European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1981130157.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer Betriebsprüfung, die bei der Beschwerdeführerin im Jahr 1980 für die Jahre 1975 bis 1978 durchgeführt wurde, vertrat der Prüfer die Ansicht, daß die von der Beschwerdeführerin in den Jahren 1977 und 1978 aus der Gewährung von Darlehen erzielten Einkünfte, die bis dahin steuerlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßt worden waren, richtigerweise als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen seien.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen, bezog die neben den Darlehenszinsen vereinnahmten Wertsicherungsbeträge in die Steuerbemessungsgrundlage mit ein und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide.
In einer gemäß § 245 Abs. 2 BAO nachgetragenen Bescheidbegründung wurde die Beurteilung der Darlehensgewährung als Gewerbebetrieb damit untermauert, daß Geld an mehrere Personen verliehen werde, wobei die Vermittlung der Kreditwerber durch einen Rechtsanwalt erfolge.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Für die Darlehensgewährung würde ausschließlich eigenes Kapital verwendet. Dieses stamme aus einer Erbschaft und dem Verkauf eines Grundstückes. Die Darlehensvergaben seien von der Beschwerdeführerin weder selbst vorbereitet bzw. geschäftsmäßig ausgeführt worden noch werde ein eigenes Büro unterhalten. Die Beschwerdeführerin führe keine eigene Geschäftsbezeichnung, beschäftige keine Dienstnehmer, betreibe keinerlei Werbung, inseriere nicht, nehme keine fremden Gelder auf, verfüge über keinerlei Geschäftsorganisation und übe keine besondere Verwaltungstätigkeit aus. Die Darlehensverträge kämen immer dadurch zustande, daß ein der Beschwerdeführerin bekannter Rechtsanwalt dieser fallweise eigene Klienten mit Geldbedarf namhaft mache. Die Darlehen würden dann jeweils durch den Anwalt vertraglich fixiert, abgewickelt und überwacht. Die Tätigkeit des Anwaltes bestehe somit in der Abfassung der Verträge, deren Vergebührung, der Auszahlung der Darlehensvaluta und eventuell im Einklagen und Eintreiben der Zinsen und des verliehenen Kapitals. Den Einkünften aus der Darlehensgewährung fehle das für gewerbliche Einkünfte erforderliche Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Vielmehr handle es sich dabei um eine bloße Vermögensverwaltung. Es seien im Prüfungszeitraum nur „zwischen vier und fünf Darlehen“ verliehen worden.
Die belangte Behörde gab der Berufung in einem nicht Gegenstand der Beschwerde bildenden Punkt statt, im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Grundsätzlich erstrecke sich die in der Gewährung von Darlehen bestehende Tätigkeit der Beschwerdeführerin auf eine unbestimmte Anzahl von Personen.
Die Beschwerdeführerin nehme dabei die Vermittlungstätigkeit eines Rechtsanwaltes in Anspruch. Dadurch werde aber „die Entfaltung einer berufsmäßigen, nach außen hin hervortretenden und den Beteiligten erkennbaren Tätigkeit zur Erzielung eines besonderen Gewinnes (Wertsicherung und Zinsen) beabsichtigt“. Eine bloße Nutzung eigenen Kapitalvermögens sei „durch diese Art der Darlehensvergabe nicht mehr gegeben“.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb
„1. Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist,
2. ......“
Diese Begriffsumschreibung entspricht vollinhaltlich jener, die im § 28 BAO als Definition des Gewerbebetriebes im Sinne der Abgabenvorschriften enthalten ist.
Gemäß § 32 BAO liegt Vermögensverwaltung im Sinne der Abgabenvorschriften insbesondere vor, wenn Vermögen genutzt (Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird). Die Nutzung des Vermögens kann sich aber auch als Gewerbebetrieb oder als land-und forstwirtschaftlicher Betrieb darstellen, wenn die gesetzlichen Merkmale solcher Betriebe gegeben sind.
Durch diese Bestimmung wird klargestellt, daß sich die Nutzung von Vermögen sowohl als Vermögensverwaltung als auch als betriebliche Einkunftsquelle darstellen kann. Während die aus einer Vermögensverwaltung im Sinne des § 32 BAO erwirtschafteten Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§§ 27 und 28 EStG) anzusehen sind, führt eine als Betrieb zu wertende Vermögensnutzung zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 21 und 23 EStG).
Die belangte Behörde erblickt im Merkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr das wesentliche Abgrenzungskriterium zwischen Vermögensverwaltung und betrieblicher Tätigkeit (im Beschwerdefall käme als solche nur eine gewerbliche Tätigkeit in Betracht). Sie übersieht dabei, daß eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, nämlich die grundsätzliche Bereitschaft mit einer unbestimmten Anzahl von Personen in wirtschaftliche Leistungsbeziehung zu treten, durchaus auch im Rahmen der sogenannten „bloßen“ Vermögensverwaltung gegeben sein kann. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wo das Leistungsangebot häufig ‑ etwa durch Zeitungsinserate oder durch Zwischenschaltung von Hausverwaltungen und Realitätenbüros ‑ einem völlig unbestimmten Personenkreis, sohin der Allgemeinheit gegenüber, erfolgt und wo auch eine Mehrzahl von Vertragsabschlüssen noch keineswegs dazu führt, die aus einer derartigen Vermögensnutzung fließenden Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und nicht als solche aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kann sohin nicht als geeignetes Abgrenzungskriterium zwischen bloßer Vermögensverwaltung einerseits und gewerblicher Tätigkeit andererseits herangezogen werden. Vielmehr kommt als Abgrenzungskriterium der Art und dem Umfang des tatsächlichen Tätigwerdens entscheidende Bedeutung zu. Sieht doch § 23 Z. 1 EStG als eines der Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit eine nachhaltige „Betätigung“ vor. Eine solche Betätigung ist nach Rechtsprechung und Schrifttum dann zu bejahen, wenn das Tätigwerden des Steuerpflichtigen deutlich jenes Ausmaß überschreitet, das üblicherweise mit der Verwaltung eigenen Vermögens verbunden ist (vgl. Hofstätter‑Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar Tz. 16 und 17 zu § 23 sowie Schubert-Pokorny-Schuch, Einkommensteuerhandbuch S. 752 und 769, sowie die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde behauptet nicht, daß dies bei der Beschwerdeführerin zutrifft. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag keine den üblichen Verwaltungsaufwand übersteigende Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu erkennen. Der Umstand, daß sich die Beschwerdeführerin bei der Vergabe von Darlehen der Mithilfe eines Rechtsanwaltes bedient und grundsätzlich bereit ist, nach Maßgabe des ihr zur Verfügung stehenden Eigenkapitals (in den streitgegenständlichen Jahren betrug dieses ca. 1,3 Millionen Schilling) jedem kreditwürdigen Darlehensinteressenten ein Darlehen zu gewähren, bietet für eine derartige Annahme keinen Anhaltspunkt. Die Zahl der Darlehensnehmer, die sich in den Streitjahren zwischen 4 und 5 Personen bewegte sowie die mittlere Laufzeit der Darlehen läßt ebenfalls keinen Schluß auf eine laufende Betätigung zu, die über den Rahmen der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen hinausgehen würde.
Da die belangte Behörde die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus der Vergabe von Darlehen sohin zu Unrecht den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet und als solche besteuert hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 22. Juni 1983
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