der BOE geräumt zu übergeben.

2.) Sowohl Herr EB als auch die EB Ges. m. b. H. verzichten auf jedweden Räumungsaufschub, insbesondere nach Artikel 6 der Schutzverordnung.

3.) Die BOE verpflichtet sich zur Bestreitung der Kosten der Übersiedlung und Ersatzbeschaffung binnen 2 Wochen nach Unterfertigung dieses Vergleiches einen Kostenbeitrag von S 150.000,-- (in Worten: einhundertfünfzigtausend) auf Kto. Nr. 0100-xxx d.-Sparkasse in Wels zu bezahlen.

4.) Für den Fall, daß der Räumungstermin überzogen werden sollte, verpflichtet sich Herr EB und die EB Ges. m. b. H. zur ungeteilten Hand monatlich den Betrag von S 25.000,-- als Nutzungsentschädigung z. Hd. Herrn Dr. FG zu bezahlen.

5.) Die Räumungsfrist verlängert sich auf unbestimmte Zeit, wenn der Betrag von S 150.000,-- nicht wie vereinbart binnen 2 Wochen bezahlt wird.

6.) Sollte auf Grund eines Räumungsverzuges die BOE zur Exekutionsführung genötigt werden, so ist hiezu der Nachweis der Bezahlung des Betrages von S 150.000,-- nicht erforderlich.

7.) Das Vergleichsinteresse wird mit S 154.000,-- bemessen.“

In dieser Zivilrechtssache schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Wels mit Zahlungsauftrag vom 4. März 1981 den vergleichschließenden Parteien zur ungeteilten Hand an restlichen Vergleichsgebühren einen Betrag von S 30.000,‑‑ nach TP. 4 des einen Bestandteil des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962, BGBl. Nr. 289, in der maßgeblichen Fassung (GJGebGes), bildenden Tarifes, zuzüglich der Einhebungsgebühr von S 20,‑‑, zusammen S 30.020,--, zur Entrichtung vor. Diese Vorschreibung bezog sich ausschließlich auf Punkt 4.) des oben wiedergegebenen Vergleiches.

Die Beschwerdeführer begehrten die Berichtigung mit der Begründung, die im Punkt 4.) des Vergleiches vereinbarte monatliche Entschädigungsleistung von S 25.000,-- sei keineswegs „Wert des Streitgegenstandes“. Das ergebe sich eindeutig aus § 13 GJGebGes in Verbindung mit § 54 Abs. 2 JN. Es heiße dort nämlich ausdrücklich, daß „Schäden“, als Nebenforderung geltend gemacht, bei der Wertberechnung unberücksichtigt blieben. Hauptbegehren sei die Räumung, Nebenbegehren sei Schadenersatz für den Fall der Nichträumung gewesen. überdies sei es völlig unrichtig gewesen, eine Vereinbarung auf unbestimmte Dauer anzunehmen. Die monatlichen Zahlungen sollten nur bis zur tatsächlichen Räumung geschuldet werden. Bei ausdrücklichem Verzicht auf Räumungsaufschub seien sich die Streitteile einig und sei es auch objektiv feststellbar gewesen, daß eine Zahlungsverpflichtung auf mehr als sechs Monate niemals vereinbart werden sollte. Die ausdrückliche Erwähnung dieses Umstandes im Vergleich sei unterblieben, doch hätte es bei Vergleichen, welche Verträge darstellten, zur Erforschung des Parteienwillens kommen müssen. Die Streitteile hätten indirekt durch Bewertung des Vergleichsinteresses zum Ausdruck gebracht, daß sie die Zahlungsverpflichtung nicht als Hauptbegehren betrachten. Tatsächlich sei auch infolge pünktlicher Räumung und pünktlicher Zahlung die Zahlungsverpflichtung nie zum Tragen gekommen, sodaß diese Verpflichtung im Räumungsbegehren aufgegangen und mit dessen Streitwert berücksichtigt sei.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag nicht statt. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Wert des Streitgegenstandes der in Frage stehenden Klausel des gerichtlichen Vergleiches sei gemäß § 58 JN zu ermitteln gewesen. Was zunächst den Einwand der Beschwerdeführer betreffe, die unbestimmte Dauer und damit das Zehnfache der Jahresleistung seien deshalb nicht anzunehmen gewesen, weil eine Zahlungsverpflichtung von mehr als sechs Monaten niemals vereinbart werden sollte und daß es daher diesbezüglich zur Erforschung des Parteienwillens hätte kommen müssen, werde darauf hingewiesen, daß die Vergleichsgebühr ausschließlich an den auf seine Zulässigkeit nicht weiter überprüfbaren Vergleichsinhalt knüpfe; als Bemessungsgrundlage komme allein der Wert der Leistung in Betracht, zu der sich die Parteien im Vergleich verpflichtet haben (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1972, Zl. 556/71). Zu einer Erforschung des Parteienwillens bestehe die Notwendigkeit nur dann, wenn aus dem Wortlaut des Vergleiches der Wille und die Absicht der Parteien nicht deutlich und klar hervorgehen sollten. Davon könne aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Parteien hätten über den geplanten Räumungstermin hinaus die Leistung einer Nutzungsentschädigung vereinbaren wollen, ein Endtermin für die Leistung dieser Entschädigung sei nicht festgesetzt worden. Sie sei also auf unbestimmte Zeit vereinbart worden. Wenn es bei Vergleichsabschluß dem Willen der Parteien entsprochen hätte, diese Zahlungsverpflichtung auf keinen Fall länger als für sechs Monate zu vereinbaren, so hätte diese zeitliche Begrenzung ja unschwer in den Vergleichstext aufgenommen werden können. Daß dies nicht geschehen sei, spreche dafür, daß davon damals nicht gesprochen worden sei. Da somit schon aus dem Wortlaut der Vergleichsurkunde hervorgehe, daß die vereinbarte Zahlungsverpflichtung jedenfalls über den Räumungstermin hinaus zu gelten gehabt habe, sei es nicht geboten gewesen, Ermittlungen über einen in der Urkunde etwa nicht zum Ausdruck gekommenen Parteienwillen anzustellen (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1967, Zl. 654/67). Der weitere Einwand, die vereinbarte monatliche Entschädigungsleistung sei eine Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN, weil dort von Zuwachs, Früchten, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderung gelten und bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben, gesprochen werde, und die vereinbarte monatliche Leistung von S 25.000,-- als solcher Schadenersatz zu verstehen sei, gehe allein schon deshalb ins Leere, weil unter dem Begriff „Schaden“ im Sinne des § 54 Abs. 2 JN nicht Schadenersatzansprüche nach bürgerlichem Recht verstanden werden könnten; diese setzten ein besonderes Klagsvorbringen voraus und seien ein eigener materiellrechtlicher Anspruch innerhalb des Streitgegenstandes, der nach Maßgabe des § 55 JN zu der übrigen geltend gemachten Forderung hinzuzuzählen sei (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I, S. 341).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich strittig, ob der Punkt 4.) des gerichtlichen Vergleiches vom 21. September 1979 eine Gebührenpflicht auslöst. Dieser Vergleichspunkt lautet wie folgt:

„Für den Fall, daß der Räumungstermin überzogen werden sollte, verpflichtet sich Herr EB. und die EB Ges. m. b. H. zur ungeteilten Hand monatlich den Betrag von S 25.000,-- als Nutzungsentschädigung z. Hd. Herrn Dr. ... zu bezahlen.

Von den Beschwerdeführern wird in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit die Vergebührung dieses Teiles des gerichtlichen Vergleiches unter Hinweis auf § 54 Abs. 2 JN deshalb bekämpft, weil sie die Ansicht vertreten, es handle sich hiebei um Schäden, die als Nebenforderungen geltend gemacht worden seien. Diese Ansicht der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit dem Hinweis abgelehnt, daß der Begriff “Schaden“ im Sinne des § 54 Abs. 2 JN, also jener Schaden, der als Nebenforderung in Betracht käme, nicht gleichzusetzen sei mit dem Begriff „Schadenersatzanspruch“ nach bürgerlichem Recht, wobei die belangte Behörde sich auf die Lehrmeinung von Fasching (Kommentar zur Jurisdiktionsnorm) gestützt hat. Dem wird von den Beschwerdeführern entgegengehalten, daß der Anspruch auf Nutzungsentschädigung eine Nebenforderung darstelle. Nebenforderungen seien solche Forderungen, die von dem im selben Prozeß gemachten Hauptanspruch abhängig sind und ohne diesen in der Regel nicht geltend gemacht werden könnten. Sie hätten mit der Hauptforderung nichts gemeinsam, als die Entstehung aus dem Hauptanspruch. Im gegenständlichen Fall würde der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht bestehen, wenn nicht der Hauptanspruch auf Räumung im Vertrag begründet wäre.

Soweit sich die Beschwerdeführer hiebei auf die Meinung von Pollak beziehen, daß Nebenforderungen mit der Hauptforderung nichts anderes gemeinsam hätten als die Entstehung aus dem Hauptanspruch, kann ihnen durchaus beigepflichtet werden. Die Konsequenz daraus ist aber für den gegenständlichen Fall die, daß der von den Parteien vereinbarte Anspruch auf Nutzungsentschädigung schon deshalb nicht als Nebenforderung zu dem auf Räumung gerichteten Hauptanspruch anzusehen ist, weil einerseits schon begrifflich ein Anspruch auf Nutzungs-entschädigung - oder anders genannt: Nutzungsentgelt - nicht aus einem Räumungsanspruch begründet werden und andererseits überhaupt nur als Nebenforderung etwas angesprochen werden kann, was im Zeitpunkt der Geltendmachung bereits existent ist. Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Vergleiches eine Nutzungsentschädigung für den Fall vereinbart, daß die Räumung nicht zu dem vereinbarten Termin erfolgen sollte. Es bedarf daher gar nicht erst des Hinweises darauf, daß Schäden im Sinne des § 54 Abs. 2 JN nicht Schadenersatzansprüche nach bürgerlichem Recht sind, weil schon aus den soeben angeführten Gründen der vereinbarte Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht eine Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN darstellt. Im vorliegenden Fall haben die Parteien mit dem gegenständlichen Vergleich zwar in erster Linie eine Räumungsvereinbarung getroffen, doch haben sie zu deren Absicherung eine Reihe anderer Absprachen in den Vergleich aufgenommen, u. a. auch diese, daß sich die Beschwerdeführer verpflichteten, für den Fall der Verzögerung der vereinbarten Räumung eine Nutzungsentschädigung von monatlich S 25.000,-- zu entrichten. Daß dieser Teil des Vergleiches nicht als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs. 2 JN angesehen werden kann, ergibt sich auch schon daraus, daß diese Nebenabrede auch nicht den Gegenstand einer Nebenforderung in einem über die Räumung abgeführten Rechtsstreit bilden hätte können.

Der Verwaltungsgerichtshof kann aber der Argumentation der Beschwerdeführer auch insoweit nicht folgen, als diese in ihrer Beschwerde versuchen, aus dem Blickwinkel einer Verletzung von Verfahrensvorschriften die soeben behandelte Rechtsfrage neuerlich entscheidend ins Spiel zu bringen. Sie behaupten nämlich, die belangte Behörde habe „es im Berichtigungsverfahren rechtswidrigerweise unterlassen, den in dem Vergleich zum Ausdruck kommenden Parteienwillen zu erforschen“. Hätte die belangte Behörde ein solches Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre hervorgekommen, daß eine Zahlungsverpflichtung von mehr als sechs Monaten niemals vereinbart hätte werden sollen. Eine Protokollierung dieser Einschränkung sei versehentlich unterblieben.

Schon aus diesen Beschwerdeausführungen wird aber deutlich erkennbar, daß die Beschwerdeführer durch die von ihnen geforderte Erforschung des Parteienwillens nur eine Grundlage für ihre Behauptung gewinnen wollen, daß die Vereinbarung über die Nutzungsentschädigung nicht auf unbestimmte Zeit, sondern auf die Dauer von sechs Monaten, geschlossen werden sollte. Damit geben aber die Beschwerdeführer selbst zu, daß Punkt 4.) des gegenständlichen Vergleiches die Vereinbarung über ein monatlich zu entrichtendes Nutzungsentgelt enthält, die zeitlich nicht befristet ist. Bei Vorliegen einer derartigen Vergleichsklausel besteht aber schon im Hinblick auf ihren eindeutigen Inhalt für die belangte Behörde keine Veranlassung, den Parteienwillen etwa in der Richtung zu erforschen, ob die Parteien diese Vereinbarung zeitlich begrenzen wollten. Eine solche Korrektur des Vergleiches wäre auch nicht möglich, weil die Gebührenpflicht für einen Vergleich mit dem Abschluß desselben eintritt. Objektiv betrachtet stellte sich die Sachlage für die belangte Behörde so dar, daß die vergleichabschließenden Parteien eine Nutzungsentgeltvereinbarung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen haben. Wenngleich auch dieser behauptete Formulierungsfehler gewiß eine erhebliche Mehrbelastung für die Vertragsparteien bewirkt, geht es aber doch nicht an, im nachhinein im Berichtigungsverfahren derartige Fehler dadurch zu korrigieren, daß man den dem Sinne nach eindeutigen Parteienerklärungen durch nachträgliches Hinzusetzen weiterer Erklärungen einen anderen Sinn beilegt, um so die Grundlage für die Gebührenbemessung zu verändern.

Aus den dargelegten Erwägungen war daher die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch an die belangte Behörde in der beantragten Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 26. Mai 1983

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